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Session: 17.02.2016
Öffentliche Beschaffungen bieten ein gewichtiges Potenzial bezüglich ihrer Wertschöpfung für den Kanton, die Gemeinden und Regionen und sind für das einheimische Gewerbe nicht von unbedeutender Wichtigkeit. Der Grosse Rat hat im Dezember 2014 in der Debatte zum „Bericht Wirtschaftsentwicklung im Kanton Graubünden“ (Botschaft Heft Nr. 5 / 2014–2015) eine Stossrichtung bzgl. Wettbewerb (Kapitel VII. 13.4.) verabschiedet. Diese sieht vor, dass der Kanton und die Gemeinden bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen den für freihändige Vergaben sowie im Einladungsverfahren geltenden Handlungsspielraum ausschöpfen sollen. So soll damit auch der überwiegende Anteil der Beschaffungen in Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen möglichst im Kanton verbleiben.

Im Nicht-Staatsvertragsbereich sind grundsätzlich alle Beschaffungen dem Submissionsrecht unterstellt, z.B.:
• Lieferaufträge über die Beschaffung beweglicher Güter, namentlich durch Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Mietkauf;
• Dienstleistungsaufträge;
• Bauaufträge über die Durchführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten.

Per 1. Januar 2014 sind die Schwellenwerte im Binnenmarktbereich angepasst und auf die maximal geltenden Werte der interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen IVöB erhöht worden. Aus Sicht des Grossen Rates im Hinblick auf eine gezielte Wirtschaftsförderung, wären die Rahmenbedingungen im Kanton Graubünden so zu definieren, dass die wirtschaftlichen Interessen des einheimischen Gewerbes optimal berücksichtigt werden können. Damit sollten vor allem im freihändigen sowie auch im Einladungsverfahren zusätzliche Beschaffungen zugunsten des einheimischen Gewerbes ermöglicht werden.

Die Realität sieht heute leider ganz anders aus. Bei einer grossen Anzahl von Beschaffungen wird diesem Grundsatz nicht Rechnung getragen. Oft wird bei öffentlichen Aufträgen seitens der Gemeinden, aber auch des Kantons ab einem Beschaffungswert von weit unter den zulässigen Schwellenwerten gem. Art. 14 Abs. 1 SubG bereits das offene Verfahren angewendet. Nebst dem grossen Aufwand zur Erstellung der Ausschreibeunterlagen für dieses Verfahren erzeugt ebenfalls die Auswertung bzw. Vergabe dieser Aufträge zusätzlich einen unnötig grossen administrativen Aufwand.

Für die Unterzeichnenden stellen sich nun hier folgende Fragen:

1. Ist die Regierung bereit und gewillt, zugunsten einer gezielten Wirtschaftsförderung für das einheimische Gewerbe, den Handlungsspielraum innerhalb der erlaubten gesetzlichen Vorgaben vollständig auszunützen? Wenn ja, was ist bereits unternommen worden, oder wie denkt die Regierung in dieser Sache vorzugehen?

2. Wurden die kantonalen Verwaltungen diesbezüglich bereits angewiesen, bei neuen Beschaffungen in diesem Sinne auch vorzugehen?

3. Bestehen heute eventuell noch veraltete interne Weisungen, welche heute neu zugunsten der vom Grossen Rat verabschiedeten Stossrichtung „Wettbewerb“ angepasst werden müssten?

4. Sieht die Regierung eine Möglichkeit, die Gemeinden in ähnlichem Rahmen anzuweisen, diesen Grundsatz ebenfalls gleich anzuwenden?

Chur, 17. Februar 2016

Felix (Scuol), Kappeler, Casty, Alig, Blumenthal, Brandenburger, Burkhardt, Caduff, Caluori, Casanova (Ilanz), Casanova-Maron (Domat/Ems), Casutt-Derungs, Caviezel (Davos Clavadel), Danuser, Dosch, Engler, Epp, Felix (Haldenstein), Florin-Caluori, Foffa, Giacomelli, Gunzinger, Hartmann, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Kasper, Lamprecht, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Müller, Nay, Niederer, Rosa, Salis, Steck-Rauch, Steiger, Tomaschett (Breil), Toutsch, Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), Waidacher, Weber, Weidmann, Wieland, Buchli, Föhn, Stäbler, Tuor

Antwort der Regierung

Die Beschaffungen der öffentlichen Hand haben eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Gegenwärtig wird die Gesamtsumme des öffentlichen Beschaffungsvolumens (Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsaufträge) in der Schweiz auf rund 40 Mrd. Franken geschätzt, was etwa 25 Prozent der Staatsausgaben und 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts entspricht. Diese Prozentwerte dürften für Graubünden aufgrund seiner anspruchsvollen Topographie sowie der dem Vergaberecht ebenfalls unterstellten Sektorunternehmen (Rhätische Bahn, Kraftwerksgesellschaften) noch höher liegen.

Gemäss den langjährigen Vergabestatistiken konnten im Kanton Graubünden bei den weitaus meisten Beschaffungen der öffentlichen Auftraggeber einheimische Anbieter berücksichtigt werden. Dabei spielt der natürliche Distanzschutz aufgrund der peripheren Lage des Kantons seit jeher eine zentrale Rolle. Entsprechend konnten 2015 die mit Abstand grössten Beschaffungsstellen des Kantons (Tiefbauamt, Hochbauamt) mit einem Beschaffungsvolumen von rund 260 Mio. Franken wie in den Vorjahren rund 90 Prozent aller Aufträge an bündnerische Anbieter erteilen. Die per 1. Januar 2014 erhöhten Schwellenwerte wurden dabei grundsätzlich ausgeschöpft. Eine Ausnahme betrifft die vom Tiefbauamt seit Jahren praktizierte öffentliche Ausschreibung von Bauleistungen ab einem Beschaffungswert von 50'000 Franken. Trotz Publikation dieser weitestgehend standardisierten Bauleistungen konnten im Jahr 2015 sogar 97 Prozent aller Aufträge an einheimische Anbieter vergeben werden. An dieser Praxis soll aufgrund der besonderen Verhältnisse im Strassenbau des Kantons sowie vor dem Hintergrund der laufenden Untersuchungen durch die Wettbewerbskommission (WEKO) festgehalten werden. Nach Ansicht der Regierung wird mit dieser differenzierten Ausschreibepraxis der sorgfältige Einsatz der öffentlichen Mittel sichergestellt und gleichzeitig den regionalwirtschaftlichen Interessen angemessen Rechnung getragen.

Zu Frage 1: Der Kanton nutzt generell den gesetzlichen Spielraum bei der Festlegung der Verfahrensart sinnvoll aus. Die verwaltungsinternen Arbeiten zur Auslotung allfälliger weiterer vergaberechtlicher Spielräume im Sinne des in die gleiche Richtung zielenden Auftrags Felix (Haldenstein) betreffend volkswirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Beschaffungswesens mussten angesichts der auf das ganze Kantonsgebiet ausgeweiteten WEKO-Untersuchung sowie der aktuellen Revision des schweizerischen Vergaberechts bis auf weiteres sistiert werden.

Zu Frage 2: Die kantonalen Dienststellen wurden von der Regierung auf die ab 2014 geltenden höheren Schwellenwerte hingewiesen. Aber bereits vorgängig wurden von den kantonalen Beschaffungsstellen die gesetzlich vorgegebenen Schwellenwerte bei der Festlegung der Verfahrensart berücksichtigt. In den Gemeinden zeigt sich erfahrungsgemäss ein ähnliches Bild.

Zu Frage 3: Kantonsintern bestehen keine veralteten Weisungen. Gemäss Handbuch öffentliches Beschaffungswesen im Kanton Graubünden, welches den Beschaffungsstellen als Praxishilfe dient und einen möglichst einheitlichen Vollzug des Vergaberechts bezweckt, sollen die gesetzlich gewährten Spielräume bei der Verfahrenswahl möglichst ausgenützt werden. Im Rahmen der Auskunftserteilung durch die Submissionsfachstelle des Kantons wird zudem die Ausschöpfung der Schwellenwerte durch die Auftraggeber regelmässig empfohlen.

Zu Frage 4: Die Möglichkeiten zur Ausschöpfung der Spielräume bei der Verfahrenswahl sind auch den Gemeinden bekannt. Die Regierung kann ihnen aber aufgrund der geltenden Kompetenzordnung nicht verbieten, allenfalls höhere Verfahren zwecks Förderung des Wettbewerbs zu wählen.

20. April 2016