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Session: 31.08.2007
Auf immer mehr Bündner Alpen ist in den letzten Jahren vor allem beim Rindvieh eine Beweidung mit Muttertierhaltung anzutreffen. Damit sind allerdings bezüglich des Wandertourismus auch gewisse Probleme entstanden, die längerfristig nicht unterschätzt werden dürfen. Mit verschiedenen Massnahmen (Abzäunung, Information der Bevölkerung und der Touristen betreffend Verhalten etc.) können zwar die möglichen Gefahren zu einem gewissen Prozentsatz minimiert werden. Trotzdem ist auch aufgrund verschiedener Vorkommnisse auf einzelnen Bündner Alpen in der jüngeren Vergangenheit in der Öffentlichkeit eine nicht zu vernachlässigende Verunsicherung entstanden. Damit ist aus Sicht des Unterzeichnenden auch eine Überprüfung der kantonalen Alpfahrtsvorschriften angezeigt, welche vom zuständigen Departement jährlich gestützt auf die Bestimmung der eidgenössischen Tierseuchenverordnung und der kantonalen Veterinärverordnung erlassen werden.

Die Muttertierhaltung hat für die Bündner Landwirtschaft in den letzten Jahren eine immer grössere Bedeutung erlangt. Es ist für die Aufrechterhaltung unserer Alpwirtschaft wohl je länger je wichtiger, dass ein Alpbetrieb mit gut geregelter Muttertierhaltung möglichst konfliktfrei geführt werden kann. Gemäss Aussagen von Fachpersonen können Situationen vor allem dann problematisch werden, wenn Kühe ihr Kalb während der Alpsaison in freier Natur und weitgehend ohne menschlichen Kontakt gebären. Demgegenüber seien Kühe deutlich ruhiger, welche ihr Kalb vor der Alpbestossung geboren haben und somit bereits eine gewisse Gewohnheit haben mit Menschen, die ihrem Kalb in die Nähe kommen. Ein weiterer wichtiger Grund für ein Abkalbeverbot auf den Alpen ist sicher, dass bei allfälligen Geburtskomplikationen die notwendige Geburtshilfe bei diesen extrem scheuen oder aggressiven Tieren auf der Alpweide oftmals unmöglich ist, was aus Gründen des Tierschutzes unhaltbar erscheint.

Auf Grund dieser Ausgangslage scheint es prüfenswert, in den Alpfahrtsvorschriften zukünftig beispielsweise eine Bestimmung aufzunehmen, wonach Kühe, welche erst während der Alpmonate gebären, nicht gealpt werden dürften.

Bezüglich gefährlicher resp. aggressiver Tiere waren im übrigen in früheren Jahren in den damaligen Alpfahrtsvorschriften einzelne Bestimmungen enthalten, auf die in den letzten Jahren nun verzichtet worden ist.

Die Regierung wird um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Teilt die Regierung die Auffassung, dass im Falle eines Auftretens von aggressivem Verhalten von Tieren auf einer Alp unmittelbare Massnahmen notwendig sind?

2. Ist es aus Sicht der Regierung anzustreben, in den Alpfahrtsvorschriften spezielle Bestimmungen bezüglich Muttertierhaltung in beschriebener Art festzulegen?

3. Können die Alpfahrtsvorschriften des Kantons Graubünden bereits für das Jahr 2008 entsprechend angepasst werden?

Chur, 31. August 2007

Name: Jäger

Session: 31.08.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Verbunden mit Umstrukturierungen in der Landwirtschaft gewinnt die Haltung von Mutter- und Ammenkühen zunehmend an Bedeutung. Nach Zahlen der Strukturhebung 2006 werden in Graubünden ca. 10'000 Mutterkühe zur Sömmerung geführt. Die Alpsömmerung stellt auch für diese Tierhaltungen eine nicht unwesentliche Betriebs- und Futtergrundlage dar. Mit der Mutterkuhhaltung wird auch dem Anliegen der Konsumenten nach einer artgerechten Tierhaltung entsprochen. Bei einer solchen Haltungsform ist es aber nicht erstaunlich, dass die Tiere ein tierarteigenes Verhalten zum Ausdruck bringen. Eine Mutterkuh, welche ihr Kalb verteidigt, ist nicht aggressiv, sondern lebt nur ihren natürlichen Beschützungsinstinkt aus. Zudem muss erwähnt werden, dass der Tierhalter grundsätzlich während des Winters im Heimbetrieb den grössten Einfluss hat, die Zutraulichkeit des Einzeltieres zu fördern. Mit der Präsenz im Stall und dem gewählten Umgang mit den Tieren besteht die beste Möglichkeit, die Beziehung Mensch Tier günstig zu beeinflussen. In der Folge wirkt sich dies auch auf das Verhalten des Einzeltieres während der Alpsömmerung aus. Das individuelle Verhalten des Muttertieres steht dann nicht nur in alleinigem Bezug zum Ereignis der Abkalbung während der Alpsömmerung.

Die Fachmeinungen betreffend Abkalbungen auf Alpen gehen auseinander. Zu den Vorteilen einer in die Weidezeit (Alpung) fallenden Abkalbung zählen das Brechen der Angebotsspitzen im Fleischmarkt, keine Begünstigung von Kälberkrankheiten und Vorteile in der Direktvermarktung. Andererseits können Mutterkühe mit neugeborenen Kälbern - ohne entsprechende Vorsichtsmassnahmen - das Risiko für Unfälle mit Alppersonal und Touristen erhöhen. In denselben Problemkreis fallen sicherlich auch der erschwerte Umgang mit den Tieren durch das Alppersonal oder die erschwerte Zugänglichkeit der Tiere für tierärztliche Behandlungen. Umso mehr sind die Alpbetriebe gefordert, entsprechende Infrastrukturen bereit zu stellen, um den sicheren Umgang im Speziellen mit abkalbenden (z.B. separate Koppel für abkalbende Tiere) oder Mutterkühen zu gewährleisten, die frisch gekalbt haben und um den Vorgaben aus den Alpfahrtsvorschriften nachzukommen, für die Untersuchung und Behandlung von Tieren geeignete Vorrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Das der Gesellschaft nicht vertraute Verhalten von Mutterkühen kann nicht unterbunden werden durch das Verbot von Abkalbungen während der Alpsömmerung. Vielmehr sind die Alpbetreiber gefordert, die bestmöglichen Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen sei dies im Interesse eines reibungslosen Alpbetriebes oder aber auch zum Schutz von Wanderern, welche sich in die Nähe von Mutterkuhherden begeben. Dies bedingt jedoch auch, dass sich Wanderer an die auf Hinweistafeln aufgeführten Verhaltensregeln halten. Noch viel mehr ist der einzelne Mutterkuhhalter gefordert, mit dem nötigen Aufwand während der Wintermonate eine nützliche Tier-Mensch-Beziehung aufzubauen, welche den Umgang mit den Tieren auch während der Alpsömmerung erleichtert.

Frage 1: Mit dem Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof ist eine Fachstelle gegeben, welche in Zusammenarbeit mit dem Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit und weiteren Fachkreisen die Entwicklungen in Mutterkuhherden auch auf den Alpen überwacht, im Bedarfsfall einschreitet und die nötigen Schritte einleitet. Ferner hat sich in Graubünden bereits im Jahr 2005/2006 eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe der Problematik im Zusammenhang mit Mutterkühen und Unfällen auf den Alpen angenommen. In Form von Merkblättern und Hinweistafeln konnten verschiedene Informationskampagnen gestartet werden, sei dies seitens der Landwirtschaft selber oder auch der Arbeitsgemeinschaft Bündner Wanderwege. Mit diesen Informationshinweisen werden unter anderem Wanderer zu einem Verhalten angehalten, durch welches die Gefahren bei der Begegnung mit Mutterkuhherden auf Alpweiden stark minimiert werden. Für einen reibungslosen Alpbetrieb steht es den Alpgenossenschaften zudem offen, vorab verhaltensauffällige Mutterkühe von der Alpung auszuschliessen und in den Heimbetrieb zurückzuweisen.

Fragen 2 und 3: Die in den Alpfahrtsvorschriften festgehaltenen Bestimmungen, dass auf Alpbetrieben die nötigen Infrastrukturen zur Behandlung und Untersuchung von Tieren bereit zu stellen sind, sollen beibehalten werden.
In Anbetracht der geschilderten Ausgangslage wird jedoch davon abgesehen, weitere Bestimmungen zur Sömmerung von Mutterkuhherden zu erlassen. Dies zumal im Verbot der Abkalbung von Mutterkühen auf den Alpen nicht der nötige Nutzen gesehen wird und die Abkalbung nur einen Teilaspekt der ganzen Problematik darstellt. Vielmehr müssen durch Empfehlungen und gezielte Informationen (oder Informationskampagnen) alle Beteiligten, nämlich Wanderer, Alppersonal und Tierhalter, dazu angehalten sein, ihren Beitrag zu leisten, damit die Alpsömmerung von Mutterkühen mit möglichst geringem Gefahrenrisiko positiv gestaltet werden kann, dies in einem Kanton, in dem der Alpsömmerung und dem Tourismus grosse Bedeutung zukommen.

Datum: 19. Oktober 2007