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Session: 21.04.2009
Vieles deutet darauf hin, dass es in der Schweiz in den kommenden Jahren im Bereich des Gesundheitswesens zu einem noch grösseren Mangel an Fachpersonal kommen wird, als er heute vielerorts schon spürbar ist. Ende Februar 2009 wurden die Ergebnisse einer Bestandesaufnahme des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) veröffentlicht, welche im Auftrag der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) erstellt worden war.

Gemäss dieser Bestandesaufnahme arbeiteten im Jahr 2006 in der Schweiz fast 200’000 Personen (rund 140’000 Vollzeitstellen) in den Spitälern (60%), in Alters- und Pflegeheimen (30%) sowie in den Spitex-Organisationen (10%). Mehr als drei Viertel der genannten Fachpersonen sind im Pflegebereich tätig. Knapp mehr als 10% verfügen über eine universitäre Ausbildung. Dies sind primär Ärztinnen und Ärzte. Der Rest umfasst den Bereich Medizinaltechnik oder weitere spezifische Fachrichtungen des Gesundheitswesens sowie Mitarbeitende ohne Berufsausbildung.

Bereits heute können die zur Sicherung des aktuellen Personalbestandes notwendigen Ausbildungszahlen nicht erreicht werden. Sie liegen beispielsweise bei der Pflegeausbildung auf höherer Fachstufe bis zu 50% unter den Planungswerten. Beim Medizinstudium gilt an den Schweizer Hochschulen weiterhin ein Numerus clausus, während gleichzeitig die Anzahl ausländischer Ärztinnen und Ärzte laufend zunimmt.

Laut den Bevölkerungsprognosen des Bundesamtes für Statistik (BFS) dürfte in der Schweiz der Anteil der 65-Jährigen und Älteren bis 2020 um 400’000 Personen (+34%) zunehmen, während jene der 20- bis 64-Jährigen wahrscheinlich lediglich um 200’000 Personen (+4%) wachsen wird. In ihrer Prognose erwartet die Obsan bis ins Jahr 2020 darum einen gegenüber heute um 13% gesteigerten Personalbedarf. Damit dürften die bereits heute bestehenden erheblichen Rekrutierungsschwierigkeiten in diversen Berufen des Gesundheitswesens noch deutlich zunehmen. Diese Entwicklung wird in Kantonen wie Graubünden, welche derzeit eine besonders ungünstige demografische Entwicklung aufweisen, zu wohl noch grösseren Problemen führen als im nationalen Durchschnitt.

Am stärksten wird der Personalbedarf in den Einrichtungen der Langzeitpflege und in den Spitex-Diensten zunehmen. Diese Entwicklung erklärt sich durch die starke Zunahme der 80-jährigen und älteren Bevölkerung, die wichtigste Zielgruppe für die entsprechenden Leistungen. Und gerade in den Einrichtungen und Institutionen dieses Bereichs werden aktuell den überwiegend weiblichen Fachpersonen eher wenig attraktive Anstellungs- und Lohnbedingungen gewährt.

Die Regierung wird um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Welche Auswirkungen könnte der schweizweit prognostizierte Mangel an Fachkräften auf das Bündner Gesundheitswesen haben?

2. Welches ist der prognostizierte Bedarf an zukünftigem Fachpersonal im Kanton Graubünden (FAGE/FABE, Pflegefachfrauen/männer HF, Arztpersonen etc.) bis zum Jahre 2015 und bis zum Jahr 2020?

3. Wie viele Lehrstellen sind nötig, resp. fehlen, um die nötige Anzahl Pflegepersonen auszubilden und was gedenkt die Regierung gegen den Mangel an Lehrstellen zu tun?

4. Wie viele stehen demgegenüber aktuell in Ausbildung?
a) im Ausbildungsbereich Fachangestellte Gesundheit oder Fachangestellte Betreuung?
b) im Ausbildungsbereich Pflegefachfrau/mann HF?

5. Wie gut und wo (Graubünden, CH, Ausland) ist das Gesundheitspersonal in den Spitälern/Heimen/Spitex des Kantons Graubünden ausgebildet worden und entspricht diese Ausbildung den schweiz. Qualitätsstandards?
Falls diese Zahlen nicht bekannt sind, ist die Regierung bereit, eine Statistik zu erstellen?

6. Welche Massnahmen wären generell nötig, um die Berufe im Gesundheitswesen genügend attraktiv zu gestalten, nachdem z.B. eine Studie aus Deutschland aufzeigt, dass unter den 25 meistgenannten nichtakademischen Wunschberufen die Pflege nicht vorkommt?

7. Ist die Regierung bereit, zur Attraktivitätssteigerung der Gesundheitsberufe die Entlöhnung während der Ausbildung zu verbessern?

Chur, 21. April 2009

Bucher-Brini, Pfiffner-Bearth, Peyer, Arquint, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Brüesch, Bundi, Cahannes Renggli, Candinas, Casty, Cavigelli, Christoffel-Casty, Claus, Darms-Landolt, Dermont, Fasani, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Jaag, Jäger, Kleis-Kümin, Koch, Loepfe, Märchy-Michel, Marti, Menge, Meyer Persili (Chur), Nick, Niederer, Noi-Togni, Pfenninger, Portner, Quinter, Sax, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Furrer-Cabalzar, Locher Benguerel, Michel (Chur)

Session: 21.04.2009
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die in der Anfrage angesprochene Bedarfsabklärung des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) hat primär die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf den Fachpersonalbedarf im Gesundheitswesen bis 2020 differenziert nach Ausbildungsniveau (Skill-Mix) untersucht. Danach steigt bei unveränderter Produktivität und Erwerbsquote schweizweit der Bedarf um 25'000 Personen, schwergewichtig in den Pflege- und Therapieberufen.

Für die Rekrutierung und Ausbildung des Nachwuchses in den Pflege- und Therapieberufen sind in erster Linie die Betriebe (Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Spitex-Dienste) und die Ausbildungsstätten des Gesundheitswesens zuständig. Die Ausbildungsstätten haben ihre Ausbildungskapazitäten auf den zunehmenden Bedarf an Pflege- und Therapiepersonal auszurichten. Die Betriebe ihrerseits haben zu diesem Zweck einerseits eine genügende Zahl von Lehrstellen für die Ausbildung als Fachangestellte Gesundheit und als Fachangestellte Betreuung, andererseits eine genügende Zahl von Praktikumsstellen für Studierende an Höheren Fachschulen bereit zu stellen und die praktische Ausbildung des beruflichen Nachwuchses und der HF-Studierenden zu gewährleisten. Den Betrieben und den Ausbildungsstätten obliegt es, mit geeigneten Massnahmen interessierte Bewerber für die Ausbildungsplätze zu gewinnen und dem Kanton geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:

1. Mögliche Auswirkungen eines Mangels an Fachkräften könnten die Besetzung der Stellen mit ungenügend qualifiziertem Personal, die Schliessung von Spitalabteilungen, die Reduktion der Operationsprogramme wie auch die verstärkte Personalrekrutierung im Ausland sein.

2. Unter der Annahme einer Verkürzung der Hospitalisationsdauer und einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der älteren Bevölkerung prognostiziert das Referenzszenario von Obsan einen Mehrbedarf an Pflegeleistungen und damit an Pflegepersonal im Kanton bis ins Jahr 2015 um 7% und bis im Jahr 2020 um 13%. Eine Unterteilung nach Ausbildungsniveau erachtet die Regierung angesichts der von zahlreichen unsicheren Annahmen abhängigen Prognosen als wenig sinnvoll.

3. Zur Frage des Ausbildungsbedarfs können keine aussagekräftigen Angaben gemacht werden. Der Bedarf an auszubildenden Personen hängt in erheblichem Mass von der Dauer der Berufsausübung, der Personalfluktuation und dem Skill-Mix ab. Diese Aspekte sind in den aktuellen Statistiken kaum dokumentiert. Die Bereitstellung einer genügenden Anzahl Lehrstellen ist in erster Linie Sache der Betriebe. Die Regierung verweist im Übrigen auf ihre Antwort zu den Fragen 6 und 7.

4. Aktuell, das heisst im Schuljahr 2008/09, befinden sich inner- oder ausserkantonal in Ausbildung:
a) im Ausbildungsbereich Fachangestellte Gesundheit: 209 Personen;
b) im Ausbildungsbereich Fachangestellte Betreuung: 76 Personen;
c) im Ausbildungsbereich Pflegefachfrau/mann HF: 68 Personen (1. und. 2. Ausbildungsjahr).

5. Das im Kanton tätige Gesundheitspersonal ist gut ausgebildet. Die qualitativen Anforderungen an das Personal in den Pflegeheimen und Spitexorganisationen sind in der Verordnung zum Gesundheitsgesetz geregelt. Im Ausland erworbene Ausbildungen werden entsprechend den eidgenössischen Vorgaben anerkannt.

6./7. Ein Patentrezept für die Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe gibt es nicht.
Das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit hat zur Erarbeitung von Massnahmen gegen den drohenden Personalmangel die beteiligten Partner zu einem „Runden Tisch“ eingeladen. Die Regierung ist bereit, daraus hervorgehende Vorschläge zur Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe wie auch zur Verbesserung der Entlöhnung während der Ausbildung zu prüfen. Ein Thema des „Runden Tisches“ wird auch die Behebung des in Frage 3 angesprochenen Mangels an Lehrstellen bilden.

Datum: 29. Juni 2009