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Session: 10.02.2009
In jüngster Zeit gab die Stellung von Sans Papiers, welche sich schon seit Jahren in der Schweiz aufhalten, in den Medien und in weiten Kreisen der Bevölkerung zur Diskussionen und Kritik an den Migrationsbehörden Anlass. Jüngstes Beispiel ist die Besetzung der Predigerkirche in Zürich, welche den Kanton Zürich dazu veranlasste, die Einführung einer Härtefallkommission zu prüfen.

Gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG kann der Kanton mit Zustimmung des Bundesamtes für Migration einer Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn sich diese seit Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufhält, ihr Aufenthaltsort den Behörden immer bekannt war und wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt. Seit der letzten Asylgesetzrevision können die Kantone mit Zustimmung des Bundes (welche in der Regel erteilt wird) sog. Härtefallbewilligungen erteilen. Eine einheitliche Praxis für Härtefälle existiert in der Schweiz nicht.

Vorläufig aufgenommene Personen, welche sich schon über 5 Jahre in der Schweiz aufhalten, haben sogar einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf eine vertiefte Prüfung eines eingereichten Härtefallgesuches.

Im Kanton Graubünden kann festgestellt werden, dass die Praxis des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden klar restriktiv ist. Zuweilen kommt es vor, dass das Amt ausschliesslich auf Abs. 1 von Art. 14 AsylG verweist, wonach ab Einreichung eines Asylgesuches bis zur Ausreise kein Verfahren um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingeleitet werden könne, es sei denn, es bestehe ein Anspruch darauf.

Im Jahre 2007 wurde ein Härtefall eines Asylbewerbers bewilligt und im Jahre 2008 deren 2 (Gesuche: 15/Ablehnungen 13).

Und auch bei den 274 vorläufig aufgenommenen Personen, welche sich schon seit über fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, wurden lediglich 68 Härtefallregelungen vorgenommen.

Die Praxis des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden weicht in diesem Bereich erheblich von anderen Kantonen ab. Der grosse Ermessensspielraum der kantonalen Migrationsämter bei der Beurteilung von Härtefallgesuchen führt immer wieder zu Entscheiden, die – gerade im Falle von gut integrierten und seit Jahren in der Schweiz lebenden Ausländern – etwas breiter abgestützt sein sollten. Einzelne Kantone, wie Luzern, Basel-Stadt und Neuchâtel haben zu diesem Zwecke darum eine Härtefallkommission eingesetzt.

Konkret hat eine solche Kommission die Aufgabe, die kantonale Umsetzung des Asylgesetzes und allfällige diesbezügliche Probleme zu begleiten. Sie untersucht die Dossiers der Asylantragssteller und erarbeitet Empfehlungen und Vorgutachten für die Bundesbehörden. Sie kann die Dossiers von Ausländern mit N und F Status untersuchen und eine vorläufige Aufnahme, bzw. eine Bewilligung B wegen eines persönlichen Härtefalls beantragen.

In Luzern beispielsweise wurden von den 72 Härtefallgesuchen, die seit Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes im Jahre 2007 an die Härtefallkommission gerichtet wurden, vom Migrationsamt selber schon 22 bewilligt und ans Bundesamt für Migration weitergeleitet. Die übrigen 50 Gesuche, die rund zur Hälfte vorläufig Aufgenommene stellten, prüfte auch die Härtefallkommission. In 17 Fällen beantragte das Gremium die Gutheissung; in 10 Fällen folgte das Migrationsamt dieser Empfehlung und schickte die Gesuche nach Bern.

Auch im Kanton Graubünden könnte im Härtefallbereich eine derartige Kommission sich als hilfreich erweisen. Eine breit abgestützte Härtefallkommission stärkt das Vertrauen in die Ausländerbehörde, indem sie die Entscheide auf mehrere Schultern abstützt und so den politischen Druck vermindert.

Die Regierung wird deshalb beauftragt, eine kantonale Härtefallkommission zu schaffen. Diese sollte breit zusammengesetzt sein und unter anderem auch Vertretungen der Landeskirchen und von Hilfswerken umfassen.

Chur, 10. Februar 2009

Menge, Arquint, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jäger, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Locher Benguerel

Session: 10.02.2009
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Durch die Schaffung einer kantonalen Härtefallkommission soll die Beurteilung der Gesuche um Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, vor allem für Personen des Asylbereichs, einem besonderen Gremium unterbreitet werden. Die Kommission hätte Gesuche um Erteilung humanitärer Aufenthaltsbewilligungen an Personen zu beurteilen, deren Asylgesuche seit mehr als fünf Jahren hängig sind (N-Bewilligung) oder erst nach mehr als fünf Jahren rechtskräftig abgelehnt wurden oder die sich seit mehr als fünf Jahren mit einer vorläufigen Aufnahme (F-Bewilligung) in der Schweiz aufhalten.

Die Erteilung dieser Aufenthaltsbewilligungen erfolgt nach ständiger Praxis des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht (APZ) entweder von Amtes wegen oder auf Gesuch hin; in jedem Fall bedarf die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung jedoch der Zustimmung des Bundesamtes für Migration (BFM). Die Zustimmung hat konstitutiven Charakter und wird von der Erfüllung verschiedener Voraussetzungen abhängig gemacht, die im Kreisschreiben des BFM vom 1. Januar 2007 sowie in Weisungen konkretisiert sind. Voraussetzung für die Erteilung solcher Bewilligungen sind – nebst der fünfjährigen Anwesenheit in der Schweiz – etwa der Nachweis der wirtschaftlichen Selbständigkeit, das Offenlegen der Identität mittels Reisepapieren, ein einwandfreier Leumund sowie eine gute berufliche und sprachliche Integration. Die Voraussetzungen zur Erteilung von humanitären Aufenthaltsbewilligungen sind in den letzten Jahren durch die Praxis des Bundesgerichts umschrieben und weiterentwickelt worden.

Das APZ bearbeitete im Jahre 2008 insgesamt 207 Gesuche um Erteilung humanitärer Aufenthaltsregelungen. Davon unterbreitete es 128 Gesuche dem BFM zur Zustimmung. 53 Gesuche lehnte es ab; 26 Verfahren sind noch pendent. Im Rahmen dieser Verfahren wurden 2008 120 Personen mit F-Bewilligung (2007: 41) und zwei Personen mit N-Bewilligung (2007: 1) Daueraufenthaltsbewilligungen erteilt.

Wie aus der Bewilligungspraxis ersichtlich, wird auch im Kanton Graubünden von der Möglichkeit zur Erteilung humanitärer Aufenthaltsbewilligungen Gebrauch gemacht. Bei der Beurteilung der Bewilligungspraxis ist der Bestand an Personen in Betracht zu ziehen, welche für diese Aufenthaltsregelung überhaupt in Frage kommen. Im Moment erfüllen im Kanton Graubünden rund 230 Personen mit einer F-Bewilligung und rund 40 andere Personen aus dem Asylbereich zumindest die zeitlichen Voraussetzungen für eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung. Stellt man diese Zahl den tatsächlich erteilten Bewilligungen gegenüber, kann nach Auffassung der Bündner Regierung nicht von einer zu restriktiven Bewilligungspraxis die Rede sein. Der Vollzug der Ausländer- und Asylgesetzgebung des Bundes stellt eine hoheitliche Aufgabe im Verantwortungsbereich von Regierung und Verwaltung dar. Im Rahmen der Ausübung dieser Aufgaben kommt den zuständigen Behörden ein gewisses Ermessen zu. Aufgrund der vorliegenden Zahlen besteht nach Auffassung der Regierung keine Veranlassung zur Annahme, dieses Ermessen werde nicht korrekt oder einseitig ausgeübt. Somit ergibt sich weder Bedarf noch Notwendigkeit, zur Ausübung dieses Ermessens Dritte von ausserhalb der Verwaltung beizuziehen oder innerhalb der Verwaltung eine entsprechende Härtefallkommission zu bilden.

Die Einführung einer kantonalen Härtefallkommission wurde – wie in zahlreichen anderen Kantonen – auch im Kanton Graubünden verschiedentlich gefordert und diskutiert. Mit Ausnahme des Kantons Zürich, wo über die Wiedereinführung einer Härtefallkommission demnächst im Parlament beraten wird, besteht in keinem anderen Ostschweizer Kanton und auch in der grossen Mehrheit der anderen Kantone eine entsprechende Härtefallkommission. Die Bündner Regierung lehnte die Forderung nach einer Härtefallkommission in der Vergangenheit wiederholt ab. Auch der Grosse Rat lehnte im Rahmen seiner Stellungnahme zur Petition „SOS-Menschlichkeit“ im August 2008 eine entsprechende Aufforderung der Petenten ab (vgl. Grossratsprotokoll August 2008, S. 84 ff.). Aus Sicht der Regierung besteht keine Veranlassung zur Bildung einer besonderen Kommission zur Beurteilung vermeintlicher Härtefälle.

Die Regierung beantragt deshalb, den Auftrag abzulehnen.

Datum: 8. Mai 2009