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Session: 12.06.2007
Die Schweiz feiert 2007 ein besonderes Jubiläum: das 10 jährige Jubiläum der Ratifikation des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes aus dem Jahre 1989. Mit dieser Ratifizierung hat sich die Schweiz verpflichtet, die in der Kinderrechtskonvention festgelegten Rechte zu achten und sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne Diskriminierung zu gewährleisten. Zudem muss die Schweiz als Vertragsstaat gemäss Art. 4 alle geeigneten Gesetzgebungs-Verwaltungs- und sonstige Massnahmen zur Verwirklichung der in der Kinderrechtskonvention (KRK) anerkannten Rechte treffen. Das revidierte Asylgesetz und das Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), wie auch das neue Ausländergesetz(AUG) stehen aber in einem Spannungsfeld, wenn nicht gar zum Teil im Widerspruch zur KRK.

Die Umsetzung zahlreicher Kinderrechte fällt in die Kompetenz der Kantone so zum Beispiel:

Art. 12 Recht auf Anhörung und Achtung der Meinung, Art. 15 Recht auf Zusammenschlüsse und freie Versammlung (gewissen Kantone verbieten Kindern immer noch die Zugehörigkeit zu Erwachsenenvereinen), Art. 18, Art. 23, Art. 24 (gleichberechtigter Zugang zu Gesundheitsdiensten), Art26/27, Art.28/29 (Chancengleichheit im Bildungsbereich), Art. 19 und 33-36, 39, Art. 40.

Schwerpunktmässig sind Defizite in der Einhaltung der KRK bezüglich Aufenthalt, Zwangsmassnahmen, Schule und Bildung zu erwarten und zu überprüfen.

Die Unterzeichnenden möchten der Regierung auf Grund obiger Ausführungen folgende Fragen stellen?

1. In welchen Bereichen bestehen auf kantonaler Ebene in der Umsetzung der Kinderrechtskonvention noch Lücken und welche Massnahmen gedenkt die Regierung einzuleiten, diese zu füllen?

2. Warum hat die Regierung wissentlich im Fall Wiesen, (sie wurde im Vorfelde der Ausweisung auf die Verletzung mehrerer Kinderrechtsartikel aufmerksam gemacht), die Kinderrechtskonvention verletzt?

3. Welche Rechtsgüter hat sie über das Kindswohl im Fall Wiesen gesetzt? Art. 9 Abs.1 statuiert: Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, Art.10 Abs.1: Entsprechend der Verpflichtung der Vertragsstaaten nach Art. 1 werden von einem Kind oder seinen Eltern zwecks Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat von den Vertragsstaaten wohlwollend, human und beschleunigt bearbeitet. Art. 18 Abs.1 Vertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grundsatzes sicherzustellen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind.

4. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, dass das Kindeswohl als übergeordneter Grundsatz respektiert wird, insbesondere auch gegenüber MigrantInnen ohne gefestigtes Anwesenheitsrecht?

5. Im Kanton Graubünden gibt es im Gegensatz zu anderen Kantonen, keine/n kantonale/n Jugendbeauftragte/n. Es gibt keine Stelle, die sich im Bereiche Kinder und Jugendliche engagiert, welche Kantonsbeiträge erhält. Im Gegensatz zu Pro Senectute und Pro Infirmis, die durch die AHV resp. IV eine gesetzliche Grundlage haben und dadurch Kantons-resp. Bundesbeiträge erhalten, hat der ganze Bereich Jugendarbeit keine gesetzliche Grundlage, welche Beiträge erlauben würden.

Ist die Regierung bereit in diesem Bereiche tätig zu werden und vorhanden Lücken zu schliessen? (Jugendförderungsgesetz, Jugendbeauftragte/r)

6. Ende 2007 ist die zweite Berichterstattung der Schweiz zum Stande der Umsetzung der Kinderrechtskonvention an den zuständigen UN-Ausschuss geplant, dabei sollen die Kantone ebenfalls miteinbezogen werden. Ist die Regierung bereit bei der Berichterstattung die Defizite in unserem Kanton schonungslos aufzuzeigen? Ist sie bereit für ihren allfälligen Bericht auch Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte des Kindes einsetzen mit einzubeziehen und deren Meinung anzuhören?

Chur, 12. Juni 2007

Name: Trepp, Meyer Persili (Chur), Jäger, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Menge, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Pedrini

Session: 12.06.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die Regierung steht dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) positiv gegenüber. Sie sieht darin eine wichtige Grundlage für eine weltweite Verbesserung der Lebenssituation aller Kinder. Vor diesem Hintergrund kann zu den konkreten Fragen folgendermassen Stellung genommen werden:

1. Die Regierung geht davon aus, dass das bündnerische Recht den Forderungen der Kinderrechtskonvention entspricht und zur Anwendung kommt (zum Beispiel im Rahmen von Scheidungsverfahren bei der Zuteilung der elterlichen Sorge). Konkrete Lücken sind nicht sichtbar.

2. Die Kinderrechtskonvention wurde im Fall Wiesen nicht verletzt. Einerseits haben das Verwaltungsgericht und das Bundesgericht die Entscheide der Verwaltung als rechtmässig betrachtet. Andererseits hat das Bundesgericht im Rahmen eines Entscheides im Jahr 1998 (vgl. BGE 124 II 364) klar festgehalten, dass das Recht der Staaten, ihre Einwanderungsgesetze selbst auszugestalten, durch die Kinderrechtskonvention nicht beeinträchtigt wird. Zudem hat die Schweiz bezüglich des Familiennachzugs zur Kinderrechtskonvention einen Vorbehalt fremdenpolizeilicher Art angebracht. Ferner sieht Art. 9 Abs. 4 der Kinderrechtskonvention ausdrücklich eine Trennung der Kinder und Eltern durch Abschiebung vor.

3. Der Kanton Graubünden hat wie alle Kantone vom Bundesparlament erlassene Gesetze anzuwenden und rechtskräftige Gerichtsentscheide zu vollziehen.

4. Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid (BGE 126 II 392) vermag weder die Kinderrechtskonvention noch der in der Bundesverfassung (Art. 11 Abs. 1) garantierte Anspruch auf Schutz der Kinder und Jugendlichen einen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung zu vermitteln. Die fraglichen Normen sind jedoch zur Untermauerung des nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) potentiell bestehenden Aufenthaltsanspruchs heranzuziehen und im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen (vgl. BGE 2A.563/2002 vom 23. Mai 2003). Das Kindeswohl kann jedoch nicht als eigenständige Begründung für die Gewährung eines Aufenthaltanspruchs berücksichtigt werden.

5. Im Sinne der Verordnung über die Zusammenarbeit und Koordination in der Jugendhilfe vom 15.08.2006 werden dem Kanton nur diejenigen Aufgaben übertragen, zu deren Wahrnehmung die Gemeinden und private Organisationen nicht in der Lage sind (Subsidiaritätsprinzip).
Für ihre individuelle Beratung stehen den Jugendlichen verschiedene, vom Kanton getragene oder subventionierte Fachstellen zur Verfügung. Unter anderem sind dies die regionalen Sozialdienste, die Fachstelle Kindesschutz Graubünden, der Schulpsychologische Dienst, die Berufsberatung sowie die Beratungsstelle für Familienplanung, Sexualität, Schwangerschaft und Partnerschaft Graubünden.
Die Aufgaben in den Bereichen Jugendarbeit und Jugendförderung werden heute auf breiter Ebene durch private Organisationen und Interessengruppen (Pro Juventute, Jugendwerk Rätia, Sportvereine, Jugendgruppen etc.) wahrgenommen. Sofern diese Angebote nicht ausreichen, obliegt die Zuständigkeit zur Schaffung oder Initialisierung entsprechender neuer Angebote gemäss dem Subsidiaritätsprinzip den Gemeinden.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Kanton zahlreiche Angebote, die sich an Jugendliche richten, aus gemeinnützigen Mitteln unterstützt, insbesondere in den Bereichen Kultur, Bildung, Prävention und Sport.

6. Werden die Kantone Ende 2007 für die zweite Berichterstattung der Schweiz zum Stand der Umsetzung der Kinderrechtskonvention einbezogen, ist die Regierung selbstverständlich bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuwirken. Allerdings sieht die Regierung zurzeit keine Defizite, welche in diesem Zusammenhang „schonungslos aufzuzeigen“ wären.

Datum: 7. September 2007