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Session: 15.02.2017

Ein Mischverkehr aus langsamen Güterzügen sowie schnellen Reisezügen schränkt die Kapazität einer Bahninfrastruktur stark ein. Aufgrund von Verkehrsprognosen kann davon ausgegangen werden, dass bei den NEAT-Achsen Gotthard und Lötschberg die Kapazitätsgrenzen spätestens in 25 – 30 Jahren erreicht werden dürften. Der ursprünglich angedachte Voll-Ausbau der NEAT-Achsen inklusive Zubringerlinien ist aus Kostengründen faktisch langfristig sistiert. Diese Situation eröffnet Graubünden die Chance, die Ostalpenbahn als Alternative zu prüfen. Dieser Idee liegen eine Entflechtung der Verkehre, eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Redundanz des schweizerischen Eisenbahnnetzes sowie schnelle Verbindungen zwischen den Metropolitanräumen Frankfurt, München, Zürich und Mailand mit 68 Mio. Einwohnern und 3 Billionen CHF BIP zu Grunde. Kernstück ist dabei eine neue Alpentransversale zwischen den Räumen Chur und Chiavenna für den schnellen Personenverkehr.

Graubünden liegt bezüglich Erreichbarkeit im Vergleich mit den anderen Kantonen mit Abstand am Schluss. Nach der deutlichen Ablehnung der Kandidatur für die olympischen Winterspiele 2026 ist der Kanton erst recht gefordert, einen grossen, nachhaltigkeits- und zukunftsgerichteten Schritt zu machen. Mit einer Ostalpenbahn winkt Graubünden die einmalige Chance, in eine europäische Achse eingebunden zu werden, die Erreichbarkeit zu den benachbarten Metropolen massiv zu verbessern sowie die Verkehrsbedürfnisse des Kantons bzw. seiner Regionen besser abzudecken. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass der Kanton das Heft in die eigene Hand nimmt, die Initiative dazu frühzeitig ergreift und proaktiv die ersten Diskussionsgrundlagen und politischen Allianzen erstellt. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass grosse Vorhaben weit im Voraus initialisiert werden müssen.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung, das Konzept einer Ostalpenbahn nach der AlpTrain-Idee vertieft zu prüfen. Es sind Grundlagen zu erarbeiten, um mit dem Bund, den Ostschweizer Kantonen, sowie der Lombardei, Bayern, Baden Württemberg, Vorarlberg sowie Fürstentum Liechtenstein erste Diskussionen zu führen und Folgeschritte auszulösen. Diese müssen beinhalten:

1. Prüfung technische Machbarkeit (inkl. grobe Kostenschätzung) einer Ostalpenbahn sowie für den Ausbau der Zufahrtsstrecken Zürich – Chur, Lecco – Chiavenna, Bellinzona/Roveredo – Chiavenna sowie München/Stuttgart – Sargans.

2. Entwicklung einer auf die nächsten 50 – 100 Jahre ausgerichteten Ausbaustrategie für die Bahninfrastruktur zur bestmöglichen Anbindung der Ostschweiz bzw. Graubündens an die neue Transversale auf der Achse Chur – Chiavenna. Dabei sind die Anschlüsse nach Davos/St. Moritz, Mailand und Roveredo/Bellinzona sicher zu stellen. Zudem ist eine Priorisierung vorzunehmen sowie der Planungskorridor raumplanerisch zu sichern. Flankierend ist die Gründung eines breit abgestützten Ostalpenbahn-Komitees vorzubereiten.

3. Erstellung einer Gesamtschau zur Ostalpenbahn-Idee, u.a. wirtschaftliche, politische, verkehrliche und ökologische Aspekte.

4. Aufgrund der hohen Dringlichkeit ist ein Zwischenbericht bis Mitte 2018, der Schlussbericht zu Handen des Grossen Rates bis Ende 2019 zu erstellen.

Chur, 15. Februar 2017

Engler, Caluori, Jeker, Alig, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis/Mustér), Blumenthal, Brandenburger, Burkhardt, Casanova (Ilanz), Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Claus, Crameri, Danuser, Della Vedova, Dosch, Fasani, Felix (Scuol), Florin-Caluori, Foffa, Giacomelli, Hardegger, Holzinger-Loretz, Jenny, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Koch (Igis), Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Kuoni, Michael (Castasegna), Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Papa, Pedrini, Peyer, Salis, Schneider, Schutz, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Troncana-Sauer, Vetsch (Klosters Dorf), Waidacher, Widmer-Spreiter, Wieland, Buchli (Tenna), Calonder, Niederberger-Schwitter, Stäbler

Antwort der Regierung

Die Regierung ist sich der Bedeutung einer guten Erreichbarkeit der benachbarten Metropolitanräume mit dem öffentlichen Verkehr bewusst. Die Attraktivität Graubündens als Tourismus-, Wirtschafts- und Wohnstandort hängt unter anderem stark von der Anbindung an das internationale Eisenbahnnetz ab. So stellt die Qualität der Erreichbarkeit generell einen wesentlichen Faktor für die künftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unseres Kantons dar.

In den vergangenen Jahren war eine verbesserte Anbindung Graubündens an die wichtigsten Zentren im Norden und Süden oft Gegenstand von Verkehrsstudien. Die Regierung hat im Rahmen des Projekts "Planung neuer Verkehrsverbindungen" (Botschaft der Regierung an den Grossen Rat; Heft Nr. 12 / 2012 – 2013) eine Konzeptstudie für eine bessere Anbindung des Kantons an die schweizerischen und europäischen Metropolitanregionen auf der Schiene erstellen lassen. Zusätzlich hat sie im Rahmen der Vertiefung der Projektidee "Alptrain" verschiedene Varianten einer neuen Alpentransversale durch Graubünden untersuchen lassen.

Gemäss der Konzeptstudie würden die Kosten einer Ostalpenbahn Chur – Milano je nach Variante zwischen 20 und 28 Milliarden Franken betragen (Chur – Chiavenna: 11 - 15 Mrd. Franken; Chiavenna – Milano: 9 - 13 Mrd. Franken). Die Investitionsausgaben im Korridor Chur – Rheintal – München würden sich variantenabhängig auf rund 1 bis 6 Milliarden Franken belaufen.

Vor dem Hintergrund dieser hohen Investitionskosten und der Tatsache, dass wesentliche Teile der Investitionen ausserhalb des Kantons Graubünden und der Schweiz erfolgen würden, wären starke nationale sowie europäische Partnerschaften zwingend notwendig, um der Idee einer Realisierung der Ostalpenbahn eine reelle Chance geben zu können. Massnahmen ausserhalb des Kantons und der Schweiz können nämlich nur durch die entsprechenden Länder selber vorangetrieben werden. Eine zielführende Initialisierung eines solchen Projekts müsste deshalb von einem nationalen oder sogar vom europäischen Parlament ausgehen.

Die Realisierung einer zusätzlichen alpenquerenden Verbindung zwischen der NEAT Gotthardlinie und dem in Planung stehenden Brenner-Basistunnel wäre ein nationaler und europäischer Kraftakt, welcher kaum bewältigbar erscheint. Aus diesen Gründen wurden die Varianten für neue Alpentransversalen durch den Kanton Graubünden nicht weiter vertieft.

Die Finanzierung der Substanzerhaltung wie auch des Ausbaus der schweizerischen Bahninfrastruktur erfolgt seit 1. Januar 2016 durch den Bund über den Bahninfrastrukturfonds (BIF). Die entsprechenden Vorhaben werden vom Bund im Rahmen eines gemeinsamen Prozesses mit den Bahnen und den Kantonen geplant. Diese Planungen münden dann in sogenannte Strategische Entwicklungsprogramme (STEP). Das Bundesamt für Verkehr (BAV) plant derzeit den Ausbauschritt STEP 2030. In Arbeit befinden sich zwei Varianten: einerseits ein Ausbau mit Projekten für rund 7 Milliarden Franken, anderseits eine zweite Variante mit Ausbauten für maximal 12 Milliarden Franken.

Die Regierung wird sich weiterhin im Rahmen der STEP-Projekte für eine verbesserte Anbindung des Kantons an die Metropolitanräume Frankfurt, München, Mailand und Zürich einsetzen. Die Erarbeitung eines neuen Berichts zur Ostalpenbahn wäre jedoch nicht zielführend und zudem mit einem unverhältnismässig hohen Aufwand verbunden, während die Realisierungschancen eines solchen länderübergreifenden Projekts dabei sehr gering ausfallen würden. Die Regierung beantragt deshalb, den Auftrag abzulehnen.

21. April 2017