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Session: 05.10.1999
Die Regierung wird ersucht, dem Grossen Rat Bericht zu erstatten über die Auswirkungen der Strommarktliberalisierung auf den Kanton Graubünden. Der Bericht soll insbesondere Aufschluss geben über folgende Problemkreise:
- Entwicklung der Steuer- und Wasserzinseinnahmen;
- Folgen für das Gewerbe und die KleinkonsumentInnen;
- Folgen für die Endverteiler (Gemeindewerke);
- Verlust von Arbeitsplätzen und mögliche Kompensationsmassnahmen;
- Folgen für die Bündner Stromproduzenten (z.B. Wettbewerbsfähigkeit, Erneuerung und Erhaltung bestehender Kraftwerke, Netz- und Marktzugang, nicht amortisierbare Investitionen, langfristige Atomstrombezugsverträge, Quersubventionierungen);
- Notwendigkeit einer kantonalen Netzgesellschaft;
- Aufgaben der Grischelectra im liberalisierten Strommarkt;
- Entwicklung der Investitionstätigkeit
- Folgen für Wahrnehmung der Heimfallrechte;
- Auswirkungen auf den Service public;
- Umsetzung der vom Gewässerschutzgesetz vorgeschriebenen Sanierungsmassnahmen;
- Förderung der einheimischen erneuerbaren Energieträger und der Energieeffizienz (z.B. durch Ökostrombörsen, Contracting u.a.m.);
- Massnahmen der Regierung.

Begründung:
Bereits am 19. Februar 1999 hat die Europäische Union mit der schrittweisen Öffnung des Strommarktes begonnen. Grosskonsumenten dürfen als erste den Stromlieferanten frei auswählen. Die im Zentrum des europäischen Stromverbundes liegende Schweiz kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Die EU-Richtlinie muss auch in der Schweiz umgesetzt werden. Der Bundesrat sieht darum auch für unser Land eine schrittweise Öffnung des Strommarktes ab dem Jahr 2001 vor. Auf Bundesebene wird zur Zeit im Parlament das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) beraten.
Die Strommarktliberalisierung bringt Chancen und Risiken. Wie aus der Botschaft des Bundesrates zum EMG hervorgeht, sind die stärksten negativen regionalpolitischen Auswirkungen in den Gebirgskantonen zu erwarten. Der Bundesrat stellt einen Abbau von 20 bis 30% der Arbeitsplätze im Berggebiet in Aussicht. Es wird angenommen, dass die Erträge aus der Wasserkraftnutzung unter Druck kommen (Steuererträge, Wasserzinsen). Die Investitionstätigkeit hat sich im Bereich der Wasserkraft wegen der ungünstigen Preisaussichten und den bestehenden Überkapazitäten in den letzten fünf Jahren bereits halbiert. Auch das Heimfallpotential ist von der Strommarktliberalisierung betroffen.
Die bevorstehende Öffnung des Strommarktes wird sich zweifellos auf unseren Kanton auswirken. Wir erachten es als wichtig, dass der Grosse Rat und die Bevölkerung über die Folgen und die zu treffenden Massnahmen im Interesse Graubündens frühzeitig und umfassend informiert werden.

Chur, 5. Oktober 1999

Namen: Looser , Pfenninger, Aebli, Arquint, Baselgia, Battaglia, Beck (Zizers), Bucher, Cathomas, Hardegger, Jäger, Koch, Locher, Meyer, Morgenegg, Scharegg, Schlatter, Schmid (Sedrun), Trepp, Zarro, Schütz, Frigg, Gort, Pedrini

Session: 5.10.1999
Vorstoss: dr Postulat

Antwort der Regierung


Beide Postulate verlangen von der Regierung die Erstellung eines Berichtes, der sich mit den Verhältnissen auf dem liberalisierten Strommarkt und den sich für den Kanton Graubünden daraus ergebenden wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen zu befassen hat. Da beide Postulate ähnliche, zum Teil sogar identische Fragen aufwerfen, erscheint es nur sachgerecht, sie gemeinsam zu behandeln und zu beantworten.
Zu den Auswirkungen der Strommarktliberalisierung sind aus heutiger Sicht folgende Aussagen möglich:
1. Die aktuelle Strommarktöffnung entwickelt eine ausgesprochen grosse Dynamik und macht auch vor der Schweiz nicht Halt. Davon zeugen Meldungen in der Presse über Unternehmenszusammenschlüsse, -kooperationen und -allianzen. Auch ein festzustellender Druck auf die Stromtarife dokumentiert diese Entwicklung. Durch die Europäische Union wurde ein Marktprozess in Gang gesetzt, der mit grossen Unsicherheiten über die künftige Entwicklung verbunden ist. Wie auf anderen Gebieten ist auch hier die tatsächliche Entwicklung rascher als die Politik. Ziel für den Kanton Graubünden muss es sein, dass Bevölkerung und Wirtschaft auch in einem freien Strommarkt und im Übergang dazu mit günstigem Strom bei hoher Versorgungssicherheit beliefert werden.
Der sich öffnende Markt wird die Produktions-, Versorgungs- und Verteilunternehmen in Graubünden vor grundlegend neue Herausforderung stellen.
2. Gemäss der geltenden gesetzlichen Ordnung sorgen in Graubünden die Gemeinden für die Erschliessung und Belieferung ihres Gebietes mit elektrischer Energie (Art. 61 des kantonalen Wasserrechtsgesetzes; BWRG), wobei sie die Erfüllung dieser Aufgabe an private Elektrizitätsunternehmungen übertragen können (Art. 62 BWRG). Wollen die Gemeinden ihre Handlungsfreiheit künftig wahren, ist der schrittweise Umbau der heutigen Strukturen unumgänglich.
Der Kanton hat ein wirtschaftliches und politisches Interesse, die Gemeinden bei der Lösung der anstehenden Probleme zu unterstützen und mit diesen zusammenzuarbeiten.
3. Das demnächst im Bundesparlament zur Beratung stehende Elektrizitätsmarktgesetz aber auch der Ausgang der Volksabstimmungen über die "Energie-Umwelt-Initiative" und über die "Solar-Initiative" bzw. die entsprechenden Gegenvorschläge werden die Rahmenbedingungen der Marktöffnung und die künftige Energiepolitik massgeblich beeinflussen.
Diese nicht abschliessende Darstellung von Problemfeldern im Zusammenhang mit der Marktöffnung wirft verschiedene Fragen auf. Die Regierung ist daher bereit, die beiden Postulate entgegenzunehmen und einen problemorientierten Bericht zu erarbeiten.


Chur, 29. November 1999