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Session: 29.08.2008
Wie Anfangs August 2008 verschiedenen Medien entnommen werden konnte steht der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» (LQ) eine unsichere Zukunft bevor. Gemäss Pressemeldungen soll die Zeitung ab 2009 nur noch einmal wöchentlich erscheinen, falls das Blatt nicht günstiger produziert werden kann. Insgesamt schlägt Hanspeter Lebrument, Direktor der Südostschweiz Mediengruppe AG, drei Modelle vor. Eines davon wäre, dass die ANR die LQ übernehmen könnte. Ein anderes Szenario: die SO Mediengruppe übernimmt die ANR und bekommt die öffentlichen Fördergelder, die Bund und Kanton an sie jährlich zahlt. Zur Diskussion steht auch die Umwandlung in eine Wochenzeitung.

Die Quotidiana (LQ) hat eine lange Entstehungsgeschichte. Obwohl das Bedürfnis einer romanischen Tageszeitung seit Jahrzehnten erkannt und unbestritten war, mussten die Romanen recht lange auf die Realisierung warten. Erst die 1996 gegründete, vom Bund und Kanton finanzierte romanische Nachrichtenagentur Agentura da Novitads Rumantscha (ANR) schuf eine für die Entstehung einer Tageszeitung wichtige Voraussetzung. Mit Hilfe der ANR entstand eine Zeitung, die sich sehen lassen darf: professionell redigiert, ansprechend gestaltet, auf modernen Anlagen hergestellt und von einer kleinen, aber äusserst motivierten und engagierten Redaktion betreut.

Die romanische Tageszeitung ist ein zentrales Projekt der Spracherhaltung. Neben der Spracherneuerung (womit die Sprache lebendig bleibt) fördert die gesamtromanische Tageszeitung die Annäherung der Idiome, schlägt Brücken zwischen den romanischen Talschaften und begünstigt die Bildung einer gemeinsamen Identität. Die LQ ist das eigentliche Sprachrohr der Rumantschia.

Aus den aufgeführten Gründen darf die Produktion einer gesamtromanischen Tageszeitung nicht nur nach betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden. Wird die romanische Presse der Marktwirtschaft überlassen, sind die Überlebenschancen gering. Als Hauptgründe hierfür seien vor allem die bescheidene Verbreitung (Rückgang der romanischen Bevölkerung) sowie die wirtschaftliche Situation des romanischen Sprachgebietes, welches wenig Potential für Inserate bringt, erwähnt.

Eine Konzentration der redaktionellen Kräfte der Printmedien, gepaart mit einer verstärkten staatlichen Unterstützung (unter dem Titel der Sprachförderung!), v.a. aber auch mit der Bereitschaft der RomanInnen selbst, die LQ zu unterstützen, sie zu abonnieren und zu lesen und darin zu inserieren, ist für den Fortbestand der romanischen Tageszeitung notwendig.

Die von SO Mediengruppe geäusserte Absicht die Quotidiana als Wochenzeitung zu publizieren wäre ein gewaltiger und verhängnisvoller Rückschritt in der rätoromanischen Sprachbewegung.

Bund und Kanton haben einen Verfassungsauftrag, die romanische Sprache zu erhalten und zu fördern. Die Tageszeitung ist - nebst Schule und elektronischen Medien - ein wichtiges Instrument diesen Auftrag zu erfüllen. Die neuen Sprachengesetze des Bundes und des Kantons erlauben Massnahmen zugunsten der gefährdeten romanischen Sprache.

Die Unterzeichnenden bitten die Regierung um Beantwortung folgender Fragen im Zusammenhang mit der aufgeführten Problematik:

1. Teilt die Regierung die Meinung, dass eine romanische Tageszeitung ein wichtiges Instrument der Spracherhaltung und Sprachförderung ist und darum unbedingt erhalten werden muss?

2. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, der drohenden Einstellung der romanischen Zeitung zu verhindern?

3. Ist die Regierung bereit, sich beim Bund für eine vermehrte Unterstützung der romanischen Presse unter dem Titel der Sprachförderung (nicht Presseförderung!) einzusetzen?

4. Wie stellt sich die Regierung zu einer verstärkten finanziellen Unterstützung des Kantons an die ANR?

5. Ist die Regierung bereit, eine Zusammenlegung der LQ und ANR Redaktionen im Sinne einer Konzentration der finanziellen Mitteln und der personellen Ressourcen zu unterstützen?

6. Ist die Regierung bereit, im Sinne eines Leistungsauftrages einer öffentlichen unabhängigen Trägerschaft (ANR) oder allenfalls eines privaten Verlages (SO Medien) mit der Herausgabe einer romanischen Tageszeitung zu beauftragen?

Chur, 29. August 2008

Caduff, Blumenthal, Augustin, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bezzola (Zernez), Brandenburger, Buchli, Bundi, Candinas, Casutt, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Christoffel-Casty, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Fasani, Florin-Caluori, Hasler, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Mengotti, Montalta, Noi-Togni, Peer, Pfister, Portner, Quinter, Sax, Thomann, Thurner-Steier, Troncana-Sauer, Tuor, Zanetti (Li Curt), Furrer-Cabalzar

Session: 29.08.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die Agentura da Novitads Rumantscha (ANR) wurde vom Grossen Rat im Jahre 1996 mit dem Ziel geschaffen, den romanischen Medien, insbesondere der romanischen Presse, fortlaufend ein aktuelles Nachrichtenangebot zur Verfügung zu stellen. Trägerschaft der ANR ist eine privatrechtliche Stiftung, in welcher die verschiedenen Interessengruppen der Rumantschia, namentlich die Verleger der romanischen Zeitungen, der romanischen elektronischen Medien, die Lia Rumantscha, die Pro Svizra Rumantscha sowie der Kanton Graubünden und der Bund vertreten sind.

Zum Zeitpunkt, als die ANR ihren Betrieb aufnahm, bestand die rätoromanische Presselandschaft aus vier Regionalzeitungen (Gasetta Romontscha, Fögl Ladin, Pagina da Surmeir, Casa Paterna/La Punt) und aus La Nova, einer täglich erscheinenden romanischen Seite im Bündner Tagblatt. Per Anfang 1997 entstand dann die rätoromanische Tageszeitung La Quotidiana auf Initiative eines privaten Verlegers und vereinigte in sich drei der vier ehemaligen Regionalzeitungen. Die wichtigsten Kunden der ANR sind heute La Quotidiana, Pagina da Surmeir und Posta Ladina.

Die Frage, ob die La Quotidiana am Leben erhalten werden kann, ist nicht von der Regierung zu beantworten. Grundsätzlich fällt der Entscheid über die Herausgabe, aber auch über die Einstellung einer Tageszeitung in die Verantwortung des Herausgebers. Aufgabe des Staates ist, die für ein solches Produkt nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und nicht wettbewerbsverfälschend in den Markt einzugreifen. Das Angebot der ANR trägt diesen Voraussetzungen in optimaler Weise Rechnung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang für die Regierung, dass die Unabhängigkeit der ANR stets gewährleistet bleibt und dass es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand sein kann, auf dem Zeitungsmarkt als Herausgeberin oder Verlegerin aufzutreten.

Zu Frage 1
Die Regierung teilt grundsätzlich die Auffassung, dass einer rätoromanischen Tageszeitung eine wichtige spracherhaltende und sprachfördernde Bedeutung zukommt. Die La Quotidiana, deren Leserschaft sich im Wesentlichen auf die Region der Surselva beschränkt, kann den Anspruch einer spracherhaltenden Tageszeitung für das ganze romanische Sprachgebiet noch nicht erfüllen.

Zu Frage 2
Der Hauptbeitrag der öffentlichen Hand an die Herausgabe einer romanischen Tageszeitung ist und bleibt die Fortführung des Angebots der ANR. Bund und Kanton unterstützen die ANR mit jährlichen Beiträgen von insgesamt rund 1 Mio. Franken. Mit diesen Mitteln produziert die ANR pro Jahr über 200'000 Textzeilen, welche sämtlichen romanischsprachigen Medien unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Weiter sieht die kantonale Sprachverordnung die Möglichkeit vor, 10 bis 15 Prozent der ungedeckten Kosten an rätoromanische (und italienischsprachige) Zeitungen und Zeitschriften zur Abgeltung spracherhaltender Leistungen zu entrichten. Über diese Angebote hinaus mischt sich der Kanton nicht in den Zeitungswettbewerb ein.

Zu Frage 3
Die Regierung hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt in schriftlicher Form beim Bund um eine Erhöhung der Bundesbeiträge bemüht und wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen. In dieser Angelegenheit ist bereits eine hochrangige Bündner Delegation bei Bundesrat Couchepin vorstellig geworden. Wie vom Departement des Innern und vom Bundesamt für Kultur bereits bei anderer Gelegenheit ausgeführt wurde, bleiben die finanziellen Möglichkeiten abzuwarten, die sich allenfalls aus dem neuen Sprachengesetz des Bundes ergeben (voraussichtliches Inkrafttreten: 2010).

Zu Frage 4
Der Grosse Rat hat (auf Antrag der Regierung) gestützt auf das neue kantonale Sprachengesetz (1. Januar 2008) den Kantonsbeitrag an die beiden Sprachorganisationen Lia Rumantscha und Pro Grigioni Italiano sowie an die ANR um jeweils 10 Prozent angehoben. Der Jahresbeitrag des Kantons an die ANR wurde somit in den letzten Jahren von ursprünglich 300'000 Franken auf vorerst 314'000 Franken (Arbeitsgruppe Pressa Rumantscha 2001) und auf aktuell 345'000 Franken erhöht. Eine zusätzliche Aufstockung der Mittel sieht die Regierung nicht vor.

Zu Frage 5
Die Regierung ist informiert, dass mögliche Synergien und Formen einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der ANR und ihren Kunden derzeit geprüft werden. Aus der Sicht der Regierung ist es unabdingbar, dass die Finanzkompetenzen für die Mittelverwendung der ANR in jedem Fall weiterhin ausschliesslich bei den ANR-Gremien verbleiben und auch in Zukunft die ANR-Gremien selbständig und unabhängig über den Einsatz des ANR-Personals entscheiden.

Zu Frage 6
Wie bereits ausgeführt, sieht sich die Regierung in einer institutionellen Rolle und lehnt sowohl aus politischen als auch aus rechtlichen Gründen jede Form einer verlegerischen Tätigkeit ab. Die Regierung sieht keine Möglichkeit, die ANR mit der Herausgabe einer romanischen Zeitung zu beauftragen und damit in den freien Wettbewerb der Zeitungsanbieter einzugreifen. Genauso wenig sind die politischen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um einen privaten Verleger von der öffentlichen Hand mit der Herausgabe einer Zeitung zu beauftragen. Diese Haltung vertritt - dem Vernehmen nach - auch der Bund.

Datum: 22. Oktober 2008