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Session: 23.04.2014
Am 1. Januar 2013 ist das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten. Die fünf Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) haben die Aufgaben der vormaligen Vormundschaftsbehörden übernommen. Zudem sind anstelle der bisherigen Amtsvormundschaften die Berufsbeistandschaften getreten.

Nachdem seit der Einführung der KESB etwas mehr als ein Jahr vergangen ist, stelle ich folgende Fragen an die Regierung:

1. Wie beurteilt die Regierung den Stand der Umsetzung des neuen Rechts?

2. Haben sich die neuen Organisationen und die neuen Strukturen bewährt?

3. In welchen Bereichen besteht noch Handlungsbedarf und welche Massnahmen wurden bereits ergriffen?

4. Wie verhält es sich mit den Anforderungen an die privaten Mandatsträger?

5. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den KESB und den Berufsbeistandschaften?

6. Wie wird die einheitliche Rechtspraxis beziehungsweise die Harmonisierung der Verfahren bei den fünf KESB sichergestellt?

7. Verfügen die KESB über genügend Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen und wie präsentiert sich die personelle Situation?

Chur, 23. April 2014

Holzinger-Loretz, Geisseler, Buchli-Mannhart (Safien-Platz), Albertin, Baselgia-Brunner, Bezzola (Zernez), Blumenthal, Brandenburger, Bucher-Brini, Burkhardt, Casanova-Maron, Casutt Renatus, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Conrad, Davaz, Dermont, Dosch, Engler, Fasani, Fontana, Frigg-Walt, Furrer-Cabalzar, Giacomelli, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Heiz, Hitz-Rusch, Jeker, Jenny (Arosa), Kasper, Kleis-Kümin, Kollegger (Chur), Komminoth-Elmer, Krättli-Lori, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Müller (Davos Platz), Niederer, Papa, Parpan, Pedrini, Perl, Peyer, Pfäffli, Pfenninger, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Troncana-Sauer, Waidacher, Wieland, Zanetti, Baetschi, Berther (Segnas), Jenny-Marugg (Klosters Dorf), Müller (Haldenstein), Spreiter

Antwort der Regierung

1. Die Übernahme der Fälle von den Vormundschaftsbehörden ist abgeschlossen. Die KESB arbeiten derzeit intensiv daran, die altrechtlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes ins neue Recht zu überführen, wofür eine gesetzliche Übergangsfrist bis Ende 2015 zur Verfügung steht. Aufgrund der zahlreichen Herausforderungen in der Aufbauphase besteht ein gewisser Rückstand bei diesen Überführungen. Per 1. Juli 2014 tritt bereits die nächste Gesetzesrevision (Änderung des ZGB im Bereich elterliche Sorge) in Kraft, welche die KESB zusätzlich stark fordern wird. Bis das neue Recht umgesetzt und eine erprobte Praxis etabliert ist, Verfahren optimiert sind und alle Schnittstellen zu den zahlreichen Zusammenarbeitspartnern reibungslos funktionieren, muss den KESB weiterhin Zeit zugestanden werden.

2. Bei der Einführung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts handelt es sich um eine Reform mit historischen Dimensionen, das verschiedentlich als "Jahrhundertprojekt" bezeichnet wurde. Entsprechend kann die Beurteilung seriöserweise erst nach rund drei bis fünf Jahren vorgenommen werden. Die ersten Erfahrungen nach gut anderthalb Jahren haben aber gezeigt, dass wir im Kanton Graubünden auf einem guten Weg sind.

3. Der Personalbedarf wurde – wie in der ganzen Schweiz – allgemein unterschätzt, insbesondere auch mit Blick auf den Zusatzaufwand der Überführung der Erwachsenenschutzmassnahmen ins neue Recht, aber auch unter Berücksichtigung der umfassenden Aufbauarbeiten. Den fünf KESB wurden daher per Januar 2014 befristet bis Mitte 2016 insgesamt zusätzliche 500 Stellenprozente zugeteilt.

Was die Abläufe betrifft, wurde insbesondere festgestellt, dass das Abrechnungsverfahren für die Mandatsführungskosten aufwändig ist – hier wird gemäss des am 13. Juni 2014 im Sinne der Regierung überwiesenen grössrätlichen Auftrags Kleis-Kümin eine Vereinfachung geprüft.

4. Die Anforderungen an die professionellen und privaten Mandatsträger (Primas) sind allgemein gestiegen, was aber nur teilweise mit dem neuen Recht zusammenhängt. Im Bereich Sozialversicherungen, Verkehr mit Banken, Ämtern und Behörden steigen die formellen Anforderungen ganz allgemein. Das ZGB statuiert bei Vermögensschäden neu eine direkte Staatshaftung des Kantons. Die bundesrätliche Verordnung über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft (VBVV) löste einen hohen administrativen und formellen Mehraufwand aus.

Die KESB schulen und beraten die privaten Mandatsträger soweit möglich und haben einen ausführlichen Leitfaden für die Mandatsführung herausgegeben (vgl. www.kesb.gr.ch), der als Nachschlagewerk dient. Wo immer möglich, wird bei Problemen das direkte Gespräch gesucht.

Aus der Sicht einzelner Primas mögen die Anforderungen stark angestiegen sein, was aber auch im Zusammenhang mit den zum Teil sehr unterschiedlichen Praxen der vormaligen Vormundschaftsbehörden (z.B. Rechenschaftsablagen mündlich oder ohne Einreichung von Belegen, etc.) gesehen werden muss.

5. Die Zusammenarbeit mit den Berufsbeistandschaften als wichtigste Partner ist Aufgabe der einzelnen KESB, die auch deren Aufsichtsorgane sind. Gegenwärtig steht die Instruktion der Berufsbeistandschaften über die neuen Verfahrensabläufe und zu den Implikationen des neuen Rechts im Vordergrund (z.B. Wahrung und Förderung der Selbstbestimmung, massgeschneiderte Massnahmen, Vermögensverwaltung (VBVV), Anpassung der bestehenden altrechtlichen Massnahmen).

Abgesehen von regionalspezifischen Herausforderungen funktioniert die Zusammenarbeit nach Einschätzung der KESB-Leitenden gut bis sehr gut. Die Berufsbeistandschaften haben im Kanton Graubünden im September 2012 den Bündner Verband der Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände (BVBB) gegründet, der sich noch im Aufbau befindet.

6. Die Bildung einer einheitlichen Praxis ist primär Aufgabe der Geschäftsleitung (GL) der KESB, welche aus den fünf KESB-Leitenden gebildet wird. Die GL der KESB tagt monatlich und hat bereits verschiedene Richtlinien (Kostenerhebung, Revision, Unterhalts- und Betreuungsverträge, unentgeltliche Rechtsvertretung) erlassen. In der Rechtsanwendung sind die einzelnen KESB unabhängig (Art. 39 EGzZGB). Eine umfassende Harmonisierung der Rechtspraxis setzt allerdings eine gesicherte Gerichtspraxis voraus, was noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.

Daneben dienen Entscheidvorlagen, die laufend der Praxis angepasst werden, als wichtiges Element in der Praxisfestlegung und Verfahrensharmonisierung. Schliesslich wird bis Ende 2016 ein "KESB-Handbuch" erarbeitet, das als Nachschlagewerk dienen wird.

7. Vgl. Antworten zur Frage 2 und 3.

01. Juli 2014