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Session: 19.04.2011
Im Rahmen der NFA-Debatte anlässlich der Aprilsession 2009 wurde unter anderem die Haftung des Kantons für Verbindlichkeiten der Gemeinden thematisiert. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es eine unterschiedliche Auslegung dieser Frage, die Auslegung der Banken war ebenfalls nicht einheitlich, was sich auf das Rating und die Finanzierungskosten sowie Finanzierungsmöglichkeiten der Gemeinden niederschlug.

Die Verantwortlichen der GKB gingen bis zur erwähnten Debatte der Aprilsession 2009 von einer Haftung des Kantons für Verbindlichkeiten der Gemeinden aus, dies basierend auf der Antwort der Regierung zur Interpellation Suenderhauf vom März 1999 und Interpellation Schmid im Oktober 2000. Darin hielt die Regierung fest, dass „auf Grund der Aufsichtsbefugnisse des Kantons diesem eine Verantwortlichkeit für das Finanzverhalten der Gemeinden und damit de facto auch eine subsidiäre Haftung für Verbindlichkeiten der Gemeinden zukomme“. Damit bestätigte die Regierung zumindest indirekt die Auffassung, dass eine subsidiäre Haftung des Kantons für die Verbindlichkeiten der Gemeinden bestehe und sich diese aus der Aufsichtspflicht des Kantons ableiten liesse. Die Bündner Gemeinden profitierten somit von dieser nicht ausgesprochenen und nicht expliziten Staatsgarantie, die aber in der Antwort der Regierung enthalten war. Entsprechend war die Auslegung bei der GKB, was auf die Kreditfähigkeit und damit die Finanzkosten der Gemeinde Auswirkungen hatte.

Anlässlich der Aprilsession 2009 führte Regierungsrat Schmid explizit aus, dass keine Haftung des Kantons für Verbindlichkeiten der Gemeinden besteht. Im entsprechenden Protokoll wird Regierungsrat Schmid wie folgt zitiert: „Ist oder wäre eine Bank bisher davon ausgegangen, dass der Kanton für die von der Gemeinde aufgenommenen Schulden haftet, dann unterliegt sie einem Irrtum.“ Bestätigt wurde diese Praxis bereits im Jahre 2003 vom Bundesgericht. Am 3. Juli 2003 wies das Bundesgericht mehrere an den Kanton Wallis gerichtete Klagen ab und vermied damit ein «Bail-out». Der Kanton Wallis musste nicht für die Schulden der zahlungsunfähig gewordenen Gemeinde Leukerbad aufkommen. Es wurde das ordentliche Verfahren gemäss dem am 4. Dezember 1947 erlassenen «Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts» (GSchG) bestätigt, wonach keine Haftung des Kantons für kommunale Verbindlichkeiten besteht.

Aufgrund dieser Ausführungen sowie aufgrund der Aussagen der Verantwortlichen der GKB im Vorfeld der NFA-Debatte im Jahre 2009 ist davon auszugehen, dass die Banken nach der Aprilsession 2009 eine Neubeurteilung der Bonität der Gemeinden vorgenommen haben, basierend auf deren Potenzial und deren finanziellen Situation.

Die Unterzeichnenden bitten die Regierung um Beantwortung folgender Fragen im Zusammenhang mit der aufgeführten Problematik:

1. Hat die Regierung eine Veränderung der Bonität der Gemeinden beobachtet?

2. Hat die Regierung Veränderungen beim Finanzierungsaufwand, bei den Finanzierungsmöglichkeiten sowie beim Rating der Gemeinden als Folge des oben erwähnten Sachverhalts festgestellt?

3. Falls Veränderungen festgestellt wurden, kann die Regierung eine Aussage bezüglich Anzahl der betroffenen Gemeinden machen?

4. Sind der Regierung Gemeinden bekannt, welche aufgrund des oben aufgeführten Sachverhalts keine Kredite erhielten? Falls ja, welche Kreditbegehren blieben unerfüllt?

5. Besteht nach Ansicht der Regierung Handlungsbedarf, um den Gemeinden die Finanzierung der ihr übertragenen Aufgaben zu sichern?

Chur, 19. April 2011

Caduff, Geisseler, Albertin, Augustin, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Camischolas), Blumenthal, Bondolfi, Caluori, Candinas, Casutt-Derungs, Cavegn, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Fallet, Florin-Caluori, Foffa, Joos, Kleis-Kümin, Kollegger (Malix), Märchy-Caduff, Niederer, Parpan, Righetti, Sax, Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Zanetti, Vincenz

Antwort der Regierung

Die Anfrage stellt die Sach- und Rechtslage korrekt dar. Nicht zuletzt die juristische Bewältigung des Falles Leukerbad hat zur abschliessenden Klärung beigetragen. Es besteht keine Haftung des Kantons für die Verbindlichkeiten der Gemeinden.

Aus Gründen der Transparenz schlug die Regierung im Rahmen der Bündner NFA vor, den Haftungsausschluss für Gemeindeverbindlichkeiten explizit zu statuieren (vgl. Botschaft Heft Nr. 20/2008-2009, S. 1200). Obwohl die Bündner NFA am 7. März 2010 vom Volk abgelehnt wurde, ändert sich an der Rechtslage nichts.

Über das Finanzausgleichssystem erhalten die Gemeinden genügend Mittel, um in der Regel ihren Finanzhaushalt im Gleichgewicht halten zu können. Für unverschuldete und nicht beeinflussbare Lasten können zusätzliche Mittel (Sonderbedarf) ausgelöst werden, zu deren Berechtigung jedoch ein minimaler Steuerfuss von 130 Prozent der einfachen Kantonssteuer sowie der Maximalansatz bei weiteren Steuerarten notwendig sind. Weiter gehende Leistungen des Kantons z.B. in Form von Defizitgarantien oder dergleichen würden zu voraussehbaren Fehlanreizen führen und dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz entgegen laufen. Solche Fehlanreize können zu schwerwiegenden Verschuldungskrisen führen, wie es sich jetzt im europäischen Umfeld zeigt.

Die Finanzlage in den Bündner Gemeinden kann aktuell gesamthaft als gut bezeichnet werden. Das verfügbare Vermögen pro Einwohner wuchs im Jahr 2009 (letztes vollständig ausgewertetes Rechnungsjahr) gegenüber dem Vorjahr nochmals leicht an, nämlich von 323 auf 449 Franken. Im Jahr 2000 wiesen die Gemeinden im Mittel noch eine Nettoschuld von 2'255 Franken pro Einwohner auf. Auch die beiden Kennzahlen Kapitaldienst- und Zinsbelastungsanteil verbesserten sich erneut gegenüber dem Vorjahr. Die Gemeinden gehen über ihre Gesamtheit betrachtet verantwortungsvoll mit ihren Finanzen um. Bis heute ist noch nie eine Gläubigerbank einer Bündner Gemeinde zu Schaden gekommen. Die Gemeinden gelten bis heute für die Banken als verlässliche Partner.

Zu den Fragen:

1. Die Regierung hat keine Veränderung der Bonität der Gemeinden beobachtet. Die Regierung hat jedoch keinen Einblick in die Ratings der Banken für die einzelnen Gemeinden.

2. Grundlegende Veränderungen beim Finanzierungsaufwand, bei den Finanzierungsmöglichkeiten sowie beim Rating der Gemeinden als Folge des oben erwähnten Sachverhalts wurden nicht festgestellt. Die Kreditkonditionen haben sich in jüngster Vergangenheit nicht verschlechtert. Für die Banken ist und bleibt die Gemeindefinanzierung ein attraktiver und sicherer Markt. Es kommt immer wieder vereinzelt vor, dass Finanzierungsinstitute Kreditbegehren finanziell kritischer Gemeinden abschlägig beantworten. Die Erfahrung zeigt, dass andere Kreditinstitute in solchen Fällen in die Lücke treten und damit selbstverständlich auch bereit sind, ein höheres Risiko zu tragen. Die Anzahl davon betroffener Gemeinden bewegt sich im Rahmen der vergangenen Jahre.

3. Da keine Veränderungen festgestellt wurden, kann keine Aussage gemacht werden.

4. Nein.

5. Aus der Sicht der Regierung besteht kein Handlungsbedarf. Sie wird sich im Rahmen der Neuauflage der Bündner NFA oder der Totalrevision des Gemeindegesetzes erneut mit der präventiv wirkenden Aufsicht befassen. Ziel des kantonalen Aufsichtsinstrumentariums ist es, möglichst frühzeitig finanzielle Fehlentwicklungen in den Gemeinden erkennen und die Gemeinden zu einem haushälterischen Mitteleinsatz bewegen zu können.

23. Juni 2011