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Session: 14.06.2017

Im Kanton erfolgt die deutliche Mehrheit der Vergaben von Dienstleistungsaufträgen der kantonalen Departemente an Dritte bei nicht öffentlichen Ausschreibungen im freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren. Gerade dieses freie Vorgehen verlangt Transparenz, um Vertrauen zu schaffen. Die Antwort der Regierung auf die im Dezember 2016 eingereichte Anfrage Stiffler betreffend die oben genannten Vergaben bestätigt, dass 51 Prozent, d.h. mehr als die Hälfte des Auftragsvolumens des Amts für Wirtschaft und Tourismus (AWT), ausserkantonal vergeben wird. Obwohl das AWT aufgefordert wurde, eine Liste der Vergabedetails dem Grossen Rat zu übergeben und obwohl diese Aufforderung dem Öffentlichkeitsgesetz entspricht, liegt diese bis heute nicht vor.

Daher wird seit der Ratsdebatte vom April 2017 angenommen, dass beim AWT bedeutende Abhängigkeiten von langjährigen Partnern bestehen, dass es zu vielen Auftrags-Untervergaben kommt und öffentliche Ausschreibungen gezielt durch Teil-Projektvergaben umgangen werden.

Um diese Vermutungen zu entkräften, muss Transparenz im Vergabewesen geschaffen werden. Die Offenlegung darf sich daher nicht nur auf das AWT beschränken. Über alle Departemente und entsprechenden Dienststellen hinweg muss Transparenz geschaffen werden. Bündner Unternehmen, welche mit Standortnachteilen kämpfen, hier Steuern zahlen, Arbeitnehmer ausbilden und Stellen schaffen, müssen, wann immer möglich und wirtschaftlich sinnvoll, bei kantonalen Vergaben berücksichtigt werden. Nur so greift kantonale Wirtschaftsförderung, nur so bleiben Arbeitsplätze erhalten und werden neue geschaffen.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung:

1. Bericht zu erstatten, wie viele der Dienstleistungsaufträge - geordnet nach Departement und Dienststelle - in den letzten 3 Jahren im freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren an ausserkantonale Anbieter vergeben worden sind (Anzahl, %-Anteil, Auftragssumme total versus Gesamtsumme) und aufzuzeigen, welche Kriterien für die Einladung von Anbietern im freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren angewendet werden.

2. das fehlende Know-how im Kanton zu definieren und eine mögliche Zusammenarbeit aufzuzeigen, sodass Bündner Unternehmer vermehrt Aufträge erhalten.

3. sicherzustellen, dass der vom Gesetzgeber gegebene Handlungsspielraum im freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren (Schwellenwerte, einzuladende Anbieter) voll zu Gunsten der im Kanton ansässigen Firmen ausgenützt wird, d.h. nur diese werden zur Offertstellung eingeladen, sofern das Kow-how vorhanden ist, wie in andern Kantonen auch üblich. Dadurch verbleiben die Arbeitsplätze und das Know-how im Kanton.

4. Vergaben im freihändigen und im Einladungsverfahren dem Öffentlichkeitsgesetz zu unterstellen und in geeigneter Form bekanntzugeben, so wie dies für grosse Aufträge nach GATT/WTO-Abkommen gesetzlicher Standard ist.

5. die im Dezember 2016 verlangte Liste der nicht öffentlichen Ausschreibungen beim AWT dem Grossen Rat sofort zugänglich zu machen.

6. die Liste der Vergaben des AWT zwischen 1.1.2017 und 30.6.2017 herauszugeben.

Chur, 14. Juni 2017

Stiffler (Chur), Dudli, Berther (Disentis/Mustér), Alig, Blumenthal, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Caluori, Casanova-Maron (Domat/Ems), Casty, Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Claus, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Engler, Felix (Scuol), Gartmann-Albin, Giacomelli, Grass, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Joos, Kappeler, Kasper, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Locher Benguerel, Marti, Nay, Paterlini, Peyer, Pult, Salis, Schutz, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Thomann-Frank, Troncana-Sauer, Valär, Vetsch (Pragg-Jenaz), von Ballmoos, Weber, Weidmann, Widmer-Spreiter, Wieland, Altmann, Pfister, Plattner Gerber, Wellig

Antwort der Regierung

Die Rolle des Kantons als wichtiger Auftraggeber ist der Regierung überaus bewusst und wird von ihr aufmerksam verfolgt. Entsprechend nutzt die Kantonsverwaltung generell den submissionsrechtlichen Handlungsspielraum zugunsten der einheimischen Wirtschaft bereits heute, soweit möglich und sinnvoll, aus. Die einzelfallweise Offertanfrage bei ausserkantonalen Firmen erfolgt sehr zurückhaltend aufgrund der spezifischen Auftragsanforderungen und den besonderen Kompetenzen des Anbieters im jeweiligen Fachgebiet.

Gemäss den langjährigen Vergabestatistiken konnten bisher im Kanton Graubünden bei den Beschaffungen der öffentlichen Auftraggeber in den weitaus meisten Fällen bündnerische Anbieter berücksichtigt werden. So gingen im Berichtsjahr 2015 von allen nach Vorgabe des kantonalen Submissionsgesetzes zu meldenden Vergaben (Meldepflicht für alle Bauaufträge, Lieferungen, Dienstleistungen ab 50'000 Franken) 80.6 Prozent an einheimische Firmen. In den freihändigen Verfahren und Einladungsverfahren hatten die Erbringer von Dienstleistungen im Jahr 2015 zu 81.7 Prozent ihren Sitz in Graubünden. Bei den Vergaben der Kantonsverwaltung lag dieser Wert mit 82.9 Prozent sogar noch höher.

Die im Jahr 2013 als Folge des überwiesenen Auftrags Felix (Haldenstein) betreffend volkswirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Beschaffungswesens aufgenommenen verwaltungsinternen Arbeiten zur Auslotung allfälliger weiterer vergaberechtlicher Spielräume wurden angesichts der auf das ganze Kantonsgebiet ausgeweiteten WEKO-Untersuchungen sowie der aktuellen parallelen Revision des schweizerischen Vergaberechts bis auf weiteres sistiert. Diese Arbeiten sollten im kommenden Jahr nach Kenntnis der entsprechenden Inhalte fortgesetzt werden können.

Zu den konkreten Fragen:

1. Die Regierung anerkennt im aktuellen politischen Umfeld das Bedürfnis nach zusätzlicher Transparenz im Beschaffungsbereich. Sie ist deshalb bereit, ergänzend zur gesetzlich geforderten Vergabestatistik über die in den Jahren 2014-2016 im freihändigen Verfahren und Einladungsverfahren vergebenen Dienstleistungsaufträge der kantonalen Departemente und Dienststellen Bericht zu erstatten. Im Benehmen mit den beiden Erstunterzeichnenden des Auftrags wurde zur Eingrenzung des Verwaltungsaufwands vereinbart, dass als Datengrundlage auf die Buchungen in der Finanzbuchhaltung abgestellt werden soll. Kleinere Beträge sollen somit unberücksichtigt bleiben.

2. Im zu erstellenden Bericht soll zudem aufgezeigt werden, wie allfällig fehlendes Know-how der einheimischen Anbieter, insbesondere von Kleinbetrieben und Jungunternehmen, bei öffentlichen Aufträgen kompensiert bzw. aufgebaut werden kann, damit deren Zuschlagschancen für Aufträge der öffentlichen Hand steigen.

3. Bei der Formulierung von jährlichen Dienststellenzielen wird die Ausschöpfung des Handlungsspielraums bei freihändigen Verfahren und Einladungsverfahren zugunsten der einheimischen Wirtschaft künftig explizit aufgenommen. Indes soll es der Kantonsverwaltung auch weiterhin gestattet sein, bei Vorliegen spezieller Umstände ausserkantonale Anbieter zu beauftragen. Unabhängig hiervon gilt es nach Abschluss der laufenden WEKO-Verfahren und der erwähnten Revision des schweizerischen Vergaberechts die Beschaffungspraxis zu überprüfen und allfällig nötige Korrekturen zur Sicherstellung des wirtschaftlichen Einsatzes öffentlicher Mittel vorzunehmen.

4. Zur Erhöhung der Transparenz sollen künftig die für die Bündner Wirtschaft relevanten Auftragsvergaben der einzelnen Dienststellen auf einfache Weise einsehbar sein. Das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement wird hierfür eine entsprechende Weisung erlassen.

5./6. Die vom Amt für Wirtschaft und Tourismus seit 2012 erteilten Dienstleistungsaufträge sind in einer separaten Auflistung unter https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/dvs/awt/ueberuns/Seiten/Themen.aspx einsehbar Dabei gilt es zu bemerken, dass dieses Amt aufgrund seines Aufgabenbereichs, den vielfach überregionalen Fragestellungen und dem ausgewiesenen Bedarf nach spezialisiertem Fachwissen eher auf den Beizug ausserkantonaler Fachleute angewiesen ist.

Die Regierung ist unter den erwähnten Einschränkungen bereit, den Auftrag entgegenzunehmen.

31. August 2017