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Session: 05.12.2012
Das Schweizerische Bundesgericht hat am 30. Oktober 2012 erkannt (BGer Nr. 4_127/2012 und 4A_141/242), dass vermögensverwaltende Banken sog. Bestandespflegekommissionen (eine Art Retrozession bzw. Rückvergütung) dem Kunden vor dem Hintergrund auftragsrechtlicher Überlegungen herauszugeben haben, sofern der Kunde darauf nicht explizit verzichtet (hat).

1. Erkennt die Regierung einen und ggf. welchen Handlungsbedarf im Nachgang zum genannten Urteil?

2. Erwägen der Kanton bzw. seine kantonalen Anstalten (Pensionskasse, GVG, SVA) gegenüber Banken die Rückvergütung der genannten Retrozessionen zu fordern und wenn ja, zu welchen zusätzlichen Einnahmen würde dies führen?

3. Erwägen der Kanton bzw. seine kantonalen Anstalten (Pensionskasse, GVG, SVA) eine Anpassung der Mandatsverträge mit den Banken anzustreben und – wenn ja – in welchem Sinne?

4. Bestehen Vermögensverwaltungsverträge mit privaten Vermögensverwaltern, die nicht Banken sind? Wie ist die Frage der Retrozessionen dort gelöst?

Chur, 5. Dezember 2012

Tenchio, Nick, Albertin, Blumenthal, Caduff, Caluori, Casanova-Maron, Casty, Casutt, Clavadetscher, Conrad, Della Vedova, Fallet, Fasani, Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Jenny, Kollegger (Malix), Peyer, Pfäffli, Pfenninger, Pult, Righetti, Trepp, Zanetti, Buchli (Felsberg), Degonda, Vincenz

Antwort der Regierung

Mit Urteil vom 30. Oktober 2012 (4A_127/2012) verpflichtet das Bundesgericht eine als Vermögensverwalterin beauftragte Bank, Retrozessionen oder Rückvergütungen, die ihr von Dritten zuflossen, dem Auftraggeber zurück zu erstatten. Das Gericht schloss auch sogenannte Bestandespflegekommissionen und Vertriebsentschädigungen in die Rückerstattungspflicht mit ein, die eine Bank als Vermögensverwalterin beim Erwerb von Anlagefonds und strukturierten Produkten erhält. Voraussetzungen für die Rückerstattung solcher Vergütungen sind das Vorliegen eines Vermögensverwaltungsvertrages und die Zahlung von solchen Gebühren. Das Urteil äussert sich nicht zu Beratungsmandaten und zu beratungsfreien Geschäften. Die Tragweite des Urteils ist zurzeit noch umstritten.

1. Retrozessionen fliessen insbesondere bei Fonds (Geldmarkt-, Obligationen-, Aktien-, Index-, Rohstoff-, Strategiefonds etc. und Exchance Traded Funds), bei Hedge Funds und Alternativen Fonds sowie bei strukturierten Produkten (z. B. Kapitalschutzprodukte, Partizipationsprodukte, Rendite-Optimierungs-Produkte). Der Kanton hält und hielt auch in der Vergangenheit lediglich Direktanlagen, bei denen keine Retrozessionen fliessen. Für den Kanton besteht kein Handlungsbedarf.

Die Kantonale Pensionskasse Graubünden (KPG) ist keine umfassenden Vermögensverwaltungsverträge mit Banken eingegangen. Sie verfügt indessen über einzelne Mandatsverhältnisse mit Vermögensverwaltern. Diese Verhältnisse sind klar umrissen und in einem individuellen Vertrag mit den einzelnen Vermögensverwaltern geregelt. In den einzelnen Verträgen ist Art und Weise der Entschädigung und deren Höhe ausdrücklich geregelt worden. Ferner wurde vereinbart, dass der Beauftragte sämtliche Vermögensvorteile an die KPG abzuliefern hat, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats anfallen. Im Geschäftsbericht der KPG werden die Retrozessionen seit 2008 publiziert (im Jahr 2011 ca. 500 000 Franken). Ein unmittelbarer Handlungsbedarf zur Anpassung der laufenden Verträge ist für die KPG nicht gegeben. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Rechtsauslegung und der Verjährungsfristen prüft die KPG, ob von den betreffenden Finanzdienstleistern noch weitere Ansprüche an Retrozessionen, Kommissionen oder Vertriebsentschädigungen rückwirkend geltend gemacht werden können.

Die Gebäudeversicherung Graubünden (GVG) und die Sozialversicherungsanstalt Graubünden (SVA) verwalten ihre Wertschriften mehrheitlich selbst und wickeln den Handel vornehmlich über die drei Platzbanken Graubündner Kantonalbank (GKB), UBS und CS ab, welche hauptsächlich als Depotbanken im Auftragsverhältnis agieren. Es bestehen aber auch Vermögensverwaltungsmandate. Die GVG und die SVA stehen mit den Banken betreffend Rückvergütung von Retrozessionen in Kontakt. Resultate liegen noch keine vor.

2. Für den Kanton gibt es aus heutiger Sicht keine Rückforderungen. Betreffend die KPG, die SVA und die GVG laufen bereits die Abklärungen bei den betroffenen Banken. Zahlen liegen keine vor.

3. Für den Kanton und die KPG sind keine Anpassungen von Verträgen notwendig. Die SVA und GVG werden voraussichtlich neue Vereinbarungen abschliessen.

4. Der Kanton, die SVA und die GVG haben keine Mandatsverträge mit privaten Vermögensverwaltern abgeschlossen. Bei der KPG bestehen solche Verträge. Das Thema Retrozessionen ist jedoch bereits ausreichend in den Verträgen geregelt.

27. Februar 2013