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Session: 24.10.2012
„Wenn in Europa alle Dämme brechen, wird auch die Schweiz mehr oder weniger stark unter Wasser stehen“, sagte Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf anlässlich ihrer diesjährigen 1.-August-Ansprache. Und sie spielte damit auf die Möglichkeit an, dass Griechenland und in der Folge allenfalls weitere hoch verschuldete europäische Staaten wie Portugal, Spanien, Irland oder Italien aus der Währungsunion austreten müssten.

Ein Auseinanderbrechen des Euroraumes, was trotz des Inkraftsetzens des dauerhaften Euro-Rettungsschirmes (ESM) nicht ausgeschlossen scheint, hätte damit auch für Graubünden Konsequenzen.

In diesem Sinne ersuchen die Unterzeichnenden die Regierung um die Beantwortung der nachfolgenden Fragen.

1. Welche Folgen hätte ein Auseinanderbrechen des Euroraumes für
a) die Bündner Volkswirtschaft im Allgemeinen?
b) den Staatshaushalt Graubündens?
c) Anstalten des Kantons, wie die Graubündner Kantonalbank, die Pensionskasse des Kantons Graubünden etc.?

2. Welche Strategien verfolgt die Regierung zur allfälligen Abfederung negativer Folgen der Euro-Krise für Graubünden?

3. Hat die Regierung bereits Massnahmen ergriffen oder gedenkt sie, solche zu ergreifen?

Chur, 24. Oktober 2012

Niederer, Hartmann (Chur), Kappeler, Albertin, Augustin, Berther (Disentis/Mustér), Berther (Camischolas), Blumenthal, Bondolfi, Caduff, Casutt-Derungs, Cavegn, Clalüna, Della Vedova, Dermont, Dosch, Fasani, Foffa, Geisseler, Gunzinger, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Kleis-Kümin, Kollegger (Malix), Krättli-Lori, Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Noi-Togni, Parolini, Rosa, Stiffler (Chur) , Tenchio, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Zanetti, Camathias, Degonda, Haltiner, Lauber, Patt (Jenaz), Rischatsch-Casaulta, Schucan

Antwort der Regierung

Ein Austritt einzelner Mitgliedsländer oder auch ein komplettes Auseinanderbrechen des Euroraumes kann nach wie vor nicht ganz ausgeschlossen werden. Allerdings erscheint die Wahrscheinlichkeit aufgrund der Massnahmen der Europäischen Zentralbank etwas weniger gross als noch vor ein paar Monaten. Wie die europäische Schuldenkrise zeigt, sind gesunde Staatsfinanzen für den Erhalt der Handlungsfähigkeit der Staaten sowie derer Gliedstaaten von zentraler Bedeutung. Die Schweiz nimmt in dieser Hinsicht mit der Schuldenbremse eine vorbildliche Rolle ein. Auch der kantonale Finanzhaushalt muss auf die Dauer ausgeglichen sein. Um strukturelle Defizite zu vermeiden, sind mittelfristig die Ausgaben und Einnahmen im Gleichgewicht zu halten.

1a) Die Folgen des Austritts eines einzelnen Landes wären für die Bündner Wirtschaft aufgrund der meist geringen direkten Aussenhandelsverflechtung eher indirekter Natur. Ein Auseinanderbrechen des Euroraumes würde die gesamte Europäische Union in eine Rezession stürzen. Die Nachfrage aus für Graubünden wichtigen Märkten wie Deutschland ginge als Folge deutlich zurück. Insbesondere mit einer Erholung der touristischen Nachfrage aus den Euro-Ländern könnte mittelfristig nicht gerechnet werden. Die volkswirtschaftlichen Folgen für die Schweiz und entsprechend auch für Graubünden sind jedoch stark davon abhängig, ob die Nationalbank den Euro-Wechselkurs von 1.20 Franken halten kann.

1b) Einnahmeseitig wären starke negative Auswirkungen zu erwarten. Insbesondere bei den Anteilen am Gewinn der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sowie den direkten Bundessteuern wäre bereits kurzfristig mit erheblichen Ausfällen zu rechnen. Mittelfristig müsste von einem Rückgang der Zahlungen aus dem Ressourcenausgleich vom Bund und den Kantonen ausgegangen werden. Aber auch bei den kantonalen Steuern sowie den Erträgen auf Anlagen des Finanzvermögens wären Ausfälle zu erwarten. Aussagen zur mutmasslichen Grössenordnung der Belastung des Kantonshaushaltes insgesamt sind jedoch nicht möglich.

1c) Die Pensionskasse des Kantons Graubünden (KPG) ist angesichts des finanz- und wirtschaftspolitischen Umfeldes vorsichtig positioniert. Von einem Auseinanderbrechen des Euroraumes wäre die KPG natürlich betroffen, allenfalls etwas weniger stark als andere Unternehmen. Die Graubündner Kantonalbank tätigt Auslandengagements mit Zurückhaltung im Rahmen des betrieblich Notwendigen. Die direkten Folgen eines Auseinanderbrechens des Euroraumes wären für die Graubündner Kantonalbank beherrschbar. Die indirekt für die Graubündner Kantonalbank entstehenden finanziellen Konsequenzen sind aus heutiger Sicht kaum abschätzbar.

2. Im Grundsatz ist die bewährte, langfristige und antizyklisch wirkende Finanzpolitik des Kantons weiterzuführen. Staatliche Interventionen zur Bekämpfung wirtschaftlicher Rezessionsphasen sind äusserst zurückhaltend einzusetzen. Mit den finanzpolitischen Richtwerten des Grossen Rates sind klare Vorgaben zur Steuerung des Finanzhaushaltes im Rahmen der jährlichen Budgets gegeben. Der auf 2013 angepasste finanzpolitische Richtwert betreffend Budgetdefizite erlaubt in Zeiten negativen Wirtschaftswachstums im Zusammenhang mit Massnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur während längstens drei Jahren Aufwandüberschüsse bis höchstens 80 Mio. Franken (statt 50 Mio. Franken). Führt die fortlaufende Euro-Krise tatsächlich zu einer rezessiven Phase auch in der Schweiz, stehen somit begrenzt Mittel für Konjunkturfördermassnahmen zur Verfügung, dies unabhängig vom ausgewiesenen Eigenkapital.

3. Derzeit ist die wirtschaftliche Lage der Bündner Wirtschaft mit Ausnahme des Tourismus noch befriedigend. Massnahmen zur Stabilisierung der Bündner Wirtschaft machen nur Sinn, wenn sie in Übereinstimmung mit Konjunkturprogrammen des Bundes getroffen werden. Entsprechend ist die Koordination mit dem Bund anzustreben. Zurzeit ist es nicht möglich, konkrete Massnahmen zu planen.

17. Dezember 2012