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Session: 29.08.2007
Der Bundesrat hat die Botschaft zur Aufhebung der LEX Koller mit der Forderung verbunden, die Kantone müssten selber aktiv werden und wirksame Massnahmen gegen eine überbordende Entwicklung im Zweitwohnungswesen ergreifen. Auch wenn die gesetzlichen Grundlagen auf Bundesebene erst zu beschliessen sind, drängen sich angesichts der Lage bereits heute in Graubünden kantonale Massnahmen auf. Die passive Haltung der Regierung und das Zurückspielen der Verantwortung an die Regionen und Gemeinden genügt den Unterzeichneten nicht. Eine allfällige Aufhebung der Lex Koller ohne konkrete und griffige Ersatzmassnahmen hätte für die betroffenen Gebiete gravierende Folgen, u. a.:

- Weiteres Ansteigen der Immobilien- und Mietkosten
- Weiteres Ansteigen der Immobilienspekulation
- Verstärkte Umgehung der Bestimmungen gegen die Geldwäscherei
- Ungeklärte Auswirkungen auf das Steuersubstrat und auf die Raumplanung

Dabei sind schon heute Gemeinden und Regionen, in denen der Anteil an Zweitwohnungen teilweise weit über 50% vom Gesamtwohnungsbestand ausmachen, nicht fähig oder willens, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Dies ist umso stossender, als die Bevölkerung in den hauptsächlich betroffenen Gebieten die Forderung nach Einschränkung des Zweitwohungsbaus deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

Der Zweitwohnungsboom greift zudem auch auf die Hotellerie über. Restrukturierungsmassnahmen scheitern oft an den spekulativen Angeboten; in zahlreichen Fällen sind in den letzten Jahren Hotels zu Zweitwohnungen umgebaut werden. Damit wird das touristische und gesamtgesellschaftliche Verhältnis zwischen Hotels, Zweitwohnungen und von Wohnungen im Besitz von Einheimischen empfindlich gestört. Letztere werden gezwungen, auch wegen der steigenden Mietzinse sich an der Peripherie anzusiedeln. Eine Verteuerung der Lebenskosten und lange Anfahrtswege sind die Folge davon. Die Zweitwohnungen erbringen aber nachweislich nur einen Viertel der Wertschöpfung im Vergleich zu den Hotels.

Andererseits entvölkern sich ganze Regionen, weil es an wirtschaftlichen Impulsen fehlt. Das Zweitwohnungswesen könnte hier durchaus eine volkswirtschaftlich sinnvolle Rolle spielen, um solchen Regionen Impulse zu geben.

Es drängen sich Eingriffs- und Koordinationsmassnahmen durch den Kanton geradezu auf.

Ein Blick ins benachbarte Ausland (Tirol, Vorarlberg) zeigt, dass es durchaus zielführende Wege gibt, dem Zweitwohnungsbau Schranken zu setzen.

Die Regierung wird eingeladen, im Sinne der gemachten Überlegungen sowie als Folge der vom Bundesrat erfolgten Aufforderung, griffige Massnahmen vorzuschlagen bzw. selber in die Wege zu leiten, um das Problem der Zweitwohnungen in einem sozialen, wirtschaftlichen, touristischen und kulturellen Zusammenhang anzugehen. Insbes. sind Massnahmen zu prüfen

wie beispielsweise

- Der Erlass von regional differenzierten Richtplänen, die den Zweitwohnungsmarkt als Instrument einer gesamtwirtschaftlich ausgerichteten Politik einsetzen. Damit könnte dem Entwicklungsstand der Regionen Rechnung getragen werden.

- Das Erarbeiten von besonderen raumplanerischen Massnahmen für stark belastete Gemeinden und Regionen, um dem zunehmenden Missverhältnis zwischen Hotels und Zweitwohnungen wirksam zu begegnen, etwa durch die Schaffung von Hotelzonen, kantonale Empfehlungen für die Kontingente (Höhe und degressive Ausgestaltung).

- Eine Differenzierung des Zweitwohnungsbegriffes: Zweitwohnungen, die an Einheimische vermietet werden, Zweitwohnungen die ausschliesslich durch den Besitzer benützt werden, Zweitwohnungen, die frei vermietbar sind, Zweitwohnen in Verbindung mit Hotelrestrukturierungen. Für alle diese Kategorien braucht es unterschiedliche Massnahmen, die zudem regional verschieden sind. Dies könnte in den regionalen Richtplänen und Entwicklungskonzepten aufgenommen werden.

- Steuerliche Lenkungsmassnahmen, um der Hotellerie als wichtigem wertschöpfendem Sektor gegenüber den Zweitwohnungen bessere Rahmenbedingungen an eine sich ändernde Nachfrage zu geben.

- Massnahmen zur Steigerung der Wohnattraktivität für Einheimische in besonders belasteten Gebieten, etwa durch die Sicherung bestehender Bauzonen für Einheimische.

- Ein konsequentes Umsetzen der gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf eine aktive Verfolgung und Ahndung von missbräuchlich erworbenem Wohneigentum und zur Einschränkung vom Erwerb von Wohneigentum zu spekulativen und reinen Ertrags- und Renditeanlagen.

Chur, 29. August 2007

Name: Arquint, Peyer, Jaag, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jäger, Menge, Meyer Persili (Chur), Pfenninger, Pfiffner, Thöny, Trepp

Session: 29.08.2007
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Es ist unbestritten, dass Zweitwohnungen auch unerwünschte Effekte zur Folge haben können, wie zu hoher Landverbrauch, Beeinträchtigung des Ortsbildes, Geisterort-Atmosphäre, erschwerter Zugang zum Wohnungsmarkt für die Einheimischen. Vor allem Zweitwohnungen mit geringer jährlicher Belegungsdauer (sog. kalte Betten) werden als problematisch wahrgenommen, zumal diese wenig zur Auslastung der örtlichen Tourismusinfrastrukturen wie z.B. der Bergbahnen beitragen. Andererseits aber sind Zweitwohnungen in Tourismuskantonen wie Graubünden ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 50% der jährlichen Übernachtungen in unserem Kanton werden über Zweitwohnungen generiert. Sie führen somit auch zu Wertschöpfung und Beschäftigung vor allem im Bau-, Immobilien- und Tourismusgewerbe. Daher muss es ein vordringliches Ziel jeder touristischen Destination sein, möglichst viele kommerziell bewirtschaftete Wohnungen und damit warme Betten zu schaffen, um so eine hohe Auslastung zu erzielen. Zu diesem Zweck drängen sich v.a. in touristischen Zentren griffige Massnahmen zur Einschränkung kalter beziehungsweise zur Förderung warmer Betten auf. Die Regierung hat sich angesichts der unterschiedlichen Verhältnisse und Bedürfnisse in den einzelnen Orten und in Übereinstimmung mit einem Beschluss des Grossen Rates im Rahmen der kürzlich erfolgten Revision des kantonalen Raumplanungsgesetzes stets dafür ausgesprochen, dass entsprechende, unmittelbar ins Eigentum eingreifende Vorschriften - im Vordergrund standen bisher Regelungen raumplanerischer Natur - von den betroffenen Gemeinden selbst und nicht durch den Kanton erlassen werden. Daran ist festzuhalten. Der Kanton ist sich seit jeher der Problematik bewusst und hat die Gemeinden bei der Bewältigung der schwierigen Aufgabe in vielfältiger Weise unterstützt, sei es durch Vollzugshilfen, Mustervorschriften und Tagungen, sei es bei der Vorprüfung und Genehmigung ortsplanerischer Erlasse. Erwähnenswert ist unter anderem die 1997 herausgegebene Studie "Zweitwohnungsbau im Kanton Graubünden", worin sämtliche aus damaliger Sicht möglichen Instrumente dargestellt wurden. Nicht zuletzt Dank all diesen Aktivitäten haben die Gemeinden bisher durchaus bedarfsgerechte Regelungen getroffen. Zu denken ist etwa an die früheren Erstwohnungsanteilsvorschriften, mit denen die Zweitwohnungszunahme zwischen 1980 und 2000 insgesamt stabilisiert werden konnte, an die aktive Land- und Wohnungspolitik der Gemeinden oder an die heute aktuellen Kontingentierungsvorschriften, die in vielen Tourismusgemeinden bereits erlassen worden sind (unter anderem im Oberengadin, in Vaz/Obervaz) oder derzeit geprüft werden (unter anderem in Davos, Klosters).

Erforderlich ist freilich eine gesamtheitlich ausgerichtete, die unterschiedlichen lokalen Bedürfnisse mitberücksichtigende nachhaltige kantonale Zweitwohnungspolitik. In diesem Punkt drängt sich eine Erhöhung des Engagements auf. Das zuständige Departement hat zu diesem Zweck schon vor Einreichung des vorliegenden Auftrages eine Ergänzung des kantonalen Richtplans (KRIP) lanciert, welche im Sinne einer Weiterentwicklung des Bereichs Siedlung und unabhängig vom weiteren Schicksal der Lex Koller spezifisch die Zweitwohnungsthematik im Visier hat. Im Zuge dieser KRIP-Ergänzung wird sich auch die Gelegenheit bieten, die im vorliegenden Auftrag erwähnten Massnahmen näher zu prüfen. Generell geht es u.a. darum, allgemeingültige Kriterien für die Ermittlung des Handlungsbedarfs zu entwickeln sowie behördenverbindliche instrumentelle und zeitliche Vorgaben an die Gemeinden zu definieren. Gleichzeitig werden die heutigen Instrumente bereinigt und neue Massnahmen geprüft (z.B. Lenkungsabgabe auf Zweitwohnungen zugunsten einer Abschwächung der negativen Effekte oder zur Förderung der touristischen Infrastruktur, beispielsweise des Erstwohnungsbaus; Anreizsysteme zur Erhöhung der Belegungsdauer bestehender Zweitwohnungen). Es wird ein Instrumenten-Werkzeugkasten aufgearbeitet, dessen Elemente durch die Gemeinden je nach spezifischer Problemstellung in unterschiedlicher Kombination eingesetzt werden können. Eine solche KRIP-Ergänzung kann auch vor dem Hintergrund der als Bedingung für eine Aufhebung der Lex Koller aufgestellten Forderung nach flankierenden Massnahmen gesehen werden.

In diesem Sinne kann der vorliegende Fraktionsauftrag, mit welchem die Regierung eingeladen wird, Massnahmen zur Lösung des Zweitwohnungsproblems zu treffen, entgegen genommen werden.

Datum: 31. Oktober 2007