Care Leaver:innen sind junge Erwachsene, die einen Teil ihres Lebens in der stationären Kinder- und Jugendhilfe – z. B. in betreuten Wohngruppen/Kinderheimen oder Pflegefamilien – verbracht haben und sich am Übergang in ein eigenständiges Leben befinden. Beim Eintritt in die Volljährigkeit endet in den meisten Fällen die Finanzierung der Massnahme und sie müssen auf einen Schlag erwachsen werden und selbstständig funktionieren. Manche befinden sich mitten in der Ausbildung oder gar noch in der Suchphase und sind noch lange nicht an dem Punkt, ihr Leben autonom führen zu können. Die meisten haben keine stabilen und unterstützenden Beziehungen in ihrer Herkunftsfamilie. Die Begleitung in ein eigenständiges Erwachsenenleben bleibt wichtig; um so mehr, als sich die Adoleszenz nachweislich verlängert hat. So spricht man heute vom 25 als das neue 18.
Viele Care Leaver:innen sind mit den administrativen Herausforderungen (Gesuche, Verträge, Renten, Meldepflichten etc.) überfordert und vieles, was sie während der ausserfamiliären Unterbringung mitbekommen haben, geht wieder verloren. In den gesetzlichen Regelungen für die Kinder- und Jugendhilfe ist die Finanzierung bis 18 Jahre, bei Verbleib in der Institution bis max. 20 Jahre geregelt. Daher fehlt die Finanzierung bedarfsgerechter Begleitangebote über die Zeit der Austrittsphase hinaus. Heute passiert diese notwendige Begleitung oft auf freiwilliger Basis durch vertraute Bezugspersonen. Weitergehende Leistungen werden zwar über die Sozialhilfe finanziert, doch der Schritt von der Jugendhilfe in die Sozialhilfe kann kein Ziel einer guten Kinder- und Jugendpolitik sein.
Die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektionen (SODK) anerkennen die Problematik der Care Leaver:innen und haben bereits im Oktober 2020 zahlreiche Empfehlungen veröffentlicht, um diesen jungen Menschen einen besseren Start in ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.
Wir bitten die Regierung um Auskunft zu folgenden Fragen:
- Wie werden die Empfehlungen der KOKES und der SODK in Graubünden umgesetzt?
- Wie erhebt der Kanton statistische Daten zu Care Leaver:innen?
- Haben Care Leaver:innen über das 18. Altersjahr hinaus eine Person des Vertrauens, die bei Fragen der alltäglichen Lebensführung unterstützt?
- Wie stellt sich die Regierung zu einer Erweiterung des Leistungskatalogs an Institutionen für Unterstützung und Begleitung bis zum Abschluss einer Erstausbildung, längstens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr?
Klosters, 15. Juni 2023
Cahenzli-Philipp (Untervaz), Holzinger-Loretz, Ulber, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Bavier, Beeli, Biert, Binkert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Cola Casaulta, Degiacomi, Derungs, Dietrich, Epp, Furger, Gansner, Gartmann-Albin, Gredig, Hoch, Hofmann, Kaiser, Kreiliger, Mani, Mazzetta, Messmer-Blumer, Müller, Perl, Peter, Preisig, Rettich, Rusch Nigg, Rutishauser, Said Bucher, Tanner, Walser, Wilhelm