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Session: 12.02.2008
Beeindruckt von der Gewaltzunahme der letzten Jahre in unserem Land – Graubünden nicht ausgeschlossen - habe ich mich bereits im 2007 in der Kommission Gesundheit und Soziales des Grossen Rates über eine allfällige Datenerhebung von Gewaltopfern in den Bündner Spitälern erkundigt. Damals wusste niemand genau, ob eine solche Maßnahme getroffen würde oder nicht.

Heute sind einige Informationen mehr vorhanden. In diesem Zusammenhang ist zu erfahren, dass Studien (Universität Zürich) und Untersuchungen (Inselspital Bern) vorliegen. Erhebungen von Verletzungen von Gewalttaten werden im Spitalzentrum Biel (ausschliesslich Jugendgewalt), im Kantonsspital Luzern und in anderen Spitälern in der Schweiz vorgenommen. Das Kantonsspital Luzern konnte ausgehend von diesen Erhebungen sogar ein Täterprofil erstellen. Das Kantonsspital Graubünden führt keine Erhebung von Daten über die behandelten Gewaltopfer.

Datenerhebungen sind allgemein wichtige Indikatoren um Tendenzen aufzuzeigen, um Ist- und Soll-Zustände festzulegen, was sehr dienlich sein kann im präventiven Bereich bei schweren Problematiken. Eine solche ist sicher die gesellschaftliche Gewaltspirale, die an Intensität und Gefährlichkeit in den letzten Jahren zugenommen hat (siehe letale Fälle, Kopfverletzungen usw.). Nach Auffassung von Experten ist wegschauen und banalisieren das Schlimmste, was man machen kann. Die Politik ist auch aufgefordert.

Geleitet von diesen Ausführungen stelle ich der Regierung folgende Fragen:

- Erachtet die Regierung die Einführung einer Datenerhebung von Gewaltopfern (jede Gewalt und jedes Opfer) in den Bündner Spitälern (federführend Kantonsspital Graubünden) als kompliziert, sinnlos, unangebracht und kostspielig?

- Falls es so wäre, könnte sich die Regierung in dieser wichtigen Angelegenheit nicht von Experten in der Problematik Gewalt beraten lassen?

- Möchte die Regierung bei einem allfälligen letalen Fall (siehe Vorkommnisse in Locarno) sich dem Vorwurf der Untätigkeit machen lassen?

- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Spitälern, Polizei und Behörden in Gewaltfällen?

Chur, 12. Februar 2008

Name: Noi-Togni, Bucher-Brini, Niederer, Arquint, Casutt, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Kleis-Kümin, Koch, Mengotti, Pfiffner-Bearth, Trepp, Locher Benguerel

Session: 12.02.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Nach Ansicht der Regierung sollten Daten nur erhoben werden, wenn die Datenerhebung mit einem Nutzen verbunden ist. Bei der anvisierten Datenerhebung in den Bündner Spitälern müsste, um deren Durchführung zu legitimieren, ein Nutzen insbesondere für die polizeiliche Arbeit resultieren. Ein solcher würde gegebenenfalls darin bestehen, dass gestützt auf die Datenerhebung gesellschaftstypische oder fallspezifische Täterprofile erstellt werden. Fallspezifische Täterprofile können allerdings schon heute gestützt auf die vorhandenen Informationen erstellt werden (sog. Profiling). Solche Täterprofile werden jedoch von spezialisierten Kriminalisten (und nicht von Spitälern) und nur dann erstellt, wenn nach unbekannter Täterschaft von serienmässigen und schweren Gewaltdelikten zu suchen ist. In der Regel handelt es sich erfahrungsgemäss bei Gewaltdelikten aber um Beziehungsdelikte, wo die Täterschaft bekannt ist. Aus der anvisierten Datenerhebung von Gewaltopfern in den Bündner Spitälern würde somit für die Polizei hinsichtlich der Aufklärung von Gewaltdelikten kein Nutzen resultieren. Aus polizeilicher Sicht wird ebenso wenig ein Nutzen erkannt, wenn daraus gesellschaftstypische Täterprofile erstellt werden könnten. Es besteht nämlich keine polizeiliche Möglichkeit, allfällige auf Grund der Datenerhebung der Spitäler erstellte gesellschaftstypische Täterprofile in der präventiven polizeilichen Arbeit im konkreten Einzelfall zu nutzen.

Die vorliegende Anfrage wird insbesondere mit den von verschiedenen Spitälern durchgeführten Studien und Untersuchungen begründet. Diese Untersuchungen und Studien haben teilweise viel Publizität erreicht, ein konkreter Nutzen dieser Untersuchungen und Studien ist bis heute nicht bekannt.

Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:

1. Die Regierung erachtet eine Datenerhebung von Gewaltopfern in den Bündner Spitälern als nicht zweckdienlich, da aus den Daten keine direkten Schlussfolgerungen für die polizeiliche Arbeit gezogen werden können. Die Datenerhebung ist zudem aufwändig und mit erheblichen Kosten verbunden. Die Kosten der Datenerhebung werden allein vom Kantonsspital Graubünden auf rund 300'000 Franken pro Jahr veranschlagt.

2. Die Regierung ist bereit, sich bei Bedarf von Experten in der Gewaltproblematik beraten zu lassen. Zu diesen Experten gehört vorab die Kantonspolizei. Einen Bedarf zum Beizug weiterer Experten erachtet die Regierung derzeit nicht als gegeben.

3. Der der Frage zu Grunde gelegte Zusammenhang zwischen einem allfälligen letalen Fall und der Nichterhebung von Daten von Gewaltopfern in den Bündner Spitälern ist für die Regierung nicht nachvollziehbar.

4. Die Zusammenarbeit zwischen Spitälern bzw. Ärzteschaft und der Polizei ist in der Verordnung über die Mitwirkung der Medizinalpersonen im Strafverfahren (BR 350.070) geregelt. Demnach bestehen eine Meldepflicht des Arztes in aussergewöhnlichen Todesfällen und ein Melderecht im Falle von Verletzungen, die auf ein Vergehen oder Verbrechen schliessen lassen, was beispielsweise bei Schuss- oder Stichwunden indiziert ist oder bei Verletzungen an Kindern. Sodann ist der Arzt verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden auf Anfrage hin Zeugnis oder Bericht zu erstatten.

Datum: 23. April 2008