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Irgendwie taucht dieses Wort in letzter Zeit immer wieder auf: Quote. Präziser: Frauenquote. Längere Zeit führte der Begriff ein Schattendasein, bzw. wurde von vielen verschmäht. «Quotenfrau» – das Schimpfwort schlechthin für jede karrierebewusste Frau! Keine möchte sie sein.

Doch jetzt fliesst «Quote» sogar gestandenen Managern und altgedienten Politikerinnen leicht von den Lippen. Unternehmen setzen sich verbindliche oder freiwillige Quoten für ihre Führungsgremien, die Politik diskutiert drumherum. Gut so! Es ist höchste Zeit, genauer hinzuschauen, was die Quote ist, was sie kann – und was nicht.

Eine Quote ist erst einmal eine Zahl, die in Prozenten einen mengenmässigen Anteil am Ganzen angibt. Sie unterscheidet ein Zuordnungsmerkmal. Zum Beispiel das Geschlecht. Die Quote ist ein Ziel, das es innert einer gewissen Frist zu erreichen gilt. Dieses kann verbindlich oder freiwillig sein.

Eine Quote ist dort gerechtfertigt, wo es einen Ausgleich von faktischen Nachteilen braucht, die typischerweise eine bestimmten Gruppe betreffen. Es geht bei der Frauenquote also nicht um das Problem einzelner Frauen, sondern um eine strukturelle Benachteiligung auf Grund des zugeordneten Geschlechts als gesamtgesellschaftliches Problem.

Zwar ist die rechtliche Gleichstellung in Verfassungen, Gesetzen, Konventionen und Verordnungen verankert. Die tatsächliche Gleichstellung bedarf aber noch einiger Bemühungen. In unserem Kulturkreis ist die Arbeitswelt eine der prägendsten Lebenswelten. Hier anzusetzen, ist ein Hebel für die gesamte Gleichstellung. Aber die Quote kann mehr.

Auf dem Weg dahin gibt es viel Diskussionsbedarf: Wie hoch soll die Quote sein, an welcher Bezugsgrösse orientiert sie sich? Nach der tatsächlichen Vertretung in der Gesellschaft, dem Anteil in der entsprechenden Branche, in der Organisation oder der Kundschaft? Bis wann soll das Ziel erreicht werden, und mit welchen Mitteln? Was geschieht, wenn es nicht erreicht wird? Offensichtlich wird: Eine Quote ist nicht einfach eine Zahl, sondern ein Prozess.

Diese Diskussion erweitert die Perspektiven und verändert die Arbeitskultur. Wir hinterfragen dabei hergebrachte Muster und Entscheidungskriterien, die der Anerkennung der Leistungsausweise von Frauen im Wege stehen. Für diese «gläserne Decke» gibt es ausreichend wissenschaftliche Belege. Darüber zumindest müss(t)en wir nicht diskutieren.

Zwar zeigt der Trend der Neuberufungen bei den grösseren Unternehmen laut Schillingreport 2022 aufwärts. Spitzenreiter ist die Bundesverwaltung mit 38 Prozent Frauenanteil im Topkader. Auch die SMI-Unternehmen und die 100 grössten Arbeitgeber der Schweiz machen vorwärts bei den Neubesetzungen, bewegen sich bei der Frauenvertretung in den Geschäftsleitungen mit 19 bzw. 17 Prozent aber immer noch im untersten Fünftel. Schaut man dann bei den mittleren und kleineren Unternehmen und bei den Kantonen genauer hin, wird es offensichtlich: Von einer ausgeglichenen Vertretung der Geschlechter sind wir in den Entscheidungsgremien weit entfernt. Im Kanton Graubünden etwa werden nur vier von 39 Dienststellen von Frauen geleitet, wie der aktuelle Bericht zum Aktionsplan Gleichstellung in der kantonalen Verwaltung, egual21, zeigt.

Frauen wollen mitreden. Doch eine einzelne Frau in einem Männergremium hat es oft schwer. Sie wird herausgestellt und muss für alles herhalten, was Frauen betrifft, muss alle Erwartungen und Projektionen erfüllen. Damit Frauen mitreden können und gehört werden, braucht es eine «kritische Masse». Man spricht von 30 bis 40 Prozent. Damit erübrigt sich auch die «Quotenfrau».

Doch eine Quote ist nicht das alleinseligmachende Mittel: Sie kann keine geeigneten Frauen finden. Offenbar ist das immer noch schwierig, obwohl Frauen mindestens gleich gut ausgebildet sind wie Männer. Andere Fragen drängen sich auf, die Männer genauso betreffen wie Frauen sowie non-binäre Personen: Wie vereinbaren wir Beruf und Privatleben? Welches Selbstverständnis haben Führungspersonen? Welche Netzwerke nutzen wir? Und vor allem: Wie schaffen wir Räume, wo die Menschen sich gerne mit ihren Kompetenzen einbringen? Die Quotendiskussion wird möglicherweise demnächst vom akuten Fachkräftemangel überholt. 

Kolumne im Bündner Tagblatt von Barbara Wülser, erschienen am 17.05.2022

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