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Session: 18.10.2017

Die Gastronomie ist ein wichtiger Teil für die Wirtschaft und den Tourismus im Kanton Graubünden. Mit ihren Leistungen trägt die Gastronomie wesentlich zur Qualität, der Positionierung und des Erfolges des Tourismuskantons bei.

Seit der Änderung des Gastwirtschaftsgesetzes (GWG) im Jahre 1998 ist eine Bewilligung für gastgewerbliche Tätigkeiten für jede Person erhältlich, welche nicht durch wiederholt schwere Verletzungen der Lebensmittelgesetzgebung oder mehrfach strafrechtlich in Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes negativ aufgefallen ist (GWG Art. 5 Abs. 2 lit. a). Das heisst für das Führen eines Gastronomiebetriebes werden keinerlei fachliche Grundkenntnisse vorausgesetzt. Auf der anderen Seite macht der Gesetzgeber mit dem Lebensmittelrecht und zahlreicher Richt- und Leitlinien im Bereich Lebensmittel und Suchtprävention sehr umfangreiche und komplexe Vorgaben.

Dies führt dazu, dass seit der Aufhebung von vorgeschriebenen Kenntnissen im Lebensmittelgesetz in vielen Betrieben mehr Zeit für die Lebensmittelkontrollen aufgebracht werden muss, um die Betriebsleiter über Inhalt und Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung detailliert aufzuklären. Die Zeit für die eigentliche Aufgabe, nämlich die Lebensmittelkontrolle, wird damit immer kürzer bzw. der administrative sowie finanzielle Aufwand der Lebensmittelkontrolle auf Behördenseite nimmt zu. Zudem verursacht auch Art. 5 Abs. 2 lit. a des GWG administrativen Aufwand. Das DVS hat in den letzten 5 Jahren 1'000 solcher Nachweise ausgestellt. Kein einziger musste verweigert werden. Diese wirkungslose Reglementierung bedeutet somit nur administrative Belastung für Gewerbetreibende und Verwaltung.

Grundkenntnisse in den Bereichen Lebensmittelrecht und Suchtprävention stellen eine wichtige Voraussetzung für die Qualität der Branche, die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie vor allem den Schutz der Konsumenten dar. Mehr noch – sie sind der Grundstein dafür, dass ein Unternehmer mit den Regulierungen im Gastronomiebereich überhaupt zurechtkommt. Darüber hinaus verringert die Voraussetzung von Grundkenntnissen in diesen Bereichen den stetig steigenden administrativen und finanziellen Aufwand seitens der Behörde im Bereich Lebensmittelkontrollen.

Unter anderen auch aus obigen Gründen haben in der Schweiz in der Zwischenzeit 18 Kantone eine Grundausbildung für Wirte wieder in ihrem Gesetz vorgeschrieben. Darunter sind insbesondere die Tourismuskantone und die Nachbarkantone St.Gallen und Tessin.

Entsprechende Grundkenntnisse im Lebensmittelrecht und in der Suchtprävention sind von öffentlichem Interesse, vor allem zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten, und reduzieren den administrativen und finanziellen Aufwand seitens der Behörde. Die Regierung wird daher beauftragt, dem Grossen Rat eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen des Gastwirtschaftsgesetzes, namentlich der in Art. 5 GWG geregelten Bewilligungsvoraussetzungen, dahingehend zu unterbreiten, dass für die Erteilung der Betriebsbewilligung nachprüfbare Grundkenntnisse im Bereich Lebensmittelrecht und Suchtprävention erforderlich sind.

Kenntnisse in der Lebensmittelhygiene und in der Suchtprävention kann der Gesuchsteller nachweisen durch:

1. einen eidgenössischen Fähigkeitsausweis über eine vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit anerkannte Berufslehre in den Bereichen Gastwirtschaft/Hauswirtschaft oder Nahrung/Getränke oder

2. ein Diplom einer anerkannten Höheren gastgewerblichen Fachschule (z.B. Hotelfachschule) oder

3. einen anerkannten Ausweis anderer Kantone oder

4. das Bestehen einer Prüfung in der Lebensmittelhygiene und in der Suchtprävention. Die Durchführung von Kursen und Prüfungen kann geeigneten Organisationen übertragen werden.

Chur, 18. Oktober 2017

Caluori, Marti, Dudli, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Bucher-Brini, Burkhardt, Casty, Cavegn, Caviezel (Davos Clavadel), Clalüna, Crameri, Della Vedova, Dermont, Dosch, Engler, Epp, Fasani, Foffa, Geisseler, Grass, Kunfermann, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Nay, Niederer, Noi-Togni, Paterlini, Peyer, Pfenninger, Salis, Sax, Schneider, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Weber, Zanetti, Berther (Segnas), Cajacob, Decurtins-Jermann, Föhn, Ruckstuhl

Antwort der Regierung

Die Regierung wird beauftragt, Art. 5 des Gastwirtschaftsgesetzes für den Kanton Graubünden (GWG; BR 945.100) dahingehend anzupassen, dass für die Erteilung der Bewilligung zur Ausübung gastgewerblicher Tätigkeiten (wie die Abgabe von Speisen oder Getränken zum Konsum an Ort und Stelle; das Überlassen von Örtlichkeiten zum Konsum von mitgebrachten oder angelieferten Speisen oder Getränken oder die Durchführung von Veranstaltungen, an denen mitgebrachte oder angelieferte Speisen oder Getränke konsumiert werden) nachprüfbare Grundkenntnisse im Bereich Lebensmittelrecht und Suchtprävention vorausgesetzt werden. Heute erhält eine Bewilligung, wer eine einwandfreie und polizeilich klaglose Führung des Betriebs gewährleistet (kein wiederholter oder schwerwiegender Verstoss gegen die Gastwirtschafts- oder Lebensmittelgesetzgebung; nicht mehrere Verurteilungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes; keine Verbüssung einer Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten vor weniger als fünf Jahren). Zuständig für den Vollzug sind die Gemeinden.

Der Kanton Graubünden hat das Wirtepatent, d.h. den Nachweis von gewissen Kenntnissen oder Diplomen etc. als Voraussetzung zur Erlangung der Gastgewerbebewilligung (Berufszulassung), mit der Totalrevision des GWG per 1. Januar 1999 abgeschafft. In der Augustsession 2007 wurde anlässlich einer Teilrevision des GWG neu eine Bestimmung aufgenommen, dass eine Gesuchstellende bzw. ein Gesuchsteller auch den Nachweis zu erbringen hat, dass sie/er in den letzten fünf Jahren nicht wiederholt oder in schwerwiegender Weise gegen die eidgenössische oder kantonale Lebensmittelgesetzgebung verstossen hat. Weitere Anträge betreffend zusätzliche Bewilligungsvoraussetzungen wurden abgelehnt. Zwischen 2008 und 2016 stellte das Departement für Volkswirtschaft und Soziales über 1000 Nachweise aus, ohne dass einer verweigert werden musste. Der Grosse Rat hat zudem in der Aprilsession 2016 einen Auftrag abgelehnt, mit welchem die Einführung schärferer Bewilligungsvoraussetzungen beantragt worden war.

Der Bundesrat kann sowohl Anforderungen an die Hygienekenntnisse von Personen, die mit Lebensmitteln umgehen, als auch an die Fachkenntnisse von Personen, die für die Selbstkontrolle verantwortlich sind, festlegen. Der Bundesrat hat von diesen Möglichkeiten bislang keinen Gebrauch gemacht. Indessen hat die Lebensmittelwirtschaft bezüglich der Selbstkontrolle Branchenleitlinien für eine „Gute Verfahrenspraxis im Gastgewerbe“ erlassen, die vom Bund genehmigt wurden.

2400 der 4400 dem Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit gemeldeten Lebensmittelbetriebe sind in der Gastronomie tätig. Auf die Gastronomie entfallen die meisten Inspektionen (insgesamt 1300 im Jahr 2016). Die Gastronomiebranche verzeichnet eine relativ hohe Fluktuation. Bei ungelernten Neueinsteigern gestaltet sich die Vollzugsarbeit der Lebensmittelkontrolle schwierig, da oft das grundlegende Verständnis bezüglich des Inverkehrbringens sicherer Lebensmittel fehlt. Die Bewusstseinsschärfung für elementare Kenntnisse der Lebensmittelhygiene und des Lebensmittelrechts nimmt somit einen nicht unwesentlichen Teil der Kontrolltätigkeit der Lebensmittelkontrolleure in diesen Betrieben ein.

Auch wenn eine negative qualitative Entwicklung der Gastronomie in Graubünden seit der Aufhebung des „Wirtepatents“ nicht festgestellt werden kann und sich die Betriebe mit hohem Risiko auf einem konstant tiefen Niveau bewegen, kann der Nachweis einer qualifizierten Ausbildung oder eines absolvierten Kurses mit bestandener Lernkontrolle als Voraussetzung zur Erlangung der Gastgewerbebewilligung einen Beitrag dazu leisten, das Verständnis im Bereich der Lebensmittelhygiene und der damit verbundenen Selbstkontrolle zu verbessern. Auch aus Sicht der Suchtprävention wäre eine gezielte Informationsvermittlung bei Betrieben des Gastgewerbes sinnvoll. Insbesondere der hohe risikohafte Alkoholkonsum spricht für verpflichtende Massnahmen seitens des Staats in diesem Bereich neben den heute durchgeführten, öffentlich geförderten Programmen und Beratungen. In der gesetzlichen Verankerung einer obligatorischen, rund ein bis maximal zwei Wochen dauernden, durch die Teilnehmenden zu bezahlenden, Ausbildung im Rahmen der erwähnten Branchenleitlinien und unter Berücksichtigung von Themen der Suchtprävention könnten die Ziele des Auftrags erreicht werden.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen.

21. Dezember 2017