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Session: 18.10.2017

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) ist im Januar 2004 in Kraft getreten. Das Gesetz hat zum Zweck, Benachteiligungen zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind. Im Bereich des öffentlichen Verkehrs verlangt das Gesetz, dass bestehende Bauten und Anlagen sowie Fahrzeuge spätestens 2023 grundsätzlich hindernisfrei sind, d.h. an die Bedürfnisse von behinderungsbedingten Beeinträchtigungen angepasst werden müssen. Das gilt auch für Bahnhöfe. Eine Beseitigung der Benachteiligung ist nicht notwendig, wenn die Verhältnismässigkeit nicht gegeben ist. Dies ist der Fall, wenn der für Behinderte zu erwartende Nutzen in einem Missverhältnis zum wirtschaftlichen Aufwand, zu Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes oder zu Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit steht. In solchen Fällen haben aber die Transportunternehmen eine angemessene Ersatzlösung anzubieten.

Eine Umfrage im Juni 2016 bei den Infrastrukturbetreiberinnen (SBB/RhB) hat ergeben, dass 2 % aller Bahnhöfe im Kanton Graubünden als konform, 74 % als nicht konform und 24 % als teilkonform einzustufen sind.

Vor diesem Hintergrund werden an die Regierung folgende Fragen gestellt:

1. Wie ist der aktuelle Stand im Kanton Graubünden?

2. Welche Massnahmen hat die Regierung vorgesehen, um eine zeitgerechte Planung und Realisierung eines hindernisfreien Verkehrs auf Bündner Bahnhöfen zu erreichen?

3. Gibt es Bahnhöfe, die nicht zeitgerecht umgebaut werden können? Wenn ja, weshalb?

4. Für welche Bahnhöfe sind angemessene Ersatzlösungen vorgesehen?

Chur, 18. Oktober 2017

Caduff, Albertin, Atanes, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Bondolfi, Bucher-Brini, Cahenzli-Philipp, Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Crameri, Darms-Landolt, Della Vedova, Deplazes, Dermont, Dosch, Epp, Fasani, Felix (Haldenstein), Foffa, Geisseler, Gunzinger, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jaag, Jenny, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Monigatti, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Paterlini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Sax, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Thomann-Frank, Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Berther (Segnas), Cajacob, Degiacomi, Lombardi, Nicolay, Ruckstuhl

Antwort der Regierung

Die zuständigen kantonalen Stellen befinden sich mit den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), der Rhätischen Bahn (RhB) und der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) bezüglich der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) in einem regelmässigen Austausch. Die drei Unternehmen haben in entsprechenden Konzepten bereits seit längerem aufgezeigt, wie sie bis Ende 2023 die Vorgaben des BehiG infrastruktur- und fahrzeugseitig zu erfüllen gedenken. Es ist das erklärte Ziel der Bahnunternehmungen, den Anforderungen innerhalb der gesetzlichen Frist gerecht zu werden bzw. bei fehlender Verhältnismässigkeit Ersatzmassnahmen zu treffen.

Neben dem autonomen Zugang von mobilitätsbehinderten Fahrgästen bei Bahnstationen sind aber auch strassenseitig bei den rund 1500 Bushaltestellen, welche sich überwiegend im Eigentum der Gemeinden befinden, entsprechende Infrastrukturmassnahmen umzusetzen. Deren Gestaltung hat die technischen Rahmenbedingungen (z.B. Strassengeometrie) sowie die Belange der Strassenbenützer, der Denkmalpflege und dergleichen zu berücksichtigen. Gegenwärtig hat der Kanton eine Planungshilfe in Arbeit, welche die Gemeinden bei der Umsetzung unterstützen soll. Auch hier gilt der Grundsatz bei fehlender Verhältnismässigkeit, dass angemessene Ersatzmassnahmen vorzusehen sind.

Zu Frage 1: Die in der Anfrage erwähnten Werte zum Umsetzungsstand des BehiG entsprechen nicht der aktuellen Situation. Die drei SBB-Bahnhöfe im Kanton (Chur, Landquart und Maienfeld) erfüllen bereits heute zu 100 Prozent die BehiG-Anforderungen. Bei der RhB sind aktuell 38 von 105 Haltepunkten umgebaut und BehiG-konform, was einem Anteil von knapp 40 Prozent entspricht. Da der Umbau aufgrund der Verkehrsbedeutung priorisiert wurde, können heute schon rund 60 Prozent der RhB-Fahrgäste von hohen und damit behindertengerechten Perronkanten profitieren. Damit aber bei den umgebauten Haltepunkten der autonome Zustieg gewährleistet werden kann, ist der Einsatz von behindertentauglichem Wagenmaterial erforderlich, welches bei der RhB seit 1999 schrittweise in Betrieb genommen wird. Mit den 36 bestellten Retica 30-Triebzügen (RTZ) wird ab 2020 auch fahrzeugseitig eine grosse Verbesserung erreicht.

Zu Frage 2: Die Bahnunternehmungen, der Kanton und die Behindertenorganisationen sind seit vielen Jahren auf dieses Thema sensibilisiert. Die Bahnen sind daran, die einzelnen Haltepunkte aufgrund von Angebotskonzepten und des Bedarfs der baulichen Massnahmen zu priorisieren und in den Investitionsplänen aufzunehmen. Gleichzeitig werden auch allfällige Ersatzmassnahmen geplant, falls sich ein Umbau als unverhältnismässig erweist. Die Umsetzung des BehiG wird in den Gesprächen zwischen dem Kanton und den Bahnunternehmen regelmässig thematisiert.

Zu Frage 3: Gemäss dem BehiG ist es möglich, wegen Unverhältnismässigkeit der zu treffenden Massnahmen auf einen Umbau von Stationen zu verzichten. Dies trifft unter anderem auf Stationen zu, die als "Wanderhaltestellen" bezeichnet werden oder die zur Aufhebung vorgesehen sind. Bei diesen ist das Kosten/Nutzenverhältnis für die aufwändigen Sanierungen nicht gegeben. An diesen Stationen sind Ersatzmassnahmen notwendig. Gemäss aktueller Planung der RhB werden rund zehn kleinere Stationen aufgrund der technischen Möglichkeiten und wegen Unverhältnismässigkeit auch mittelfristig nicht umgebaut. Voraussichtlich 13 Stationen erfüllen die Vorgaben des BehiG nur teilweise, indem beispielsweise nur eine von zwei Perronkanten den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Zu Frage 4: Insgesamt werden bei der RhB bis 2023 zwischen 20 und 25 Stationen mit Ersatzlösungen ausgestattet sein, wie es auch das BehiG vorsieht. Betroffen sind dabei lediglich rund 9 Prozent der Fahrgäste.

15. Dezember 2017