Navigation

Inhaltsbereich

Session: 08.12.2009
Gestützt auf eine konservative Schätzung der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) leben in der Schweiz ca. 100‘000 Kinder und Jugendliche mit einem alkoholabhängigen Elternteil. Mit ihren Sorgen stehen diese Kinder oft alleine da, weil ihre Situation kaum wahrgenommen wird und es für sie vor Ort nur wenige Hilfsangebote gibt. Selbst wenn alkoholabhängige Eltern in Behandlung sind, fragt oft niemand nach den Kindern. Das Trinken des alkoholabhängigen Elternteils bestimmt jedoch massiv den Alltag dieser Kinder und die elterliche Fürsorge ist unberechenbar. Oft sind betroffene Kinder auf sich allein gestellt oder müssen sogar noch für die Eltern sorgen. Viele Kinder schämen sich für ihre Eltern und getrauen sich nicht mehr, Freundinnen und Freunde mit nach Hause zu nehmen. Soziale Isolation kann die Folge davon sein. Kinder aus alkoholbelasteten Familien tragen zudem gemäss der SFA ein sechsfach höheres Risiko, selbst eine Alkoholkrankheit zu entwickeln.

Laut Auskunft des ZEPRA (Dienstleistungsbetrieb für Prävention und Gesundheit in unserem Kanton) besteht in unserem Kanton tatsächlich eine Lücke in diesem Bereich. Es gibt keine konkrete Anlaufstelle für betroffene Kinder oder ein entsprechendes Projekt. Dasselbe bestätigen mir verschiedene Lehrpersonen und Kinderärzte.
 
Die Unterzeichnenden bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Ist man sich bei den entsprechenden Fachpersonen in unserem Kanton der genannten Problematik bewusst?

2. Falls ja, besteht eine Kooperation zwischen den Fachpersonen aus dem schulischen, sozialen, medizinischen und therapeutischen Umfeld?

3. Sind in unserem Kanton konkrete Projekte oder Hilfsangebote für betroffene Kinder und Jugendliche in Planung?

Chur, 8. Dezember 2009

Meyer Persili (Chur), Jäger, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Arquint, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Brüesch, Bucher-Brini, Buchli, Cahannes Renggli, Campell, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Caviezel (Pitasch), Caviezel-Sutter (Thusis), Christoffel-Casty, Claus, Darms-Landolt, Dermont, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hardegger, Jaag, Kleis-Kümin, Krättli-Lori, Kunz, Menge, Noi-Togni, Parolini, Peer, Peyer, Pfiffner-Bearth, Pfister, Righetti, Stoffel (Hinterrhein), Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Vetsch (Pragg-Jenaz), Furrer-Cabalzar, Largiadèr

Antwort der Regierung

Kinder von alkoholkranken Eltern leiden massiv unter der Alkoholabhängigkeit ihrer Eltern. Daraus können lang wirkende seelische oder körperliche Leiden entstehen. In der Schweiz leben gemäss dem Nationalen Programm Alkohol 2008-2012 je nach Schätzung bis zu 110'000 Kinder an der Seite mindestens eines Elternteils mit problematischem beziehungsweise abhängigem Alkoholkonsum. Verschiedene Studien belegen die grossen psychischen und sozialen Belastungen, denen die Kinder von Alkoholabhängigen ausgesetzt sind. Bei den betroffenen Kindern besteht nachweislich auch eine erhöhte Gefahr, später selber einen problematischen Umgang mit Alkohol zu entwickeln.
 
Das Nationale Programm Alkohol 2008-2012 postuliert entsprechend, dass für Kinder und Jugendliche zum Schutz vor psychischer und physischer Beeinträchtigungen möglichst niederschwellige Hilfsangebote bereitgestellt werden. Zu diesem Zweck sollen die Angebots- und Informationslücken für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien geschlossen werden. Alle betroffenen Kinder und Jugendlichen sollen eine altersgerechte Unterstützung zur Bewältigung ihrer psychischen und sozialen Belastungen erhalten. Fachleute aus Alkohol- und Suchtberatungsstellen, aus der Jugendarbeit, aus Sozialdiensten und Vormundschaftsbehörden sollen für die Thematik sensibilisiert und qualifiziert werden. Die Angebote sollen zielgruppengerecht bekannt gemacht werden mit dem Ziel einer vermehrten und rechtzeitigen Inanspruchnahme von Beratungsangeboten durch unterstützungsbedürftige Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien.
 
Die Regierung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:
 
1. Die Fachstellen und Fachpersonen im sozialen und psychiatrischen Bereich wie auch im Vormundschaftsbereich sind sich der Problematik der Auswirkungen der Alkoholabhängigkeit von Eltern auf ihre Kinder bewusst. Ebenso hat die Regierung bereits in der Anhörung zum Nationalen Programm Alkohol 2008-2012 Anfang 2008 darauf hingewiesen, dass Massnahmen, die Kinder und Jugendliche in alkoholbelasteten Familien betreffen, zu priorisieren sind.
 
2. Ja. Die Beratung der Kinder durch die regionalen und spezialisierten kantonalen Sozialdienste (Fachstelle Kindesschutz/Sozialdienst für Suchtfragen) erfolgt, wo angezeigt, disziplinenübergreifend unter Einbezug von Ärzten, Therapeuten sowie Schul- und Erziehungsberatern. Die PDGR ihrerseits unterstützen die Kinder stationär oder ambulant behandelter alkoholkranker Eltern durch den Einbezug der Sozialdienste der Kliniken und der regionalen Sozialdienste. Je nach dem erfolgt auch eine Meldung an die zuständige Vormundschaftsbehörde.
 
3. Das Sozialamt erarbeitet zurzeit ein Konzept für ein kantonales Alkoholprogramm zur Umsetzung des Nationalen Alkoholprogramms 2008-2012 auf kantonaler Ebene. In diesem Zusammenhang wird insbesondere geprüft, inwieweit zusätzliche Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche notwendig sind. An dieser Arbeit sind alle wichtigen Organisationen aus den Bereichen der Prävention, Sozialberatung und Therapie beteiligt.
 
Aktuell ist derzeit vorgesehen, durch eine Informationskampagne über die Problematik der Kinder und Jugendlichen in alkoholbelasteten Familien zu orientieren und zu sensibilisieren. Weiter ist geplant, spezielle Beratungskonzepte zu entwickeln. Schliesslich sollen Mitarbeitende in den Bereichen Schule, Kindergarten, Medizin, Psychiatrie sowie soziale Dienste und Vormundschaft zur in Frage stehenden Problematik sensibilisiert werden.
 
Die PDGR und der KJPD erarbeiten zurzeit ein Betreuungskonzept für Kinder von wegen psychischer Krankheit hospitalisierter Eltern. Dadurch sollen zumindest in einem beschränkten Umfang auch Kinder suchtkranker Eltern erfasst werden.
 
Der Vorstand des Vormundschaftsverbandes Graubünden plant im laufenden Jahr, die Problematik der Kinder alkoholkranker Eltern im Rahmen einer Informationsveranstaltung für private Mandatsträger zu thematisieren.

17. März 2010