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Session: 09.12.2008
Der Bund diskutiert aktuell ein Programm zur Stabilisierung der schweizerischen Volkswirtschaft in Höhe von max. CHF 1.5 Milliarden. Vorgesehen ist im Wesentlichen, 1.) staatliche Investitionen sofort oder vorzeitig auszulösen und Budget-Kreditsperren aufzuheben sowie 2.) Sparprogramme zu sistieren und auf eine Erhöhung der Lohnnebenkosten zu verzichten. Die Effekte des eidgenössischen Programms zur Wirtschaftsstabilisierung werden aus Bündner Sicht separat zu analysieren sein. Gegebenenfalls besteht ein Bedarf nach begleitenden Massnahmen des Kantons.

Im Jahresprogramm 2009 der Regierung (Budget-Botschaft 2009, A11 ff.) hat sich der aktuelle allgemeine wirtschaftliche Abschwung im nationalen und internationalen Umfeld nur ansatzweise niedergeschlagen. Die Ereignisse haben sich nach dessen Verabschiedung durch die Regierung dynamisch zu überstürzen begonnen. Einige Jahresziele haben starken Einfluss auf die Bündner Volkswirtschaft. Diese Einflüsse dürften vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftslage neu zu analysieren sein. Gegebenenfalls besteht ein Bedarf, die Jahresziele 2009 leicht anzupassen und/oder mit (u.U. sofort wirkenden) Begleitmassnahmen zu ergänzen.

Das Eigenkapital des Kantons wird per 31.12.2008 rund CHF 600 Millionen betragen (Staatsrechnung 2007, B46; Budget-Botschaft 2009, A69). Der Kanton ist damit in Übereinstimmung mit den finanzpolitischen Vorgaben des Grossen Rates in hohem Masse finanzpolitisch handlungsfähig (Richtwert 10: Eigenkapital von CHF 200 Millionen; Budget-Botschaft 2009, A39). Er kann, falls und soweit dies tunlich sein sollte, die Bündner Volkswirtschaft mit einem Paket an Einzelmassnahmen antizyklisch stabilisieren und/oder Staatshaushaltsdefizite in Kauf nehmen. Solitäre Massnahmen wie die Reallohnerhöhung um 2% für die Kantonsangestellten sind im Budget 2009 des Kantons bereits enthalten.

Der gemäss Budget-Botschaft 2009 aktualisierte Finanzplan 2010-2012 des Kantons basiert auf einem Stand per September 2008 (Budget-Botschaft 2009, A72 f.). Aufgrund des aktuellen allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs ist er in Teilen heute bereits wieder überholt. Zum Beispiel der Eckwert „Wirtschaftswachstum von 1.5%“: Die schweizerische Volkswirtschaft befindet sich vor dem Übertritt in eine Rezession. Oder der Eckwert „Zinsniveau von 4%“: Die SNB hat den Leitzins in den letzten sechs Wochen dreimal gesenkt, am 20.11.2008 sogar um einen ganzen Prozentpunkt; die Geschäftsbanken folgten im November 2008 mit einer ersten Zinssenkung und werden mit einer zweiten bald weiter nachziehen. Die Finanzplanzahlen für das vierte Finanzplanjahr, d.h. für das Jahr 2013, will die Regierung in Abweichung zu früheren Jahren nicht zusammen mit dem Budget, sondern erst im Frühling 2009 aktualisieren (Budget 2009, A72). Der Finanzplan 2010-2013 wird in einigen wesentlichen Teilen als ganzes zu aktualisieren sein.

Angesichts des allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs im nationalen und internationalen Umfeld und der ihn begleitenden Instabilität und Dynamik ergeben sich für die Unterzeichneten daher folgende Fragen:

1. Wie beurteilt die Regierung die kürzer- und längerfristigen Auswirkungen des aktuellen wirtschaftlichen Abschwungs im nationalen und internationalen Umfeld (Krise der Finanzindustrie; Wachstumsverlangsamung in der Realwirtschaft; Rezession/Rezessionsgefahr) auf die Bündner Volkswirtschaft?

2. Wie beurteilt die Regierung die kürzer- und längerfristigen Auswirkungen auf der Basis der Neugestaltung des Eidgenössischen Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen, aus welchem der Kanton Graubünden über 40% seiner Staatseinnahmen finanziert (reiche Kantone mit weniger Steuererträgen und weniger Ausgleichsabgaben)?

3. Wie beurteilt die Regierung das Bedürfnis nach kantonal-staatlichen Massnahmen zur Stabilisierung der Bündner Volkswirtschaft (antizyklische Investitionen; Steuersenkungen als Konsumanreiz; Sondermassnahmen)? Haben gewisse Wirtschaftszweige und/oder Regionen besondere Bedürfnisse?

4. Falls die Regierung Bedürfnisse im Sinne der Frage 2 teilweise erkennt: Welche Art von Massnahmen wird die Regierung unter welchen Rahmenbedingungen in welchem Zeithorizont vertiefter prüfen und/oder umsetzen?

5. Ist die Regierung bereit, den Inhalt ihres Strategiepapiers mit den Abklärungsergebnissen und Überlegungen (Analyse mit allfällig beschlossenen und/oder vorbehaltenen Massnahmen) in der Form eines „summary“ zu einem baldigen Zeitpunkt - bspw. gleichzeitig mit der Beantwortung dieser Anfrage - dem Grossen Rat zugänglich zu machen?

Chur, 9. Dezember 2008

Cavigelli, Conrad, Hartmann (Chur), Augustin, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bischoff, Blumenthal, Bundi, Candinas, Caviezel-Sutter (Thusis), Dermont, Dudli, Fasani, Federspiel, Florin-Caluori, Geisseler, Hardegger, Jenny, Krättli-Lori, Kunz (Chur), Loepfe, Mani-Heldstab, Michel (Davos Monstein), Möhr, Niederer, Parolini, Parpan, Plozza, Portner, Quinter, Rizzi, Sax, Stiffler, Tenchio, Thurner-Steier, Toschini, Tuor, Brunold, Caluori, Engler, Furrer-Cabalzar, Hartmann (Küblis), Hauser, Patt

Session: 09.12.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

1. Die Finanzkrise hat sich längst zu einer globalen und ausserordentlich tiefgreifenden Wirtschaftskrise entwickelt. Weltweit wurden in den letzten Monaten unzählige Massnahmen ergriffen, um volkswirtschaftlich schädliche Bankenzusammenbrüche zu verhindern, das Finanzsystem zu stabilisieren sowie einen noch stärkeren Konjunktureinbruch zu verhindern.
 
Die Wirtschaftskrise hat auch Auswirkungen auf Graubünden. Zurzeit ist der wirtschaftliche Abschwung erst in einzelnen Branchen spürbar. Im Tourismus konnten in den ersten Monaten dieser Wintersaison gute Zahlen verzeichnet werden, das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe rechnen für das Jahr 2009 mit einer guten Auslastung und die Arbeitslosenzahl war im Februar mit 1.6 Prozent noch auf tiefem Niveau. Mit voller Härte von der Wirtschaftskrise getroffen wurden die exportorientierten Unternehmen in der Automobilzuliefer- und der Maschinenindustrie. Ende Februar haben über 40 Betriebe mit rund 1'750 betroffenen Mitarbeitenden Kurzarbeit eingeführt. Damit wird hinsichtlich der Zahl der betroffenen Mitarbeitenden der höchste Wert seit Einführung der obligatorischen Arbeitslosenversicherung im Jahr 1983 erreicht. Die Erfahrung zeigt, dass wirtschaftliche Rückgänge in Graubünden im Vergleich zu den Wirtschaftszentren mit einer zeitlichen Verzögerung von rund einem Jahr spürbar werden. Es muss deshalb auch in unserem Kanton mit einer sich verschlechternden Konjunkturlage und ansteigenden Arbeitslosenzahlen gerechnet werden. Das Ausmass und die Dauer dieses wirtschaftlichen Abschwungs hängen stark vom weiteren Verlauf der weltweiten Konjunktur ab.

2. Der Kanton Graubünden erhält insgesamt rund 400 Mio. Franken in Form von zweckfreien Mitteln aus dem Ressourcenausgleich (RA) und dem geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) sowie aus den Einnahmen der direkten Bundessteuer, der LSVA und der Verrechnungssteuer. Gleichzeitig profitiert der Kanton von Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Der GLA, die Anteile an der LSVA und die Beteiligung am Gewinn der SNB sind im Wesentlichen unabhängig von der Konjunkturentwicklung. Der Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer ist hingegen stark konjunkturabhängig. Er hängt wie die kantonseigenen Steuererträge gleichermassen von der Wirtschaftslage im Kanton ab. Beim RA ist die Anpassungsdauer zwischen der effektiven Wirtschaftsentwicklung und den ausbezahlten Beiträgen relativ gross. Das Ressourcenpotenzial für das Jahr 2009 basiert auf den drei Bemessungsjahren 2003 bis 2005 und widerspiegelt damit die wirtschaftliche Situation der einzelnen Kantone vor durchschnittlich 5 Jahren. Entsprechend lange dauert es, bis sich der Einbruch der Steuererträge in den RA-Beiträgen auswirkt. Die Wirkung dürfte dann aber relativ stark ausfallen. Es reduziert sich das Gesamtvolumen und zudem steigt die Ressourcenstärke von Graubünden im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt an. Für das laufende Jahr 2009 erhält Graubünden aus dem RA einen Beitrag von 120 Mio. Franken. Dieser Beitrag wird sich voraussichtlich ab dem Jahr 2011 reduzieren. Gleichzeitig werden sich die Gebirgskantone dafür einsetzen müssen, dass das GLA-Volumen nicht zu Gunsten des soziodemografischen Lastenausgleichs verkleinert wird. Das Gesamtvolumen wird im Jahr 2011 für die Periode 2012-2015 neu festgesetzt.

3. /4. Die Regierung erachtet es als angezeigt, aufgrund des weltweit äusserst starken Wirtschaftsabschwungs in Anlehnung an das Konjunkturprogramm des Bundes ergänzende Massnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft zu beschliessen. Die Regierung hat im Januar die Departemente beauftragt, entsprechende Beschlüsse vorzubereiten. Realisiert werden sollen Projekte, die schon länger geplant und unverzüglich auslösbar sind. Zudem sollen die Ausgaben befristet und in Ergänzung zu Leistungen von Privaten oder Dritten getätigt werden. Die Massnahmen sollen primär in Branchen wirken, die von der Krise betroffen sind und Beschäftigungsprobleme aufweisen. Ein Preisanstieg in gut ausgelasteten Branchen soll verhindert werden. Die Regierung wird anfangs Mai über die zu treffenden Massnahmen im Detail informieren.

In der Vergangenheit wurden zudem schon verschiedene Massnahmen beschlossen, welche jetzt und in den kommenden Jahren durch ihre breite Wirkung zur Stabilisierung der Konjunktur, zur Erhaltung der Kaufkraft der Konsumenten und zur Entlastung der Unternehmen beitragen. Dazu gehören insbesondere die vorletzte Steuergesetzrevision 2006, die Steuerfusssenkung und eine sehr hohe Investitionsquote auf Stufe Kanton und Gemeinden. Der Finanzplan 2009-2012 sieht weiterhin sehr hohe Investitionen vor. An diesen will die Regierung festhalten. Zudem wird die Regierung dem Grossen Rat eine weitere Steuergesetzrevision unterbreiten, um in diesem schwierigen Umfeld insbesondere auch die am schwersten von der Krise getroffenen exportorientierten Unternehmen zu entlasten. Gleichzeitig soll zu Gunsten aller Steuerpflichtigen die kalte Progression voraussichtlich auf den 1.1.2010 ausgeglichen werden. Zusätzliche Massnahmen fürs 2009 drängen sich nach Auffassung der Regierung derzeit nicht auf.

5. Die Regierung hat im Januar 2009 ein Konjunkturmonitoring eingerichtet, um frühzeitig Informationen über den aktuellsten Stand der Wirtschaftslage und der wichtigsten Branchen in unserem Kanton zu erhalten. Zugleich hat die Regierung eine Überprüfung des Finanzplans 2010-2013 veranlasst, wobei sie das mittelfristige nominelle Wachstum von 3 % auf einen durchschnittlichen Wachstumspfad von 1.5 % reduziert hat. Die Regierung ist selbstverständlich bereit, den Grossen Rat über die GPK laufend über die Entwicklung und allfällige Konjunkturstützungsmassnahmen zu informieren. Zusätzliche Informationen erfolgen mit dem Budget 2010.

Datum: 18. März 2009