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Session: 08.12.2009
Die demografische Entwicklung in Graubünden stellt auch für die Volkschule und ihre Strukturen in Graubünden eine Herausforderung dar. In den nächsten Jahren muss besonders in der Peripherie mit deutlich tieferen Schülerzahlen gerechnet werden. Graubünden und die Volksschule in dünner besiedelten Gebieten mussten aber auch schon in früheren Zeiten mit geringeren Schülerzahlen umgehen. Eine anerkannte und erfolgreiche Schulform um Schulen auch mit tiefen Schülerzahlen in den Dörfern aufrecht zu erhalten war und ist der Mehrklassenunterricht.

Die moderne Pädagogik geht nun einen Schritt weiter und propagiert das jahrgangsübergreifende (oder altersgemischte) Lernen in der Volksschule. Was früher aus der Not geboren war, wird nun zum pädagogischen Konzept. Damit können die unterschiedlichen Entwicklungsstände der Kinder und Jugendlichen mit einem geeigneten Unterrichtsmodell aufgefangen werden. Das Modell vereint zusätzlich die bekannten Vorteile des Mehrklassenunterrichtes mit moderner Pädagogik. Graubünden ist von der demografischen Entwicklung und den topographischen Voraussetzungen her prädestiniert, diese Unterrichtsform zu fördern. Mit der pädagogischen Hochschule besitzen wir die besten Voraussetzungen, um in Form von begleiteten Schulversuchen ein Kompetenzzentrum für diese Schulform in der Schweiz zu werden. In Zürich, Bern und Thurgau gibt es bereits sehr erfolgreiche Projekte mit altersgemischtem Lernen in der Volksschule. Ein Ausbildungsstandort für Lehrpersonen, der sich darauf spezialisiert, fehlt aber in der Schweiz.

In der bevorstehenden Schulgesetzesrevision soll und muss mehr Platz für innovative Lern- und Unterrichtsformen geschaffen werden. Durch die Verzögerung der Revision dürfen aber nicht Chancen für die Schule, die Pädagogische Fachhochschule und die Gemeinden verpasst werden.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf, Schulversuche mit altersübergreifendem Lernen zuzulassen und die Pädagogische Hochschule mit der Führung dieser Schulversuche zu beauftragen.

Chur, 8. Dezember 2009

Claus, Berther (Disentis), Butzerin, Arquint, Augustin, Barandun, Baselgia-Brunner, Berni, Bezzola (Samedan), Brandenburger, Brantschen, Buchli, Cahannes Renggli, Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Dermont, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Geisseler, Jäger, Jenny, Loepfe, Marti, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Nick, Nigg, Pfäffli, Pfenninger, Ragettli, Toschini, Trepp, Tscholl, Vetsch (Pragg-Jenaz), Brasser, Cattaneo, Schädler

Antwort der Regierung

Betreffend das „altersgemischte Lernen“ sind die Definitionen und Beschreibungen in der Literatur uneinheitlich. Sie reichen von punktuellen klassenübergreifenden Lerneinheiten in Mehrklassenschulen über klassengemischtes Lernen in Kombiklassen (z.B. 1./2. Primarklasse, unter Beibehaltung der Jahrgangseinteilung) bis hin zur vollständigen Auflösung der Jahrgangsklassen. Für die Diskussion über altersgemischtes Lernen in der Bündner Volksschule spielt die Gliederung in Jahrgangsklassen und Schultypen eine zentrale Rolle.

Gemäss Schulgesetz ist die Volksschule auf Schultypen (Primarschule, Kleinklassen, Realschule, Sekundarschule) sowie auf Jahrgangsklassen aufgebaut. Jedes Kind ist während seiner ganzen Volksschulzeit immer einem Schultyp und einer Klasse zugeordnet. Dieses existentiell wichtige Grundprinzip spiegelt sich auf allen Ebenen der Schulgesetzgebung und der Schulorganisation. Die Lehrpläne, die Lehrmittel, die Zeugnisse sowie die Schnittstellen zwischen den einzelnen Schultypen und Klassen sind entsprechend konzipiert. Basierend auf dieser klaren Gliederung ist eine geregelte Zusammenarbeit unter einzelnen Schultypen und Klassen möglich bzw. im Sinne von Art. 4 Abs. 2 des Schulgesetzes sogar erwünscht.

Innerhalb des vom Schulgesetz abgesteckten Rahmens bestimmen die einzelnen Trägerschaften, ob, in welcher Form und mit wem sie Schulentwicklungs- oder Forschungsprojekte durchführen wollen. Wichtig ist, dass ein solches Projekt sowohl während seiner Laufzeit als auch in Bezug auf seine Zielsetzung sich immer innerhalb der gesetzlichen Vorgaben bewegt. Ist dies der Fall, bedürfen Schulentwicklungs- und Forschungsprojekte keiner offiziellen Genehmigung durch den Kanton. Unter Einhaltung dieser Rahmenbedingungen stehen die Bündner Volksschulen der Pädagogischen Hochschule Graubünden bereits heute für Forschungsarbeiten – auch betreffend altersgemischtes Lernen – offen. Damit aber auch bei solchen Projekten, welche von der jeweiligen Schulträgerschaft initiiert und verantwortet werden, keine Terminkollisionen entstehen, ist das zuständige Amt darauf angewiesen, dass es rechtzeitig über Planung und Beginn dieser Vorhaben informiert wird.

Schulentwicklungs- oder Forschungsprojekte hingegen, deren Verlauf und/oder Zielsetzungen die schulgesetzlichen Grenzen überschreiten, sind nur im Rahmen eines Schulversuchs möglich. Gemäss Art. 6 des Schulgesetzes kann die Regierung im Einvernehmen mit dem zuständigen Schulrat befristete Schulversuche gestatten und an solche Versuche Beiträge ausrichten. Im Sinne dieser Regelung müsste also für ein Forschungsprojekt, welches die Zuordnung der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu einer Schulstufe und/oder Klasse teilweise oder ganz aufheben möchte, ein Schulversuch beantragt werden. Dem entsprechenden Antrag an die Regierung wäre ein detailliertes Konzept beizulegen, aus welchem u.a. klar hervorgeht, welcher Stellenwert dem angestrebten Schulversuch in Bezug auf das ganze Bündner Schulsystem zukäme und welche kurz- bzw. längerfristigen Konsequenzen die während der Versuchszeit geplante Aufhebung der Schultypen und Klassen für die direkt betroffenen Schülerinnen und Schüler hätte (Promotion, Übertritte ins Gymnasium etc.). In Kenntnis all dieser Faktoren könnte dann die Regierung über Annahme oder Ablehnung des Schulversuchs entscheiden.

Gemäss geltendem Recht kann also die Regierung bereits heute Schulversuche, welche den gesetzlichen Rahmen überschreiten, bewilligen. Während der Laufzeit eines Schulversuchs liegt die Verantwortung für die einzelne Schule bei der jewei-ligen Schulträgerschaft. Die Regierung ist bereit, den Auftrag entgegen zu nehmen mit dem Antrag, diesen gemäss Art. 68 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Grossen Rates direkt abzuschreiben, da er bereits erfüllt ist.

11. März 2010