Von Mentoring, überparteilicher Unterstützung bis hin zu neuen Modellen in der Gemeindeführung – das Projekt «PROMO Femina» zeigt mit über 120 Massnahmen, wie Frauen leichter Zugang zu politischen Ämtern finden. Ein Online-Tool und eine Studie zeigen Gemeinden, Lokalparteien und Netzwerken, wie sie politisch engagierte Frauen beim Einstieg und Verbleib in der Gemeindepolitik unterstützen können. Das Projekt der Fachhochschule Graubünden wurde in Zusammenarbeit mit den Kantonen Graubünden, Appenzell Ausserrhoden, St.Gallen, Wallis und Zürich durchgeführt.
Zurzeit werden nur knapp ein Viertel der Sitze in den Schweizer Gemeindeexekutiven von Frauen besetzt. Etwas besser sieht die Situation in den Gemeindeparlamenten aus. Dabei geht diese deutliche Untervertretung der Frauen nicht auf eine systematische Diskriminierung, sondern auf ein zu kleines Angebot an Kandidatinnen zurück.
Die Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann ist diesem Phänomen zusammen mit dem Zentrum für Verwaltungsmanagement der Fachhochschule Graubünden (FHGR) und vier weiteren Kantonen im Rahmen des Projekts «PROMO Femina» auf den Grund gegangen. Die Kantonsvertreterinnen und die Forschenden der FHGR haben in zahlreichen Workshops mit Gemeindepolitikerinnen, politisch interessierten Frauen, Expertinnen und Experten die Gründe für die spärliche Vertretung von Frauen in den Gemeindebehörden diskutiert und mögliche Lösungsansätze entwickelt.
Mit gut 100 Teilnehmenden in Graubünden, Wallis, St.Gallen, Zürich und Appenzell Ausserhoden sind die Ergebnisse breit abgestützt. Allein in Graubünden nahmen im Herbst 2021 rund 60 Teilnehmende an drei regionalen Vernetzungstreffen in Pontresina, Seewis und Ilanz teil. «Das Bedürfnis von Frauen, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, ist riesig», stellt Barbara Wülser, Leiterin der Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann Graubünden, fest. Frauen in der Politik sei bislang vor allem ein Frauenthema. «Es ist höchste Zeit, das Thema zu einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen zu machen.» Die Gemeinden seien auf die Mitwirkung von Männern und Frauen angewiesen.
Entstanden ist eine Online-Plattform unter promofemina.fhgr.ch, wo zum einen über 120 Massnahmen mit Beispielen aus der Praxis illustriert und beschrieben sind. Diese richten sich an Gemeinden, Lokalparteien und (Frauen-) Netzwerke. Die Massnahmen sollen unter anderem Wissenslücken zur Gemeindepolitik schliessen, unschlüssigen Frauen die Angst vor einer Kandidatur nehmen und die zeitliche Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Gemeindeamt verbessern. Zum anderen sind auf der Projektwebseite Tipps und Tricks, Informationen zur Gemeindepolitik und Videos für interessierte Frauen zu finden. Diese sollen den Eintritt in die Gemeindepolitik erleichtern und niederschwellig ermöglichen. Denn auf Gemeindeebene besteht Nachholbedarf. Dies untermauern die neuesten Zahlen der Studie für verschiedene Gemeindeämter.
Wallis und Appenzell Ausserrhoden voraus
Die Studie von «PROMO Femina» umfasst die 482 Gemeinden der beteiligten Kantone mit ihren Gemeindeexekutiven, -legislativen, den Rechnungs- respektive Geschäftsprüfungskommissionen (RPK/GPK) sowie den Schulbehörden. Der Anteil an Frauen in den Gemeindebehörden per Ende 2021 variiert – je nach Kanton, politischem Amt und kommunalen Strukturen – sogar deutlich (vgl. Tabelle). Dabei schwankt der durchschnittliche Frauenanteil zwischen 18,7 Prozent in den RPK im Kanton Zürich und 61 Prozent in den Schulbehörden im Wallis. Insgesamt zeigt sich die weibliche Untervertretung am deutlichsten in den RPK/GPK (Anteil von 23 %, Durchschnitt alle Gemeinden) sowie in den Gemeindeexekutiven (Anteil von 25 %). Letztere hat sich seit 2016 kaum verändert. Die Frauen dominieren dagegen in den Schulbehörden – mit einem Anteil von 55 Prozent über alle Gemeinden betrachtet. Über alle Gemeindeämter hinweg betrachtet nehmen die Frauen in den Kantonen Wallis und Appenzell Ausserrhoden 42 Prozent respektive 40 Prozent der Sitze ein, gefolgt von den Kantonen Zürich (33 %), Graubünden (32 %) und St.Gallen (31 %).
Tabelle: Zahlen und Fakten zu den Projektpartnern
Rekrutierung bleibt schwierig, Frauen mit Potenzial
In der Schweizer Politik nehmen Gemeinden nach wie vor eine bedeutende Stellung ein. Die auf lokaler Ebene getroffenen Entscheidungen beeinflussen das tägliche Leben am stärksten. Die Besetzung von Gemeindeämtern bereitet aufgrund der tendenziell abnehmenden Bereitschaft der Bevölkerung, ein formelles und ehrenamtliches Engagement zu übernehmen, Sorge. Abhilfe kann hier ein erleichterter Einstieg von Frauen in ein politisches Amt schaffen. Potenzial hierfür ist vorhanden. Entsprechend ist das Forschungsprojekt der FHGR auch auf die Stärkung des in der Schweiz verwurzelten Milizsystems ausgerichtet, wovon auch die Wirtschaft und Zivilgesellschaft profitierten.
Im Forschungsfeld Miliz- und Freiwilligentätigkeit beschäftigt sich das Zentrum für Verwaltungsmanagement der FHGR mit der Schnittstelle zwischen Gemeinde und Freiwilligentätigkeit und entwickelt neue Ansätze, um das Potenzial der Freiwilligentätigkeit und deren Leistungen zugunsten der Gemeinden zu erhöhen. Dies mit der Überzeugung, dass ohne den Einsatz von Einzelpersonen, Vereinen und Organisationen viele Leistungen der Gemeinden nicht möglich wären. Freiwillige und nebenberuflich Tätige tragen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung des gesellschaftlichen und kulturellen Erbes sowie zu einer höheren Lebensqualität in den Gemeinden bei.
Weitere Informationen:
PROMO Femina
Beilage:
Projekttitelbild Fachhochschule Graubünden
Fotobeilage:
©Chantal Wernli