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Session: 11.06.2008
Pressemeldungen über kriminelle Vorfälle unter Mitwirkung von Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren gehäuft und doch bilden sie nur die Spitze des Eisberges. Die Erfahrungen der Sicherheitsorgane, der Jugendanwaltschaft, vieler Schulbehörden, aber auch die Erfahrung einzelner Bürgerinnen und Bürger mit Jugendgewalt zeichnen ein düsteres Bild der Situation. Selbst die Regierung schreibt in ihrer Antwort auf die Anfrage Niederer betreffend „Jugendgewalt und –vandalismus in Graubünden“ vom 7. September 2007 von einer leichten Zunahme der Jugendgewalt, wobei die ausgeübte Gewalt immer härter und brutaler werde.

Es ist den Unterzeichnenden bewusst, dass das vielschichtige Phänomen der Jugendgewalt ganzheitlich angegangen werden muss. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung sind laut Fachmeinung vier Achsen notwendig: präventive und repressive Massnahmen, sowie Massnahmen, um Jugendliche aus der Gewaltspirale herauszuholen und die Auswirkungen von Gewalt auf Opfer und Täter zu mildern.

Ein gesamtkantonal agierender und selbständiger Spezialdienst (ohne fachfremde Aufgaben) würde vor allem im präventiven und repressiven Sinne einen grossen Einfluss auf die Jugendkriminalität in Graubünden haben. Ein Mehrwert entsteht dadurch, dass Jugendpolizisten als Szenenkenner das Gespräch mit Jugendlichen führen können, an einschlägig bekannten Orten erscheinen und rechtzeitig einschreiten können und damit den Jugendlichen bewusst gemacht werden kann, dass Gewalt und andere strafbare Handlungen nicht toleriert werden. Wird dem strafbaren Handeln nicht entgegengewirkt, kann dies für viele einen Freipass bedeuten. „Es passiert ja eh nichts…“ darf es nicht heissen.

Eine weitere Strategie des Jugenddienstes muss es sein, die Vernetzung und Kooperation mit Erziehern, Schulen und Jugendbeauftragten zu fördern und diese zu unterstützen.

Ein solcher Jugenddienst im Sinne einer polizeilichen Anlaufstelle für Jugendliche, welcher sämtlichen Bedürfnissen - präventiver und repressiver Art - entsprechen kann, besteht in Graubünden nicht.

Jugenddienste im Sinne der Unterzeichnenden kennen die Kantone ZH, SG, AR, LU und SO. In diesen Kantonen sind die Jugenddienste laut Informationen von Jugenddienstpolizisten und Fachleuten unbestritten und werden politisch von allen Seiten unterstützt. In einem Bericht über die Jugendkontaktpolizei AR im Bündner Tagblatt vom 3. Oktober 2007 ist zu lesen: „Die Bevölkerung will eine Jugendkontaktpolizei (JKP). 85 Prozent stufen in einer Umfrage die Arbeit der Ausserrhoder JKP als besonders wichtig ein.“

Um die Situation bezüglich der Jugendkriminalität in unserem Kanton zu entschärfen und der Kantonspolizei Graubünden eine entsprechende Handhabe zu geben, laden die Unterzeichnenden die Regierung ein, innert Jahresfrist die Schaffung eines Jugenddienstes ohne fachfremde Aufgaben und mit zusätzlichem Personal in die Wege zu leiten.

Chur, 11. Juni 2008

Name: Niederer, Hartmann (Chur), Parolini, Arquint, Augustin, Baselgia-Brunner, Berni, Berther (Sedrun), Bezzola (Samedan), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Bundi, Caduff, Cahannes Renggli, Candinas, Casutt, Cavigelli, Clavadetscher, Darms-Landolt, Dermont, Dudli, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Geisseler, Jäger, Jenny, Keller, Kessler, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Mani-Heldstab, Menge, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Michel (Davos Monstein), Montalta, Noi-Togni, Parpan, Pfister, Portner, Ragettli, Righetti, Stiffler, Tenchio, Troncana-Sauer, Tuor, Wettstein, Furrer-Cabalzar, Hartmann (Küblis), Luzio, Märchy-Caduff (Domat/Ems), Michel (Chur), Patt, Scartazzini

Session: 11.06.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Seit 2006 bearbeitet die Kantonspolizei zusammen mit der Stadtpolizei Chur polizeiliche Fragen im Zusammenhang mit Jugend und Jugendgewalt (Arbeitsgruppe "MINOR"). Es geht darum, gerichts- und sicherheitspolizeilich relevante Fakten zur Jugendgewalt auf dem Platz Chur darzustellen und zu beurteilen sowie den Handlungsbedarf aufzuzeigen. Der Bericht wird jährlich erneuert.

In den Jahren 2005 – 2007 wurden in Chur jährlich zwischen 111 und 136 relevante Ereignisse verzeichnet, wovon ein Drittel gerichts- und zwei Drittel sicherheitspolizeilicher Art waren. Dafür waren 351 (2006) bzw. 251 (2007) Jugendliche verantwortlich, wobei allein die aktivsten fünf Prozent über einen Drittel der Ereignisse verursachten. Die Kriminalstatistik der Kantonspolizei zeigt zudem einen Anteil Jugendlicher an der ermittelten Täterschaft, welcher in den letzten fünf Jahren ungefähr gleich geblieben ist. Insgesamt zeigt das Phänomen Jugendgewalt, abgesehen von punktuellen Ausschlägen, zurzeit keine statistische Signifikanz.

Die Arbeitsgruppe "MINOR" zeigte in ihrem Bericht auf, dass im Hinblick auf das rechtzeitige Erkennen und Bekämpfen ähnlicher Entwicklungen wie in grösseren Städten, z.B. Zürich, innerhalb der Kantonspolizei ein Jugenddienst zu schaffen sei, der speziell sowohl im Vorfeld als auch zur Ermittlung und Ermittlungskoordination von Jugendkriminalität einzusetzen und als eigentlicher kriminalpolizeilicher Spezialdienst auszugestalten sei und der eng mit der Jugendanwaltschaft zusammenzuarbeiten habe. Hiezu sei jedoch die Bereitstellung von zusätzlichem Personal notwendig.

Die Regierung wird die Frage betreffend Schaffung eines Jugenddienstes im Rahmen des Polizeiberichtes 2010, der zuhanden des Grossen Rates gestützt auf den Auftrag der Kommission für Justiz und Sicherheit erstellt wird, aufnehmen. Sie ist bereit, den Auftrag mit der Einschränkung entgegenzunehmen, dass die politische Diskussion über den Polizeibericht vorgängig zu führen ist.

Datum: 10. September 2008