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Session: 16.06.2009
In der leidigen Angelegenheit Waldau stellen sich einige staatspolitisch nicht ganz unbedeutende Fragen an die verschiedenen verantwortlichen Instanzen.

1. Wie erklärt die hohe Regierung ihren Wortbruch (gemäss Zeitungsartikel), keine Anzeige gegen die Waldaubesucher zu erstatten?

2. Was gab es zur Zeit des stattgefundenen Apéros für gesetzliche Grundlagen für ein Besuchsverbot auf dem Areal Waldau? Ist die heutige Situation anders oder trifft die Aussage von Jonas Montani, Sprecher des Bundesamtes für Migration weiterhin zu, dass ein Besuchsrecht nicht verwehrt werden darf, da dazu eine gesetzliche Grundlage nicht existiert?

3. Ist die Regierung bereit, das vorverurteilende Formular der Kantonspolizei abzuändern, in dem es heisst: Täter xy etc.? Man könnte zum Beispiel, nur so als hilfreiche Anregung, schreiben: Angeschuldigter respektive Angeschuldigte.

4. Ohne irgendwelche Bemühungen der Abdeckung von Namen habe ich das Protokoll der Anzeige der KP, inklusive Stempel der Staatsanwaltschaft vom 19.12.08 vom noch amtierenden Kreispräsidenten Knobel erhalten, in dem alle meine von der Polizei willkürlich herausgepflückten sog. „MittäterInnen“ mitsamt ihren Berufen und den Namen ihrer Eltern und Ehefrauen aufgeführt wurden.

Was geht es mich an, wer alles überhaupt von der Polizei einvernommen wurde? Was geht es mich an, wie die Mütter und Väter meiner sog. „MittäterInnen“ heissen?

Hier wurden in unverschämter, unprofessioneller Art und Weise rudimentäre datenschutzrelevante Informationen an nichtberechtigte Menschen von einer offiziellen Behörde herausgegeben.

Was sagt die Regierung, was sagt die Staatsanwaltschaft, was sagt der Datenschutzbeauftragte zu solchen eklatanten Gesetzesverletzungen der öffentlichen Hand?

5. Nach welchen Kriterien hat die KP die sechs eines Offizialdeliktes angeklagten Menschen herausgepflückt? Etliche Leute, deren Namen durch die KP ebenfalls aufgenommen wurden, haben das Gelände viel später als die Angeklagten, einige sogar als letzte verlassen.

6. Wer ist für oben genannte Punkte, wie auch betreffend den Falschaussagen der Kantonspolizei zuständig, Anklage zu erheben?

7. Ist die Regierung bereit, in dieser Angelegenheit eine unabhängige, das heisst mit ausserkantonalen Fachleuten besetzte Untersuchung einzuleiten und unverzüglich die heute schon möglichen Korrekturen einzuleiten?

8. Ist die Regierung bereit, die Hintermänner dieser unprofessionellen Aktion, die kaum zu mehr als zur Einschüchterung von einigen ApéroteilnehmerInnen diente, zur Verantwortung zu ziehen?

Auf Wunsch können Regierung, Grossrätinnen und Grossräte beim Anfragesteller zur Orientierung des Sachverhaltes in chronologischer Reihenfolge folgende Akten bestellen: Anzeige der Kantonspolizei (KP), Protokoll der Einvernahme durch die KP (Abdeckung der Namen durch den Schreibenden), Briefe an die Staatsanwaltschaft, den Kreispräsidenten Knobel mit den entsprechenden Antworten, das Urteil des Kreispräsidenten und einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Keine Anzeige gegen Waldau-Besucher“.

Poschiavo, 16. Juni 2009

Trepp, Peyer, Baselgia-Brunner, Arquint, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Menge, Pfiffner-Bearth, Thöny, Locher Benguerel, Zurfluh

Session: 16.06.2009
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

1. Die Regierung hat gegen die Besucher der Waldau keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch eingereicht. Es kann ihr daher kein Wortbruch vorgeworfen werden. Ungehorsam gegen die Polizei (Art. 25 StPO) stellt im Unterschied zum Antragsdelikt des Hausfriedensbruchs ein Offizialdelikt dar, das ohne Anzeige von den Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen verfolgt werden muss. Die Regierung konnte daher gar keine diesbezügliche Aussage machen. Hätte die Regierung eine Anweisung gegeben, von einem Strafverfahren betreffend Ungehorsam gegen die Polizei abzusehen, hätte sie sich dem Vorwurf von Amtsmissbrauch und Begünstigung ausgesetzt.

2. Der Zutritt zum Areal sowie die Benutzung der Wohncontainer werden im Rah- men der Hausordnung geregelt, zu deren Erlass der Kanton als Mieter des Areals und Betreiber der Waldau befugt ist. Am allgemeinen Besuchsverbot hat sich seit Eröffnung der Einrichtung nichts geändert. Gemäss Nachfrage äusserte sich Jonas Montani in genereller Art zur Frage des Besuchsrechts bei abgewiesenen Asylsuchenden und nicht zum Besuchsrecht im Minimalzentrum Waldau im Speziellen, zumal der Betrieb von Nothilfestrukturen in der Kompetenz der Kantone und nicht des Bundesamtes für Migration liegt.

3. Mit der Einführung des neuen Rapportierungssystems am 1. April 2009 wird der Begriff “Täter“ in den Polizeirapporten nicht mehr gebraucht. Seither wird der in der künftigen Schweizerischen Strafprozessordnung vorgesehenen Terminologie Rechnung getragen und der Ausdruck “Beschuldigter“ verwendet.

4. Die Fragestellung impliziert, dass Gesetzesverletzungen begangen wurden. Die Regierung kann dazu überhaupt keine Aussage machen. Die Staatsanwaltschaft äussert sich aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht zu hängigen Strafverfahren und kann die Frage nicht beantworten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie greife allfälligen Gerichtsurteilen vor. Das Datenschutzgesetz kommt nach Art. 2 Abs. 2 lit. c eidg. Datenschutzgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 kantonales Datenschutzgesetz bei hängigen Strafverfahren nicht zur Anwendung. Nach Art. 76 lit. c StPO kann das Akteneinsichtsrecht in begründeten Fällen eingeschränkt werden. In der Regel werden die Akten vollumfänglich ausgehändigt. Der Grundsatz kann eingeschränkt werden, wenn Persönlichkeitsrechte Dritter tangiert sind, die keinen direkten Zusammenhang mit der Tat der Beschuldigten haben.

5. Es wurden die Personalien der Personen aufgenommen, die der Aufforderung der Kantonspolizei, das Gelände der Waldau zu verlassen, nicht Folge leisteten. Diese Personen wurden nicht nach besonderen Kriterien ausgewählt. Während die Kantonspolizei die Personalien aufnahm, verliessen einige Besucher das Gelände und konnten daher nicht mehr erfasst werden. Verzeigt wurden Personen, welche die Wegweisung der Kantonspolizei nicht befolgten und das Areal Waldau nicht verliessen.

6. Die Frage enthält keine Angaben darüber, welche allfälligen Falschaussagen gemeint sind. Eine Anklageerhebung würde der Staatsanwaltschaft obliegen.

7. Nein, für die Einleitung einer Untersuchung besteht keine Veranlassung.

8. Nein, für die Regierung besteht derzeit keine Veranlassung, irgendjemanden zur Verantwortung zu ziehen.

Datum: 1. September 2009