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Session: 21.04.2009
Kürzlich wurde der von den Kantonen Graubünden und Uri injizierte Bericht über „Strategien zum Umgang mit potenzialarmen Räumen“ der Regierung zur Kenntnis gebracht. Noch bevor der Bericht den betroffenen Gemeinden kommuniziert wurde, erschien in der NZZ am Sonntag vom 15. März ein Artikel mit der Schlagzeile „Rückzug aus Randregionen-Graubünden erwägt, nicht mehr in aussterbende Gemeinden zu investieren“. Im Bericht wird ein Vertreter des Amtes für Wirtschaft und Tourismus wie folgt zitiert: “Wenn Talschaften ungünstige Entwicklungschancen haben, sind koordinierter Rückzug und Sterbenlassen theoretisch eine Option“. Diese Aussage hat bei der Bevölkerung in diesen Gemeinden grosse Betroffenheit ausgelöst.

Frage 1 zum Kommunikationskonzept
Ist es gerechtfertigt, einen Bericht in einer ausserkantonalen Zeitung zu kommunizieren, bevor dieser mit den betroffenen Gemeinden besprochen wurde?

Inhaltlich werden im Bericht zwei verschiedene Strategieoptionen genannt, nämlich der „Schrumpfungsprozess“ sowie der „Erholungs- und Wachstumsprozess“. Beim Schrumpfungsprozess wird unterschieden zwischen der regulären Förderung (Gleichbehandlung), einer Begleitung des Schrumpfungsprozesses (keine Investitionen mehr in solche Gebiete) oder gar der aktiven Schaffung von nicht mehr besiedelten Wildnisgebieten.

Dazu stellen sich folgende inhaltliche Fragen:

Frage 2
Will die Regierung den „Erholungs- und Wachstumsprozess“ fördern oder erwägt sie in gewissen Gemeinden den „Schrumpfungsprozess“ in einer der drei Ausgestaltungen zu forcieren? Wenn ja, welche Gemeinden sind betroffen?

Frage 3
Ist eine rechtliche Ungleichbehandlung von Gemeinden verfassungskonform?

Frage 4
Bei Gemeindefusionen „verschwinden“ potenzialarme Gemeinden von der kantonalen Landkarte. Besteht nicht die Gefahr, dass das Problem einfach vom Kanton auf die fusionierte Gemeinde verlagert wird? Werden damit künftige Gemeindezusammenschlüsse gefährdet?

Chur, 21. April 2009

Stoffel, Rizzi, Buchli, Berni, Brüesch, Butzerin, Campell, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Casty, Casutt (Falera), Caviezel-Sutter (Thusis), Christoffel-Casty, Conrad, Gartmann-Albin, Giovanoli, Hardegger, Heinz, Jenny, Kessler, Koch, Kunz, Mani-Heldstab, Märchy-Michel, Mengotti, Möhr, Nigg, Noi-Togni, Pedrini, Ratti, Stiffler, Thöny, Troncana-Sauer, Hartmann (Küblis), Michel (Chur)

Session: 21.04.2009
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Potenzialarme Räume sind geografisch-topografisch abgrenzbare Räume, in denen es Gemeinden gibt, deren mittel- bis längerfristige Lebensfähigkeit aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre gefährdet ist. Verschiedene Prozesse kumulieren sich zu einer Abwärtsspirale, welche dazu führt, dass anhaltende Abwanderung und die Gefährdung der eigenständigen wirtschaftlichen Lebensfähigkeit erwartet werden müssen.

Im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zur Neuen Regionalpolitik, welche seit Januar 2008 in Kraft ist, hat der Bund den zukünftigen Umgang mit „peripheren, schlecht erreichbaren Gebieten“ thematisiert und vorgeschlagen, dass die Kantone Strategien zum Umgang mit potenzialarmen Räumen festlegen. Dies, weil davon ausgegangen wird, dass die Grundprinzipien der Neuen Regionalpolitik (Stärkung von Innovation, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit) nicht in allen Regionen eine gleich hohe Wirkung zeigen wird. Das Thema ist in Graubünden nicht neu. So wurde beispielsweise im Rahmen der Struktur- und Leistungsüberprüfung zur Sanierung des Kantonshaushaltes die Sparmassnahme 206 „das Ziel der dezentralen Besiedlung neu definieren“ aufgenommen.

1. Während der gesamten Projektdauer wurden die Ergebnisse vom federführenden Amt jeweils den Regionalorganisationen zugestellt und auf Anfrage auch Präsentationen durchgeführt. Da es beim Thema „potenzialarme Räume“ nicht um Einzelgemeinden sondern um funktionale Räume geht, ist dieses Vorgehen gerechtfertigt. Es entspricht einem Zufall, dass eine ausserkantonale Zeitung zeitgleich wiederum dieses Thema aufgegriffen hat. Die abgedruckte Karte entstammt einem Bericht aus der Projektphase 1, welcher in Graubünden bereits im Herbst 2006 publiziert worden ist.

2. Im vorliegenden Bericht zum Umgang mit potenzialarmen Räumen werden verschiedene Szenarien und Grundhaltungen aufgeführt und deren Auswirkungen auf die betroffenen Räume skizziert. Grundsätzlich geht die Regierung davon aus, dass alle Talschaften des Kantons über Potenziale verfügen und ein Erholungs- und Wachstumsprozess angestrebt werden soll. Dazu stehen auch Förderinstrumente bei Bund und Kanton zur Verfügung. Eine aktive Förderung des Schrumpfungsprozesses ist nicht vorgesehen. Gemeinden in potenzialarmen Räumen sind dann in ihrer mittel- bis längerfristigen Lebensfähigkeit betroffen, wenn die Abwärtsspirale ungebremst weiter geht.

3. Der Grundlagenbericht „Strategien zum Umgang mit potenzialarmen Räumen“ geht nicht von einer rechtlichen Ungleichbehandlung von Gemeinden aus, womit die Verfassungskonformität gewährleistet ist. Es wird einzig die Frage aufgeworfen, ob es im Zusammenhang mit der Inwertsetzung von identifizierten Potenzialen eine Ausnutzung des rechtlichen Spielraums braucht, damit eine gezielte wirtschaftliche Entwicklung möglich wird. Dies ist verfassungskonform. Die Bereitschaft der involvierten Bundes- und Kantonsämter zur Nutzung dieses Spielraums ist vorhanden.

4. Bei Gemeindefusionen verschwinden zwar aus statistischer Sicht einzelne kritische Gemeinden wie zum Beispiel die Gemeinde Says, welche mit Trimmis fusioniert hat. Die Herausforderung im Umgang mit Teilräumen bleibt aber bestehen und wird auch nicht vom Kanton an fusionierte Gemeinden übertragen. Damit sind auch keine Gemeindezusammenschlüsse gefährdet. Die wirtschaftliche Entwicklung ist gemäss Gemeindegesetz Aufgabe der Gemeinden. In der Berichterstattung zum „Umgang mit potenzialarmen Räumen“ wird die Schaffung von effizienten Gebietskörperschaften ausdrücklich begrüsst und als Voraussetzung für die Bewältigung künftiger Herausforderungen gesehen.

Datum: 16. Juni 2009