Die Gemeinden haben für die Erstellung und den Betrieb öffentlicher Abwasseranlagen (z.B. Kanalisationen und zentrale Abwasserreinigungsanlagen) zu sorgen. Abwasseranlagen (öffentliche und private) werden in Übereinstimmung mit dem generellen Entwässerungsplan (GEP) und dem generellen Erschliessungsplan gemäss Raumplanungsgesetzgebung erstellt. Im einzelnen obliegen den Gemeinden folgende Aufgaben:
Bau öffentlicher Abwasseranlagen
Als Abwasseranlagen gelten sämtliche Anlagen, die der Abwasserreinigung und Abwasserbeseitigung dienen: Kanalisationen, zentrale Abwasserreinigungsanlagen (ARA), Einzelkläranlagen, andere Abwasserreinigungsanlagen, Pumpwerke und Regenbecken.
Öffentliche Abwasseranlagen sind Anlagen im Eigentum einer Gemeinde oder eines Verbands. Demgegenüber sind private Anlagen Abwasseranlagen, welche von Privaten erstellt und betrieben werden (wie z.B. Hausanschlussleitungen, Leitungen im Gebäude, Einzelkläranlagen, abflusslose Gruben).
Die Gemeinden sind verpflichtet, öffentliche Abwasseranlagen zu bauen und zu betreiben. Sie können diese Aufgaben selber erfüllen oder sich mit anderen Gemeinden zu einem Gemeindeverband (Art. 50 ff. Gemeindegesetz) zusammenschliessen und diesem bestimmte Aufgaben bei der Abwasserentsorgung übertragen. Zwei oder mehrere Gemeinden können sich auch vertraglich zur gemeinsamen Besorgung dieser Aufgabe verbinden, ohne einen Verband zu bilden. In Frage kommt vor allem die Bildung von Zweckgemeinschaften. Schliesslich können die Gemeinden die Abwasserentsorgung auch auf private Unternehmen übertragen.
Die Regierung kann gemäss Art. 17 Abs. 2 KGSchG eine Gemeinde verpflichten,
- innert angemessener Zeit die erforderlichen Abwasserentsorgungsanlagen zu erstellen und sachgerecht zu betreiben;
- sich gegen angemessene Entschädigung an eine bestehende Anlage anzuschliessen;
- zusammen mit anderen Gemeinden gemeinsame Abwasseranlagen zu betreiben.
Soweit möglich, werden öffentliche Kanalisationen im öffentlichen Grund, in der Regel im Strassengebiet oder innerhalb genehmigter Baulinien, verlegt. Muss eine öffentliche Leitung Grundstücke von Privaten durchqueren, haben diese den Bau der Leitung gegen angemessene Entschädigung zu dulden, sofern das kommunale Baugesetz ein Leitungsrecht im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung vorsieht (vgl. Art. 99 des Musterbaugesetzes für Bündner Gemeinden 2007). Ansonsten hat die Gemeinde das Enteignungsverfahren durchzuführen.
Fachgerechter Betrieb öffentlicher Abwasseranlagen
Als Inhaber von Abwasseranlagen müssen die Gemeinden bzw. die Abwasserverbände:
- ihre Anlagen in funktionstüchtigem Zustand erhalten;
- Abweichungen vom Normalbetrieb feststellen, deren Ursachen abklären und diese unverzüglich beheben;
- beim Betrieb alle verhältnismässigen Massnahmen ergreifen, die zur Verminderung der Mengen der abzuleitenden Stoffe beitragen.
Als Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in ein Gewässer einleiten, müssen die Gemeinden bzw. die Abwasserverbände zudem sicherstellen, dass
- die für den Betrieb verantwortlichen Personen bezeichnet sind;
- das Betriebspersonal über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt und
- die Mengen und Konzentrationen der eingeleiteten Stoffe ermittelt werden, wenn die Einleitungsbewilligung numerische Anforderungen enthält.
Zudem müssen nach Anordnung des Amtes für Natur und Umwelt (ANU) verschiedene Abwasserdaten erhoben werden. Sowohl die Anzahl der gemessenen Parameter wie auch die Häufigkeit der Messungen/Untersuchungen hängen von der Grösse der Kläranlage ab.
Daneben erhebt das ANU jedes Jahr bei allen Gemeinden bzw. Verbänden, die Inhaber einer ARA sind, verschiedene Betriebsdaten wie Abwassermenge, Energieverbrauch, Konzentrationen verschiedener Parameter (z.B. chemischer Sauerstoffbedarf, Stickstoff, Phosphor) im Zulauf und im Ablauf.
Meldung ausserordentlicher Ereignisse
Wer eine zentrale Abwasserreinigungsanlage (ARA) betreibt, ist verpflichtet, ausserordentliche Ereignisse im Betrieb unverzüglich der Notruf- und Einsatzzentrale (NEZ) unter der Telefonnummer 117 zu melden.
Ausserordentliche Ereignisse sind z.B.:
- Anzeichen, dass eine grössere Menge Gifte oder andere umweltgefährdende Stoffe eingeleitet wurde, z.B. eine plötzliche Änderung des pH-Wertes, plötzliche schlechte Reinigungsleistung, Schlammtreiben in einer Belebtschlamm-Anlage, ungewöhnliches Auftreten von Schaum in der Anlage oder im Auslauf
- Anzeichen einer aussergewöhnlichen Überlastung der Kläranlage durch Einleitung von Stoffen, die nicht eingeleitet werden dürfen (z.B. Gülle, Stechblut, Schotte)
- ungewöhnlicher Geruch, ungewöhnliche Farbe des Abwassers, sehr starker Sauerstoffbedarf
- Wenn das Personal der Kläranlage Kenntnis erhält von einem ausserordentlichen Ereignis oder einem Unfall ausserhalb der Kläranlage.
Achtung: Die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser ableiten, müssen ihrerseits dafür sorgen, dass ausserordentliche Ereignisse unverzüglich der Notruf- und Einsatzzentrale (NEZ) und dem Inhaber der Abwasserreinigungsanlage gemeldet werden, wenn diese dazu führen können, dass der ordnungsgemässe Betrieb der Abwasseranlagen erschwert oder gestört wird!
Solche Ereignisse sind zum Beispiel:
- Absichtliches oder unabsichtliches Einleiten von nicht genügend vorgereinigtem Abwasser aus einem Industriebetrieb (z.B. weil die Vorbehandlungsanlage nicht richtig funktioniert).
- Absichtliches oder unabsichtliches Einleiten von wassergefährdenden Flüssigkeiten (z.B. Heizöl, Benzin, Lösungsmittel, Gülle) via Kanalisation in die Kläranlage.
Entsorgung von Klärschlamm
Klärschlamm fällt als Abfall bei der Abwasserreinigung an. Gemeinden, welche Kläranlagen betreiben, haben dafür zu sorgen, dass der anfallende Klärschlamm nach den Vorgaben des kantonalen Klärschlamm-Entsorgungsplanes vom April 2000 entsorgt wird. Im Kanton Graubünden wird der Klärschlamm aus öffentlichen Kläranlagen getrocknet und dann verbrannt. Die Verwendung von Klärschlamm als Dünger, für Rekultivierungen, Humusierungen und ähnliche Anwendungen ist nicht zulässig. Der Klärschlamm ist in regelmässigen Abständen hinsichtlich Qualität (Wert- und Schadstoffe) in einem spezialisierten Labor zu untersuchen. Die Häufigkeit der Untersuchungen und das Analyseparameter werden für die einzelnen ARA durch das Anu festgelegt (Art. 20 GSchV).
Ausserbetriebnahme einer ARA
Die ganze oder teilweise Ausserbetriebnahme einer ARA z.B. für Sanierungs-, Revisions- oder Reparaturarbeiten bedarf einer Bewilligung des ANU. Einzelheiten sind dem Merkblatt für die ganze oder teilweise Ausserbetriebnahme einer ARA (inkl. Gesuchsformular) zu entnehmen.
Weiterführende Literatur und Arbeitsgrundlagen
- Musterbaugesetz für Bündner Gemeinden 2007 (MBauG 07) der Bündner Vereinigung für Raumentwicklung (BVR)
- Musterreglement über die Abwasserbehandlung für Bündner Gemeinden (MAwR 06) der Bündner Vereinigung für Raumentwicklung (BVR)
- Poledna Tomas, Privatisierung von Abwasseranlagen - rechtliche Probleme und Lösungsansätze, URP 1999, 570
Gerichts- und Verwaltungspraxis
- BGer 1P.291/2001 vom 5. November 2001: Bevor in Bauzonen gesetzeskonforme Entwässerungsanlagen (Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen) bestehen, dürfen mangels hinreichender Erschliessung keine Baubewilligungen erteilt werden.