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Session: 20.04.2016

Seit mehr als 40 Jahren sind die Gemeinde Susch resp. Zernez und der Kanton bestrebt, eine Lösung für die dringend notwendige Umfahrung von Susch zu entwickeln. In dieser Zeit hat die Gemeinde verschiedene Varianten geprüft und untersucht und diese auch dem Kanton unterbreitet.

 
Mit dem Strassenbauprogramm 2013 bis 2016 wurden seitens des Kantons 700‘000 Franken für die Erarbeitung eines entsprechenden Projekts genehmigt. Auch für die Umfahrung La Punt und in geringerem Umfang auch für die Umfahrung von Sta. Maria in der Val Müstair wurden Mittel eingeplant.

 
Das Tiefbauamt hat für die Umfahrung Susch drei Varianten entwickelt. Nun ist jedoch der Realisierungsprozess leider ins Stocken geraten. Die vom Kanton favorisierte Variante führt durch einen Gärtnereibetrieb und hierbei lassen es die geltenden Regelungen des Landerwerbs nicht zu, dass eine Umsiedlung dieses Betriebs für die Eigentümer kostenneutral realisiert werden könnte. Die zweite Variante, welche von der Gemeinde Zernez favorisiert würde, ist zu teuer, würde jedoch kaum auf Widerstände seitens der Bevölkerung stossen. Bei der dritten Variante ist mit Widerstand seitens der Umweltschutzorganisationen zu rechnen.

 
Eine Umfahrung Susch ist unerlässlich, denn die Auswirkungen der Verkehrslage sind für die Anwohnerinnen und Anwohner unerträglich geworden. Insbesondere an Wochenenden, von Freitag bis Sonntag, kommt es aufgrund des sehr starken Verkehrsaufkommens in Richtung Oberengadin und Richtung Unterengadin / Vereinalinie / Tirol und vor allem durch den Auto-Massentourismus Richtung Livigno regelmässig zu unannehmbaren Staulagen im Dorf Susch. Wenn dann auch noch der Julierpass gesperrt ist, und auch dieser Verkehr via Vereinalinie das Engadin verlässt resp. erreicht, kollabiert der Verkehr in Susch vollständig, was zu sehr langen Wartezeiten für die Gäste des Engadins und der Val Müstair und zu unerträglichen Belastungen für Bewohnerinnen und Bewohner von Susch führt.

 
In die Planung der Realisierung der Umfahrungsstrasse Susch müssten auch die Schaffung von zusätzlichem Warteraum für den Autoverlad am Vereina aufgenommen werden.

 
Deshalb beauftragen wir die Regierung wie folgt:

 
1. Um die äusserst angespannte Verkehrslage im Nadelöhr Susch mit Auswirkungen auf das ganze Unter- und Oberengadin und die Val Müstair zu verbessern, und um damit auch die Einwohnerinnen und Einwohner und die Gäste vor unerträglichen Belastungen zu schützen, soll das Projekt „Umfahrungsstrasse Susch“ so schnell wie möglich vorangetrieben werden.

 
2. Die Regelungen in der Landerwerbspraxis sollen so angepasst werden, dass auch Ausnahmeregelungen möglich sind, sofern sie damit kostengünstigere Strassenbauprojekte ermöglichen resp. auslösen könnten.

 
Chur, 20. April 2016

 
Müller, Toutsch, Lamprecht, Alig, Buchli-Mannhart, Caluori, Casanova (Ilanz), Casty, Casutt-Derungs, Clalüna, Danuser, Epp, Felix (Scuol), Foffa, Gunzinger, Hardegger, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Hug, Jeker, Joos, Koch (Tamins), Koch (Igis), Komminoth-Elmer, Mani-Heldstab, Mathis, Nay, Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Salis, Schutz, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Troncana-Sauer, Vetsch (Klosters Dorf), von Ballmoos, Waidacher, Weber, Weidmann, Widmer-Spreiter, Wieland, Cao, Degiacomi, Pfister

Antwort der Regierung

Die Regierung ist sich der grossen Bedeutung und Auswirkungen von Ortsumfahrungen bewusst. Daher hat der Kanton Graubünden in den vergangenen Jahrzehnten bereits viele Umfahrungsstrassen realisiert.

Ebenfalls bewusst ist sich die Regierung der problematischen Verkehrssituation auf dem Innerortsabschnitt der Engadinerstrasse in Susch. Die Umfahrung Susch wurde denn auch im Strassenbauprogramm 2017-2020 neben den Umfahrungen La Punt Chamues-ch und Sta. Maria i. M. als eines der möglichen Nachfolgeprojekte nach der Eröffnung der sich aktuell im Bau befindlichen Umfahrung Silvaplana bezeichnet. Entsprechend hat das Tiefbauamt die Projektierungstätigkeit aufgenommen. In einer ersten Phase wurden mögliche Varianten ausgearbeitet und untersucht. Dabei handelt es sich um die im vorliegenden Vorstoss beschriebenen Linienführungen. Derzeit ist der Variantenvergleich mit Bestimmung der Bestvariante in Arbeit. Nach Vorliegen dieser Bestvariante soll für diese das Auflageprojekt mit einem Umweltverträglichkeitsbericht ausgearbeitet werden. Verzögerungen sind aber aufgrund der gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen, so dass keine Prognosen in terminlicher Hinsicht gestellt werden können.

Soweit die Regierung ausserdem beauftragt wird, die Landerwerbspraxis anzupassen, gilt es zu beachten, dass eine neu festzulegende Praxis verfassungs- und gesetzeskonform sein muss. Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleich kommen (materielle Enteignungen), sind nach Art. 26 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) voll zu entschädigen. Für den Enteigneten darf dabei aus einer solchen Enteignung weder ein Verlust noch ein Gewinn resultieren.

Der kantonale Gesetzgeber hat diesen Grundsatz in Art. 9 des Enteignungsgesetzes des Kantons Graubünden (EntG) wiederholt und die Bestandteile der Entschädigung in Art. 10 EntG konkretisiert. Zu entschädigen sind danach der volle Verkehrswert, der Minderwert bei Teilenteignungen, ferner unter gewissen Voraussetzungen ein angemessener Anteil an den Wiederbeschaffungskosten sowie Inkonvenienzen. Die im Auftrag postulierte Anpassung der Landerwerbspraxis in Form einer Ausnahmeregelung, um kostengünstigere Strassenbauprojekte zu ermöglichen, würde eine zusätzliche, über die von Art. 26 Abs. 2 BV und Art. 9f. EntG garantierte volle Enteignungsentschädigung hinausgehende Entschädigung zur Folge haben. Eine solche zusätzliche Entschädigung würde eine Anpassung des kantonalen Enteignungsgesetzes voraussetzen. Hierzu besteht nach Auffassung der Regierung jedoch kein Bedarf.

Gemäss Bundesgericht (BGE 127 I 185) verwehrt die bundesrechtliche Eigentumsgarantie den Kantonen nicht, den Enteigneten im Zusammenhang mit formellen kantonalen Expropriationen mehr als den Schaden zu ersetzen und damit Vergütungen auszurichten, die den Rahmen des Anspruchs auf volle Entschädigung sprengen. Dabei muss aber die gesetzgeberische Ausgestaltung eines allfälligen, die volle Entschädigung nach Art. 26 Abs. 2 BV übersteigenden Ausgleichs dem Gebot der Rechtsgleichheit entsprechen und die willkürfreie Anwendung ermöglichen. An dieser Anforderung scheitert aber die im Auftrag angestrebte und formulierte Lösung einer Ausnahmeregelung, um kostengünstigere Strassenbauprojekte zu ermöglichen (vgl. zum Ganzen VALLENDER, St. Galler Kommentar zu Art. 26 BV, Rz. 72 ff.).

Im Sinn der dargelegten Überlegungen ist die Regierung bereit, den Auftrag in Bezug auf ein möglichst rasches Vorantreiben des Projekts für eine Umfahrungsstrasse Susch entgegenzunehmen, und beantragt jedoch, den Auftrag in Bezug auf die Anpassung der Landerwerbspraxis abzulehnen.

08. Juni 2016