Navigation

Inhaltsbereich

Session: 10.02.2009
Im Kanton Graubünden sind im Jahre 2008 gesamthaft 2’216 Arbeitsbewilligungen (für insgesamt 4’492 Arbeitskräfte) für eine Maximaldauer von 90 Tagen an ausländische Entsendebetriebe erteilt worden. Deren 897 (für insgesamt 1'500 Arbeitskräfte) sind an italienische Unternehmungen gegangen. Bündnerische Firmen, welche eine entsprechende Arbeitsbewilligung für Italien erhalten haben, sind demgegenüber kaum vorhanden.

Mit rund 60% Ja-Stimmen haben sich die Bündner Stimmberechtigten am 8. Februar 2009 für die Weiterführung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union ausgesprochen. Fast geschlossen gegen diese Vorlage äusserte sich hingegen das „Italienischbünden“. Von den sechs Kreisen Bregaglia, Brusio, Poschiavo, Mesocco, Roveredo und Calanca sagte nur gerade der Kreis Bregaglia knapp Ja zur Vorlage. In allen anderen Kreisen resultierte ein Nein (den höchsten Nein-Stimmenanteil gab es mit 75% im Kreis Roveredo, gefolgt von Brusio mit 70%). Damit zeigen sich ähnliche Verhältnisse wie im Kanton Tessin. Dort ist die Ablehnung gegen die Personenfreizügigkeit offenbar nicht zuletzt auch auf die zugesicherte, aber nicht umgesetzte Reziprozität in der Anwendung der Bilateralen Verträge in Italien zurückzuführen. So ist im Kanton Tessin eingereichten parlamentarischen Vorstössen zu entnehmen, dass die italienischen Behörden die entsprechenden Verfahren zum Erhalt der Arbeitsbewilligungen für schweizerische Entsendebetriebe oft nicht kennen sollen, und die schweizerischen Ansprecher nicht selten mit allerlei formalistischen Hürden sogar dazu bringen sollen, ihre Bemühungen um Erhalt einer Arbeitsbewilligung in Italien aus Resignation aufzugeben.

Fragen:

1. Auf welche konkreten Umstände führt die Regierung die Tatsache zurück, dass zwar viele italienische indes wenige bündnerische Betriebe vom Entsenderecht im jeweiligen Nachbarland profitieren?

2. Falls eines dieser Umstände auf eine mangelnde Reziprozität in der Anwendung der bilateralen Verträge zurückzuführen ist, welche Massnahmen gedenkt die Regierung (gegenüber welchen Institutionen) innert welchen Fristen zu ergreifen?

Chur, 10. Februar 2009

Bondolfi, Arquint, Augustin, Berther (Sedrun), Bischoff, Blumenthal, Buchli, Butzerin, Cahannes Renggli, Campell, Candinas, Casutt, Cavigelli, Christoffel-Casty, Claus, Conrad, Darms-Landolt, Fasani, Feltscher, Geisseler, Hardegger, Keller, Kessler, Kleis-Kümin, Kollegger, Kunz, Parpan, Plozza, Quinter, Ragettli, Righetti, Sax, Thomann, Thurner-Steier, Troncana-Sauer, Tscholl, Tuor, Wettstein

Session: 10.02.2009
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Im Jahre 2008 haben insgesamt 2'216 ausländische Unternehmungen die Entsendung von insgesamt 4'492 Arbeitskräften in den Kanton Graubünden gemeldet. Davon waren 897 Betriebe mit 1'500 entsandten Arbeitskräften aus Italien.

1. Aufgrund des Preisgefälles zwischen Graubünden und unseren Nachbarstaaten Italien und Österreich, aber auch Deutschland, ist es für Entsendebetriebe aus diesen aber auch aus weiter entfernten Ländern attraktiv, Aufträge in unserem Kanton auszuführen. Aus demselben Grund kommt es zur Zeit noch nicht häufig vor, dass Unternehmungen unseres Kantons Aufträge im benachbarten Ausland ausführen. Wenn solche Aufträge zustande kommen, handelt es sich in der Regel um Spezialarbeiten, welche besonderes Know-how voraussetzen oder um Aufträge für Kundschaft, für welche der Preis des Produktes oder der Dienstleistung eine untergeordnete Rolle spielt.

2. Die Entsendung von Arbeitskräften nach Italien wird auch durch administrative Hürden erschwert. Nicht selten herrscht bei den italienischen Behörden Unkenntnis über das Personenverkehrsabkommen, sind keine Melde- oder Bewilligungsverfahren bekannt resp. wird im besten Falle ein aufwändiges Zulassungsverfahren eingeleitet. Anlässlich einer Besprechung in Poschiavo, an welcher nebst anderen auch der damalige Regierungsrat Klaus Huber, der Gemeindepräsident von Poschiavo Tino Zanetti, Grossrat Rodolfo Plozza sowie der KIGA-Leiter teilnahmen, wurde vereinbart, dass die lokalen Behörden ihre Kontakte nutzen und in einer ersten Phase selbst nach Lösungen mit den italienischen Nachbarn suchen. Bei Bedarf sollten die kantonalen Behörden resp. ein Vertreter oder eine Vertreterin der Regierung eingeladen werden. Nebst diversen Interventionen über die graubündnerische Handelskammer bei der Konferenz der Grenzzonenhandelskammern hat der Vorsteher des DVS das Problem vergangenen Sommer bei Bundesrätin Leuthard deponiert. Leider war es trotz mehrmaliger Nachfrage bei der Associazione Artigiani e Commercianti della Valposchiavo nicht möglich, irgendwelche schriftlichen Dokumente beizubringen, mit welchen es Bundesrätin Leuthard möglich gewesen wäre, im Rahmen der Gespräche mit der EU-Kommission die erwähnten Mobilitätshemmnisse zu belegen.

Hinsichtlich der Entsendung in den grenznahen Raum Sondrio und Como zeichnet sich eine Lösung ab. Die dortigen Handelskammern haben sich bereit erklärt, als Anlaufstellen für das Entsendeverfahren zu fungieren. Am 3. März 2009 fand in Poschiavo eine Sitzung zu diesem Thema statt, an welcher Behördenvertreter der Regionen beidseits der Grenzen, Vertreter der Zollbehörden, der kantonalen Verwaltung sowie der Präfekt von Sondrio und der Präsident der Provinz Sondrio teilnahmen. Seitens der Region Val Poschiavo ist zudem ein "Vademecum" für die Entsendung von Arbeitskräften nach Italien erarbeitet worden. Angesichts dieser Ausgangslage bestehen berechtigte Hoffnungen für eine Verbesserung der Situation zumindest in den grenznahen Gebieten.

Sollten sich diese Hoffnungen nicht erfüllen, ist die Regierung bereit, kurzfristig geeignete Massnahmen zu ergreifen. Der direkte Kontakt mit den italienischen Behörden wird sich dabei auf grenznahe Gebiete beschränken. Die Durchsetzung des Personenverkehrsabkommens gegenüber ganz Italien ist, da es sich um einen Staatsvertrag handelt, Aufgabe des Bundes. Wie bereits erwähnt, sind die zur Diskussion stehenden Probleme bei Bundesrätin Leuthard deponiert worden. Voraussetzung für eine Intervention gegenüber Italien respektive bei der EU-Kommission sind jedoch schriftliche Unterlagen, mit welchen sich die administrativen Mobilitätshemmnisse belegen lassen.

Datum: 20. März 2009