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Session: 28.08.2009
Das konstruktive Referendum wurde bereits im Laufe der 1990-er Jahre zunächst in den Kantonen Bern und Nidwalden eingeführt. Auch die total revidierte Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 sieht heute in Art. 35 ein „Referendum mit Gegenvorschlag von Stimmberechtigten“ vor. Gemäss diesem neuen Volksrecht können gleich viele Stimmberechtigte wie beim „gewöhnlichen“ fakultativen Gesetzesreferendum zu einem Gesetz ein Referendum ergreifen, indem sie innerhalb der üblichen Referendumsfrist zusätzlich einen ausformulierten Gegenvorschlag einreichen. Dazu nimmt gemäss Zürcher Recht vor der Volksabstimmung auch der Kantonsrat noch einmal Stellung.

Im Kanton Zürich wird die Möglichkeit des konstruktiven Referendums seither recht eifrig genutzt. So sind allein in den Monaten Mai/Juni 2009 gleich drei Referenden mit Gegenvorschlag erfolgreich eingereicht worden. Neben dem Referendum mit Gegenvorschlag gegen Neu- und Ausbauten von Pisten am Flughafen Zürich sind auch zwei konstruktive Referenden zur Revision des Zürcher Steuerrechts zu Stande gekommen.

Ein Referendum mit Gegenvorschlag erlaubt es, die Ablehnung eines vom Grossen Rat verabschiedeten Gesetzes (=Referendumselement) mit dem Vorschlag einer Alternative zum gleichen Gegenstand (=Initiativelement) zu kombinieren. Kommt ein solches Referendum zustande, kann das Volk über den Gesetzesentwurf des Parlamentes und über den Gegenvorschlag des Initiativkomitees abstimmen.

Diese Art des Referendums vermeidet die Ablehnung eines Gesetzes aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Gegner-Gruppen (z.B. sogenannte "unheilige Allianz" jener, die weitergehen wollen als das Parlament und jener, die am geltenden Rechtsstand nichts ändern wollen).

Ein solches Referendum ist im Übrigen in der Schweiz in verschiedener Art ausgestaltet. Im Kanton Bern – dort wird es "Volksvorschlag" genannt (Artikel 63 Absatz 3 Kantonsverfassung) – ist das Referendumskomitee bei der Formulierung des Gegenvorschlages frei. In der Stadt Luzern muss ein Antrag im Grossen Stadtrat (Gemeindeparlament) vorausgehen.

Generell sprechen für die Einführung des Referendums mit Gegenvorschlag (konstruktives Referendum) unter anderem die folgenden Argumente:

- Differenzierte Entscheidmöglichkeiten
Beim gewöhnlichen Referendum kann nur Ja oder Nein gesagt werden. Neu kann einem Gesetzesentwurf ein Gegenvorschlag gegenübergestellt werden. Die Stimmberechtigten können sich damit differenziert zur Vorlage des Grossen Rates resp. zum Vorschlag des Referendumskomitees äussern.

- Konstruktive Lösungen
Mit der Möglichkeit, einen Gegenvorschlag zu formulieren, kann konstruktiv am Gesetzgebungsprozess mitgearbeitet werden. Es entsteht kein Scherbenhaufen, nur weil ein oder zwei Punkte eines Gesetzes teilweise sogar aus völlig entgegen gesetzten Gründen umstritten waren.

- Beschleunigung der Gesetzgebung
Wird der Gegenvorschlag angenommen, muss die Gesetzgebung nicht von vorne beginnen. Es kann ein konkretes Resultat erreicht werden.

Die Regierung wird eingeladen, dem Grossen Rat Bericht und Antrag zu unterbreiten, auch in der Verfassung des Kantons Graubünden neu die Möglichkeit eines Referendums mit Gegenvorschlag (konstruktives Referendum) zu schaffen.

Chur, 28. August 2009

Jäger, Thöny, Arquint, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Trepp, Locher Benguerel, Pedrini (Soazza)

Antwort der Regierung

Beim konstruktiven Referendum handelt es sich um eine Kombination von Referendum und Initiative. Das konstruktive Referendum erlaubt es, die Ablehnung eines vom Parlament verabschiedeten Gesetzes (Referendumselement) mit dem Vorschlag einer Alternative zum gleichen Gegenstand (Initiativelement) zu kombinieren. Das konstruktive Referendum wurde in der Schweiz erstmals im Kanton Bern in der neuen Verfassung vom 6. Juni 1993 verankert. Die Kantone Nidwalden und Zürich kennen dieses Volksrecht ebenfalls. Im Kanton Zürich wurde es im Rahmen der Totalrevision der Verfassung auf den 1. Januar 2006 eingeführt. In weiteren Kantonen wurde die Einführung des konstruktiven Referendums zwar erwogen, letztlich aber wieder verworfen. Auf Bundesebene wurde im Jahr 2000 eine Volksinitiative auf Einführung des konstruktiven Referendums von Volk und Ständen abgelehnt (vgl. BBl 1999 2937 ff.).

Im Kanton Graubünden stand das konstruktive Referendum im Rahmen der Totalrevision der Kantonsverfassung zur Diskussion. Die Regierung schlug in ihrer Botschaft vom 15. Januar 2002 vor, auf dieses im Vernehmlassungsentwurf noch auf Antrag der Verfassungskommission enthaltene Instrument zu verzichten. Die Regierung befürchtete praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung und eine Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens. Die vorgeschlagene Ausgestaltung der Volksrechte lasse das konstruktive Referendum als entbehrlich erscheinen, und mit der vorgeschlagenen Abschaffung der Sperrfrist bei Volksinitiativen enthalte das bündnerische Recht mit der Gesetzesinitiative bereits ein Instrument, das die Ziele des konstruktiven Referendums erreichen kann (vgl. Botschaftenheft Nr. 10/2001-2002, S. 514 f.). In der Folge war das konstruktive Referendum bei der Beratung der Vorlage zur Totalrevision der Kantonsverfassung im Grossen Rat kein Thema mehr (vgl. GRP 2002/03, S. 199, 259 und 502).

Die Regierung lehnt das konstruktive Referendum aus den schon bei der Totalrevision der Kantonsverfassung vorgebrachten Gründen ab. Wie inzwischen auch die Praxis zeigt, funktioniert das System der Volksrechte im Kanton Graubünden nach der neuen Kantonsverfassung und es sind keine Defizite erkennbar, die eine Ergänzung des Instrumentariums als erforderlich erscheinen liessen. Zudem würde das konstruktive Referendum auch die Ausgleichsfunktion des Parlamentes gefährden. Vom Grossen Rat verabschiedete Vorlagen sind sehr oft das Ergebnis von Kompromissen. Mit dem konstruktiven Referendum kann ein solcher Kompromiss in einem Einzelpunkt aufgebrochen werden. Damit würde die Stellung des Grossen Rats geschwächt. Auch aufgrund dieser Überlegung ist das konstruktive Referendum abzulehnen.

Aus all diesen Gründen beantragt die Regierung, den vorliegenden Auftrag nicht zu überweisen.

5. November 2009