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Session: 12.02.2008
Der Entscheid der ständerätlichen WBK, das Transitverbot von Schlachttiertransporten nicht in das Tierschutzgesetz aufzunehmen, setzt ein falsches Signal gegenüber der EU. Nur ein explizites Verbot auf lange Sicht wird EU-Transporteure daran hindern, mit ihrer Lebendfracht die Schweiz zu durchqueren.

Schätzungsweise 30 Millionen Pferde, Rinder, Schweine und Schafe werden jährlich über extreme Distanzen von bis zu 2’500 Kilometern und maximal 90 Stunden durch ganz Europa gekarrt. Die Tiere sind in riesigen, bis zu vierstöckigen Camions eng zusammengepfercht. Dabei existiert nicht einmal eine Transportzeitbeschränkung, sondern lediglich die Vorschrift, nach 24 Stunden Fahrt eine Versorgungspause einzulegen.

Vor derartigen Zuständen ist die Schweiz bisher zum Glück verschont geblieben, da solche Schlachttiertransporte durch die Schweiz bis heute verboten sind. Bei einer Öffnung der Grenzen müsste die Schweiz mit denselben Problemen kämpfen mit denen die EU selbst nicht fertig wird. Transportverstösse bei Langstreckentransporten gehören zur Normalität in der EU. Die häufigsten Verstösse sind Langzeitüberschreitungen, zu hohe Ladedichte, nicht eingehaltene Tränke- und Fütterungsintervalle, fehlende Trennwände, unvollständige und gefälschte Begleitpapiere sowie ungeeignete Fahrzeuge. Hinzu kommt die Gefahr der Einschleppung von Seuchen.

Die geltende Verordnung erlaubt die Durchfuhr von Rindvieh, Wasserbüffeln, Schafen, Ziegen und Schweinen nur im Bahn- oder Luftverkehr (Art 57), (der Transport von Eseln, Pferden und Geflügel ist nicht geregelt). Der Bundesrat kann diese Bestimmung in Eigenkompetenz aus der Verordnung kippen. Bis anhin hat er der Öffentlichkeit zwar mehrfach versichert, dieses Verbot nicht preiszugeben. Es gilt nun eine Lösung für alle Schlachttiere per Gesetz zu finden, damit der Bundesrat auch rechtlich nicht mehr die Möglichkeit hat, diese Bestimmung bei den Verhandlungen mit der EU zu opfern. Die WBK des Nationalrates hatte im letzten Jahr einstimmig die parlamentarische Initiative Marty Kälin gut geheissen, die ein Verbot des Transports von lebenden Schlachttieren durch die Schweiz sowie verstärkte Grenzkontrollen bei Tiertransporten forderte. Die WBK-S hat nun überraschend mit 6:4 die parlamentarische Initiative zurückgewiesen. Mit einer Oeffnung der Grenzen für internationale Tiertransporte könnte die Schweiz zur Drehscheibe für die skandalösen Schlachttiertransporte der EU werden. Sie würde sich damit mitschuldig machen an den grausamen Tierquälereien auf Europas Strassen. Das Ziel sollte sein, dass Tiere, welche zur Schlachtung bestimmt sind, nicht lebend quer durch Europa und durch die Schweiz gefahren werden. Langfristiges Ziel sollte die Schlachtung von Tieren in der Nähe ihres Herkunftsortes sein.

Die Regierung wird nun ersucht, sich für ein generelles Verbot zur Durchfuhr von lebenden Schlachttieren durch die Schweiz einzusetzen und bei den zuständigen Bundesstellen entsprechend zu intervenieren.

Chur, 12. Februar 2008

Name: Gartmann-Albin, Stiffler, Pfenninger, Arquint, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bleiker, Blumenthal, Brüesch, Bucher-Brini, Bundi, Campell, Casty, Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Dudli, Federspiel, Frigg-Walt, Hasler, Jaag, Jäger, Märchy-Michel, Menge, Montalta, Pfiffner-Bearth, Pfister, Stoffel, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Vetsch (Klosters Dorf), Grendelmeier, Locher Benguerel, Loi, Monigatti

Session: 12.02.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Der Transit-Transport von Schlachttieren der Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Schweinegattung auf der Strasse ist nach geltendem Recht verboten (vgl. Art. 57f der Tierschutzverordnung, TSchV; SR 455.1). Erlaubt ist lediglich der Transit von Tieren durch die Schweiz per Bahn- oder Luftverkehr, was allerdings mangels der dazu erforderlichen Infrastrukturen schon seit Jahren nicht mehr praktiziert wird. Im Anhörungsentwurf für eine revidierte Tierschutzverordnung wurde das Transit-Verbot nicht mehr explizit erwähnt. Laut Vernehmlassungsbericht wurde aber ein solches erneut klar gefordert. In der neuen, voraussichtlich am 1. September 2008 in Kraft tretenden Tierschutzverordnung (nTSchV) ist das Verbot wiederum verankert (vgl. Art. 175 nTSchV).

Aus Gründen der Tiergesundheit bzw. der Tierseuchenpolizei wird es trotzdem nicht mehr möglich sein, das Verbot längerfristig aufrechtzuerhalten, da die Äquivalenz mit der EU in diesem Bereich grundsätzlich bereits hergestellt ist. Allerdings ist die Gleichwertigkeit diesbezüglich nur für die wichtigsten ansteckenden Krankheiten gegeben. So bestehen beträchtliche Unterschiede im Gesundheitsstatus zwischen der EU und der Schweiz bei Krankheiten, die nicht Teil des Abkommens sind, so z.B. bei der IBR bei Rindern, der CAE bei Ziegen oder bei verschiedenen Schweine- und Geflügelkrankheiten. Damit ist grundsätzlich eine Einschleppung dieser Krankheiten im Zusammenhang mit Transit-Transporten nicht ganz auszuschliessen, aber eher unwahrscheinlich.

Daneben besteht im Bereich des Tierschutzes grundsätzlich Äquivalenz, weshalb sich auch diesbezüglich das Verbot aus langfristiger Sicht als problematisch erweist. Indessen besteht die Äquivalenz de facto eher nur formell, da in der EU im Vollzug des Tierschutzes noch enormer Handlungsbedarf existiert. Trotz laufender Verbesserungen seitens der EU gibt es nur wenig relevante Fortschritte zur Annäherung der unterschiedlichen Niveaus. Von tatsächlicher Äquivalenz kann demnach bis auf weiteres noch nicht gesprochen werden.

Zurzeit laufen auf Bundesebene Gespräche mit der EU, in welchen sich die Schweiz nach wie vor gegen den Transit von Schlachttieren einsetzt. Sie hält hauptsächlich aufgrund der Diskrepanz im Vollzug des Tierschutzes am Verbot fest.

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die EU im Rahmen zukünftiger Verhandlungen den Druck für ihre Forderungen, zur Erleichterung des Handels mit Tieren und tierischen Lebensmitteln das Transitverbot aufzuheben und die grenztierärztlichen Kontrollen abzubauen, erhöhen könnte.

Somit ist festzustellen, dass zwar ein gewisser Handlungsbedarf besteht. Dies beweist auch die Tatsache, dass verschiedene Kantone wie Luzern, St. Gallen oder Zürich ähnliche Diskussionen führen. Der Handlungsspielraum der Regierung für die Erwirkung eines Transit-Verbotes von lebenden Schlachttieren durch die Schweiz ist allerdings verschwindend klein, zumal die diesbezüglichen Gespräche mit der EU Bundessache sind, sich der Bund weiterhin klar für ein Verbot einsetzt und nicht zuletzt die neue Tierschutzverordnung das Verbot statuiert.

Die Regierung ist bereit, sich im Rahmen ihrer geringen Möglichkeiten bei den zuständigen Bundesstellen dafür zu verwenden, dass das Transitverbot für Tiertransporte durch die Schweiz erst dann aufgehoben wird, wenn tatsächliche Äquivalenz in tierseuchenpolizeilicher und vor allem auch in tierschützerischer Hinsicht – insbesondere im Vollzug – zwischen der Schweiz und der EU hergestellt ist. Für ein generelles Verbot zur Durchfuhr von lebenden Schlachttieren durch die Schweiz, wie dies die Auftraggeber fordern, kann sich die Regierung aufgrund der dargelegten Umstände dagegen nicht einsetzen. Sie beantragt deshalb dem Grossen Rat, den Auftrag abzulehnen.

Datum: 6. Mai 2008