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Session: 13.06.2007
Täglich erfahren wir aus den Medien über gewalttätige und zerstörungswütige Jugendliche. Nicht selten haben auch wir selbst oder uns bekannte Menschen diesbezüglich schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Mit Entsetzen sehen wir die Folgen für die Opfer.

Gemäss den Zahlen des Bundesamtes für Statistik sprachen die Jugendanwaltschaften und gerichte 2003 knapp 10% mehr Urteile gegen Minderjährige aus als noch 1999. Die Strafurteile erfolgten zum grossen Teil wegen Diebstahls oder Sachbeschädigung und wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Gemäss BFS hat die Zahl der verurteilten Gewalttäter stark zugenommen. Die Zahl der Urteile wegen Gewaltdelikten kletterte zwischen 1999 und 2003 um 40% in die Höhe. 39% der Verurteilten waren 2003 ausländischer Herkunft. Gemäss den jüngsten Zahlen blieb die Situation von 2003 bis 2006 ziemlich stabil.

Um der Jugendgewalt Gegensteuer zu geben, braucht es das Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte wie Eltern, Schulen, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Es braucht ferner konkrete Schritte, die den Kindern und Jugendlichen andere Wege zur Selbstbehauptung aufzeigen, ihnen aber auch Grenzen setzen und Fehlverhalten konsequent ahnden. Unsere grundlegenden Normen und Werte müssen besser vermittelt werden. Wenn Eltern ihren Erziehungspflichten nicht nachkommen können, müssen sie nach Kräften unterstützt werden. Wenn Eltern nicht wollen, haben wir von ihnen ihre erzieherische Gegenleistung, die sie der Gesellschaft schulden, einzufordern. Notwendig sind ebenso Ausstiegshilfen aus der Gewaltspirale, Mediation, Integrationshilfen sowie der Ausbau des Lehrstellenangebotes.

Ein so vielschichtiges Problem wie Jugendgewalt und vandalismus kann nur ganzheitlich angegangen werden. Es sind deshalb präventive und repressive Massnahmen nötig. Es braucht aber auch Massnahmen, um die Jugendlichen aus der Gewaltspirale herauszuholen und um die Auswirkungen von Gewalt auf Opfer und Täter zu mindern.

Aufgrund der obigen Ausführungen ersuchen die Unterzeichnenden die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie sieht die Situation bezüglich Jugendgewalt und vandalismus im Kanton Graubünden aus?

2. Welche präventiven Massnahmen gegen Jugendgewalt hat die Regierung getroffen?

3. Die Präsenz der Polizei erscheint in vielen Kantonen ein probates Mittel gegen Jugendgewalt zu sein. Wie stellt sich die Regierung zur Schaffung einer speziell ausgebildeten Jugendpolizei?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, damit ein Jugendlicher den Ausstieg aus der Gewaltspirale schafft?

5. Welche Möglichkeiten bestehen im Kanton Graubünden, um die Auswirkungen auf Opfer und Täter zu mindern?

6. Die Integration junger Ausländer scheint eine wichtige Massnahme zur Vermeidung von Jugendgewalt zu sein. Was unternimmt die Regierung diesbezüglich?

7. Wie kann die Regierung Eltern frühzeitig unterstützen, welche mit ihren Kindern und Jugendlichen nicht mehr zurechtkommen?

8. Wie arbeiten Kanton und Gemeinden in dieser Problematik zusammen? Gibt es Verbesserungspotiential?

Chur, 13. Juni 2007

Name: Niederer, Michel, Montalta, Augustin, Baselgia-Brunner, Berni, Berther (Sedrun), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Brantschen, Brüesch, Bundi, Butzerin, Caduff, Candinas, Casutt, Caviezel (Pitasch), Caviezel-Sutter (Thusis), Cavigelli, Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Dudli, Fallet, Farrér, Felix, Feltscher, Florin-Caluori, Geisseler, Hardegger, Hartmann (Chur), Hasler, Jäger, Keller, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Mani-Heldstab, Mengotti, Möhr, Nick, Niederer, Noi-Togni, Parolini, Pedrini (Roveredo), Perl, Peyer, Pfister, Plozza, Portner, Quinter, Righetti, Rizzi, Sax, Stiffler, Stoffel, Tenchio, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Troncana-Sauer, Valär, Wettstein, Zanetti, Joos, Pedrini (Soazza), Jecklin-Jegen

Session: 13.06.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Auch im Kanton Graubünden stehen die Themen „Jugendgewalt“ und „Vandalismus“ immer mehr im gesellschaftlichen Fokus. Die Fragen, welche ganz verschiedene Aspekte des Phänomens (Aktuelle Situation, Prävention, Auswirkungen etc.) aufgreifen, lassen sich folgendermassen beantworten:

1. Die Kriminalstatistik zeigt: In quantitativer Hinsicht ist bei der Jugendanwaltschaft Graubünden in den letzten Jahren nur ein geringer Anstieg (bzw. im Jahre 2006 gar ein Rückgang) der Fälle von Jugendgewalt (d.h. Fälle von Tätlichkeiten, Körperverletzungen, Raufhandel, Angriff, Raub, Erpressungen, Drohungen und Nötigungen) zu verzeichnen. So wurden im Jahre 2004 insgesamt 37, im Jahre 2005 41 und im Jahre 2006 31 Jugendliche wegen Gewaltstraftaten verurteilt. Im ersten Halbjahr 2007 wurden insgesamt 20 Jugendliche wegen Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen.
Bezüglich „Qualität“ der Jugendgewalt zeichnen sich auch in Graubünden Veränderungen ab. Die ausgeübte Gewalt ist härter und brutaler geworden.

2. Präventive Massnahmen gegen Jugendgewalt sind u.a.: Schaffung einer kantonalen Anlaufstelle für Jugendfragen beim Amt für Volksschule und Sport; Behandlung der Thematik im Volksschullehrplan; entsprechende Angebote des Schulpsychologischen Dienstes; Einsetzung einer Kommission für Kindesschutz und Jugendhilfe; Angebot betreffend Familien und Jugendberatungen durch die regionalen Sozialdienste; Konflikttraining für gewaltbereite Kinder und Jugendliche beim Kinder und Jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD) und beim Roten Kreuz sowie der Leistungsauftrag an die Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention (ZEPRA).

3. Je nach Entwicklung von Jugendgewalt und Jugendvandalismus in Graubünden ist u.a. auch die Schaffung eines spezialisierten Dienstes in Erwägung zu ziehen .

4. Gestützt auf das neue Jugendstrafgesetz können ab Sommer 2007 jugendliche Straftäter zur Teilnahme an Gewaltpräventionskursen verpflichtet werden. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer besteht voraussichtlich ab 2008 die Möglichkeit, mit ausländischen Jugendlichen eine Integrationsvereinbarung mit entsprechenden Auflagen abzuschliessen.

5. Dem Opfer stehen die Rechte gemäss Opferhilfegesetz zu (u.a. Betreuung durch Opferberatungsstellen; anwaltlicher Beistand; Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung). Ferner sieht das neue Jugendstrafgesetz ein Mediationsverfahren vor. Dabei geht es darum, zwischen dem jugendlichen Straftäter und dem Opfer eine faire und für beide Seiten zufrieden stellende Lösung zu finden.

6. Die Regierung legt Wert darauf, dass die Kinder und Jugendlichen bereits in Kindergarten und Schule ganzheitlich integriert werden. Diese Haltung findet u.a. in den Richtlinien zur Förderung fremdsprachiger Kinder im Kanton Graubünden vom Dezember 2001 ihren Niederschlag. Seit 1988 Jahren unterstützt der Kanton zudem das Integrationsprojekt "dopo scuola" der Bündner Arbeitsgemeinschaft für die Betreuung von Ausländerinnen und Ausländern finanziell. Die Schaffung der Stelle einer oder eines Integrationsbeauftragten soll die Haltung der Regierung bezüglich der ganzheitlichen Integration von Ausländerinnen und Ausländern ab 2008 zusätzlich unterstreichen.

7. Zeigt sich im Verlauf eines Verfahrens beim jugendlichen Straftäter eine Massnahmebedürftigkeit (erzieherische Defizite, gestörte Beziehung zu den Eltern), so sieht das Jugendstrafgesetz die Aufsicht (Art. 12) und die persönliche Betreuung (Art. 13) vor. Diese Schutzmassnahmen sollen Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützten. Ausserhalb von Jugendstrafverfahren greifen die vormundschaftlichen Kindesschutzmassnahmen gemäss Art. 307 ff. ZGB.

8. Zwischen dem Kanton und den verschiedenen Regionen und Gemeinden besteht auf verschiedenen Ebenen (Familie und Erziehungsberatung, Polizei etc.) eine gute Zusammenarbeit. Von der eingeleiteten Optimierung der Zusammenarbeit werden zusätzliche Verbesserungen erwartet.

Datum: 7. September 2007