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Session: 16.04.2007
Im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des riesigen Steuererlasses (Kanton Graubünden und Stadt Chur insgesamt ca. Fr. 2 Mio.) für die Familie Mathis sowie deren Unternehmungen sind mehrere Missstände des Kantonalen Steuerrechts zu Tage getreten. Zudem wird der „Fall Mathis“ in der Bevölkerung sehr stark, zumeist mit grosser Empörung, wahrgenommen und es wird mehr Transparenz, Steuergerechtigkeit und Gleichbehandlung gefordert.

Der Steuererlass im Sinne eines definitiven Erlasses der Steuerschulden ist (zumindest ab einer gewissen Höhe) grundsätzlich in Frage zu stellen. Es geht nicht an, dass z.B. kleine SteuerzahlerInnen früher oder später jeden geschuldeten Steuerfranken dem Staat zurückzahlen müssen und Andere auf einen Schlag ein Millionengeschenk erhalten.

Anstelle des definitiven Erlasses sollte für alle eine sogenannte „Stundung auf unbestimmte Zeit“ verfügt werden, resp. solange es sich der Schuldner nicht leisten kann die Steuerschulden zu bezahlen. D.h. die Steuerschulden würden, wenn notwendig, bis ans Lebensende gestundet bleiben.

Das Steuergeheimnis soll analog zu verschiedenen anderen Kantonen insofern aufgehoben werden, als Steuerakten auch Dritten zugänglich zu machen sind. Es ist befremdend, dass Steuerungerechtigkeiten durch das Steuergeheimnis geschützt werden. Zusätzlich soll bei Erlassgesuchen über Fr. 5000.- zukünftig der Gesamtregierungsrat die Entscheidung treffen und nicht wie bis anhin lediglich das Finanzdepartement.

Deshalb laden die Unterzeichnenden die Regierung ein:

1. Art. 122 Abs. 2 des Kantonalen Steuergesetzes ist dahingehend zu ändern, als auch Dritten Einsicht in die Steuerakten zu gewähren ist.

2. Art. 156 Abs 3 lit. b) des Kantonalen Steuergesetzes zu ändern, damit die Gesamtregierung bei Erlassen über Fr. 5000.- zu entscheiden hat.

Chur, 16. April 2007

Name: Bucher-Brini, Menge, Baselgia-Brunner, Arquint, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Locher Benguerel

Session: 16.04.2007
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Ausgehend von einem durch die Medien publik gewordenen Erlassentscheid des Finanzdepartements lädt die SP Fraktion die Regierung ein, das kantonale Steuergesetz in zwei Punkten zu ändern. Auf der einen Seite sollen das Steuergeheimnis aufgehoben und Dritten Einsicht in die Steuerakten gewährt werden. Auf der anderen Seite soll die Erlasskompetenz für Steuerforderungen von mehr als Fr. 5'000.- in die Hände der Regierung gelegt werden.

Stellungnahme der Regierung

1. Im Bereich der direkten Steuern wird die Gesetzgebungsautonomie des Kantons durch das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (Harmonisierungsgesetz; StHG) eingeschränkt. Kantonale Gesetzesnormen, welche den Regelungen des Harmonisierungsgesetzes widersprechen, werden von Letzterem derogiert und bleiben damit wirkungslos.
Die geforderte Einsicht in die Steuerakten erweist sich im Lichte von Art. 39 StHG als bundesrechtswidrig. Das Harmonisierungsgesetz sieht eine umfassende Geheimhaltung vor und lässt Ausnahmen nur hinsichtlich der Auskunftserteilung, nicht aber mit Bezug auf die Akteneinsicht Privater zu (vgl. M. Zweifel in Kommentar zum Schweiz. Steuerrecht I/1, 2. A., Art. 39 StHG N 1 ff. und 7 ff).
Auch eine weniger weit gehende, harmonisierungsrechtlich mögliche Öffnung des Steuerregisters, bei der nur die Steuerfaktoren bekannt gegeben würden, ist nach Auffassung der Regierung abzulehnen. Die angestrebte Kontrolle der Verwaltung kann auf diesem Weg nicht erreicht werden, weil nur bei umfassenden Kenntnissen der konkreten Verhältnisse auf die effektiven Einkommens- und Vermögensverhältnisse geschlossen werden kann. Die Öffentlichkeit des Steuerregisters ist damit nicht sachdienlich.
Der Antrag der SP-Fraktion, Dritten Einsicht in die Steuerakten zu gewähren, wird daher von der Regierung abgelehnt.

2. Der Steuererlass ist in Art. 156 StG geregelt. Der Steuerpflichtige hat einen Rechtsanspruch auf einen Erlass, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind. Dies zeigt sich mit aller Deutlichkeit in Art. 139 Abs. 1 StG, wonach der Entscheid über einen Steuererlass mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden kann.
Der Entscheid über einen Steuererlass ist damit ein rechtlicher und nicht ein politischer Entscheid. Das ist auch der Grund, weshalb in der Teilrevision des Steuergesetzes vom 13. Juni 1999 die Erlasskompetenz von der Regierung auf das Finanzdepartement verlagert wurde. Diese Gesetzesänderung blieb sowohl in der Vorberatungskommission als auch im Grossen Rat unbestritten.
Mit dem Projekt Verwesentlichung und Flexibilisierung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung (VFRR) wollte der Kanton auch die Regierung entlasten. Die Umsetzung von VFRR bleibt weiterhin eine Zielsetzung in der Gesetzgebung. Der Regierung sollen nur noch wesentliche und politisch bedeutungsvolle Entscheide zugewiesen werden. In diesem Lichte ist davon abzusehen, der Regierung eine Erlasskompetenz für Beträge von Fr. 5'000.- zu erteilen.
Für den ausnahmsweisen Erlass von sehr hohen Steuerforderungen kann indessen eine Erlasskompetenz der Regierung in Betracht gezogen werden. Die Regierung ist bereit, den Auftrag in dem Sinne entgegenzunehmen, dass sie
über den Erlass von Steuerforderungen ab der Höhe von Fr. 100'000.- pro Steuerjahr entscheidet und eine entsprechende Gesetzesänderung vorbereitet.

Datum: 8. Mai 2007