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Session: 23.04.2013
Die Wasserkraft ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Graubünden. Sie bildet zudem ein wichtiger Pfeiler der Energiestrategie 2050 des Bundes (Energiewende) und nimmt auch im Strombericht Graubünden eine herausragende Rolle ein.

In Deutschland, dem wichtigsten europäischen Markt für die Branche, wurden im letzten Jahr 17 Milliarden Euro Fördergelder für erneuerbare Energien gesprochen. Dieses Geld wird beim Kunden zusätzlich zum Marktpreis erhoben und am Markt vorbei den unabhängigen Produzenten von Wind- und Solarstrom verteilt. Umgerechnet auf den Konsum in Deutschland bedeutet dies, dass dem Marktpreis durch diese marktverzerrende Förderung rund 40 Euro pro Megawattstunde (rund 5 Rp./kWh) fehlen. Da die unabhängigen Produzenten dann Geld bekommen, wenn sie produzieren und nicht dann, wenn die Energie gebraucht wird, fällt der eigentliche Marktpreis weiter in den Keller. Ein Teufelskreis. Auch in der Schweiz werden unwirtschaftliche Kleinkraftwerke mit aktuell 0,45 Rp/kWh (Fr. 270 Mio. pro Jahr, zugesichert auf 15-25 Jahre!) bereits massiv gefördert. Die Förderung soll nach dem Willen der UREK-NR sogar noch verdreifacht werden (neu: Fr. 900 Mio. pro Jahr). Demgegenüber kämpfen die energiepolitisch, ökonomisch und ökologisch sinnvollen Kraftwerke wie die Bündner Wasserkraft ums Überleben. Die Schweizer Energiepolitik ist energie-, ordnungs- und umweltpolitisch völlig aus den Fugen geraten.

Nachdem bereits das Bündner Übertragungsnetz durch die Überführung in die Schweizerische Netzgesellschaft Swissgrid substanziell an Wert verloren hat, verliert unter den aktuellen Voraussetzungen auch die Bündner Wasserkraft massiv an Wert. Erste grobe Berechnungen in Bezug auf die Wasserkraft in Graubünden haben ergeben, dass allein im vergangenen Jahr der in Graubünden gesamthaft produzierte Strom am Strommarkt 350 bis 400 Millionen Franken weniger eingebracht hat, als dies ohne Fördermassnahmen der Fall gewesen wäre. Das ist der Wert, der den Unternehmen und auch der öffentlichen Hand als Anteilseigner allein im Jahr 2012 verloren ging. Die Folgen sind fatal: zum einen sinken die Erträge der Kraftwerksgesellschaften an denen der Kanton massgeblich beteiligt ist; das Geld fehlt der öffentlichen Hand für ihre Aufgabenbewältigung. Auch werden dadurch Investitionen in systemrelevante Kraftwerke gefährdet; dem Gewerbe gehen damit Aufträge verloren und es werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Weiter dürfte die Verhandlungsposition der Gemeinden im Hinblick auf die vielen anstehenden Heimfälle von Kraftwerken massiv geschwächt werden.

Die Regierung wird gestützt auf Art. 160 BV beauftragt, im Namen des Kantons Graubünden beim Bund eine Standesinitiative einzureichen. Darin soll verlangt werden, dass der Bund das Energiegesetz im Sinne folgender Grundsätze anpasst:

1. Von der beabsichtigten Aufstockung der Fördermittel für Neue Erneuerbare Energien sei abzusehen.

2. Das bestehende Fördermodell für Neue Erneuerbare Energien sei durch ein marktorientiertes Modell abzulösen.

3. Sollte das Fördermodell beibehalten und/oder die Fördermittel erhöht werden, soll der Ausschluss der Wasserkraft >10 MW aufgehoben werden.

Chur, 23. April 2013

Felix, Aebli, Bleiker, Buchli-Mannhart, Campell, Casty, Clalüna, Conrad, Dudli, Grass, Hardegger, Heinz, Jeker, Kollegger (Chur), Komminoth-Elmer, Mani-Heldstab, Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Parolini, Pedrini (Roveredo), Stiffler (Davos Platz), Tscholl, Gugelmann, Haltiner, Müller (Haldenstein)

Antwort der Regierung

Vorneweg gilt es festzuhalten, dass die Schweiz im europäischen Stromverbund integriert und somit auch von den entsprechenden Marktmechanismen und Rahmenbedingungen direkt betroffen ist. Die Förderung der erneuerbaren Energien, insbesondere in Deutschland, bildet nur einen Faktor, welcher auf den Marktpreis und auf den Wert der produzierten Wasserkraft drückt. Derzeit noch bedeutender erweist sich der Einfluss des allgemein stark gesunkenen Marktpreisniveaus für Strom, hervorgerufen durch die schlechte europäische Konjunkturlage. Ausserdem bewegt sich der CO2-Markt derzeit auf einem preislich sehr tiefen Niveau, was sich für die CO2-freie Stromproduktion aus Wasserkraft als nachteilig auswirkt. Für die Schweizer Produzenten kommt erschwerend hinzu, dass der Strom im europäischen Markt in Euro gehandelt wird. All diese Faktoren beeinflussen derzeit den Wert der Wasserkraft erheblich bzw. erschweren positive Investitionsentscheide für Projekte der Grosswasserkraft, welche nicht von Fördergeldern profitieren, sondern im Markt eigenständig bestehen müssen. Gerade zu den Grosswasserkraftwerken gilt es aber Sorge zu tragen, weil diese mengenmässig und auch bezüglich der Versorgungssicherheit das Rückgrat der schweizerischen Stromproduktion aus Wasserkraft bilden. Die heute 185 grössten Wasserkraftwerke (> 10 MW) der Schweiz tragen nämlich zu 90% an die Stromproduktion aus Wasserkraft bei. Gerade die steuerbaren Speicherkraftwerke sind für die Versorgungssicherheit unabdingbar, weil diese namentlich während wind- und sonnenarmen Zeitabschnitten den notwendigen Strom liefern.

Zu den gemäss Fraktionsauftrag geforderten drei Grundsätzen, in deren Sinne gegenüber dem Bund eine Anpassung des Energiegesetzes verlangt werden soll, nimmt die Regierung wie folgt Stellung:

1. Die auf Bundesebene derzeit beabsichtigte Aufstockung der Fördermittel für neue erneuerbare Energien will dem Umstand Rechnung tragen, dass insbesondere bei den förderberechtigten Photovoltaikanlagen eine grosse Warteliste besteht. Anderseits weisen verschiedene Prognosen darauf hin, dass zwischen 2020 und 2025 die Gestehungskosten für Solarstrom an günstigen Standorten vergleichbare Werte wie die Gestehungskosten für fossil oder nuklear produzierten Strom erreichen dürften. Es erscheint deshalb nicht sinnvoll, die Installation von Photovoltaikanlagen in der Schweiz bis 2020 weiterhin staatlich massiv zu fördern. Im Rahmen der Vernehmlassung zur Energiestrategie 2050 des Bundes hat sich die Konferenz der Kantonsregierungen deshalb dafür ausgesprochen, für die Photovoltaik einen Kostendeckel beizubehalten. Dieser müsste jedoch grosszügiger gestaltet werden und sich dabei an einem Richtwert von über 600 GWh Stromproduktion für das Jahr 2020 orientieren. Auch die Bündner Regierung unterstützt nach wie vor diesen Ansatz.

2. Dem Anliegen, das bestehende Fördermodell für neue erneuerbare Energien durch ein marktorientiertes Modell abzulösen, steht die Regierung ebenfalls positiv gegenüber. In diesem Sinne hat sie sich schon wiederholt in der Öffentlichkeit geäussert.

3. Ein Umbau bei der Förderung der Wasserkraft wird ebenso aus Sicht der Regierung begrüsst, und entsprechende Forderungen wurden beim Bund denn auch bereits mehrfach eingebracht. Demnach sollten auch Grosswasserkraftwerke von einer Förderung profitieren können (z.B. Investitionen in Effizienzsteigerungen), hingegen müsste die Förderung für Kleinkraftwerke (< 3 MW) gänzlich gestrichen werden. Ein solcher Umbau hätte einerseits den Vorteil, dass pro eingesetzten Förderfranken eine grössere Stromproduktion erzielt werden könnte. Anderseits würde der Druck durch die zahlreichen Kleinkraftwerke auf die heute noch ungenutzten und ökologisch wertvollen kleineren Seitengewässer abnehmen. Ein Umbau in der genannten Richtung würde nach Überzeugung der Regierung eine ökologisch-energiewirtschaftliche Win-Win-Situation ergeben.

Die Regierung ist deshalb bereit, den Auftrag zur Einreichung einer Standesinitiative im Sinne der obenstehenden Ausführungen entgegenzunehmen.

20. Juni 2013