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Session: 14.02.2018

Die Kantone sind ein wichtiger Akteur im Gesundheitswesen. Als solche sind sie in der Verantwortung, sich engagiert und konstruktiv zusammen mit anderen Akteuren dafür einzusetzen, dass die medizinische Grundversorgung in der Schweiz auch in Zukunft qualitativ gut und finanzierbar ist.

Gute Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung finden sich dort, wo finanzielle Fehlanreize im heutigen System bestehen. Ambulante Behandlungen sind eine gute Sache. Es kommt meist günstiger, wenn der Patient nur einige Stunden in der Arztpraxis oder im Spitalambulatorium verbringt, statt mehrere Tage im Spital zu liegen. Der medizinische Fortschritt hat das Feld der ambulanten Eingriffe in den letzten Jahrzenten laufend vergrössert und diese Entwicklung geht rasant weiter.

Heute werden stationäre und ambulante Behandlungen unterschiedlich finanziert. Eine ambulante Behandlung erfolgt vollumfänglich zulasten der Krankenversicherer (Prämienzahler). Wird eine medizinisch gleichwertige Behandlung stationär durchgeführt, muss der betroffene Kanton (Steuerzahler) einen grossen Teil der Kosten übernehmen.

Die unterschiedliche Finanzierung von ambulant und stationär ist ein zentrales Problem in der heutigen Finanzierung von KVG-Leistungen. Für die heutigen Finanzierer der Leistungen – Kantone und Versicherer – verhindert sie die Kostenwahrheit und führt somit zu offensichtlichen Fehlanreizen auf beiden Seiten. Gesamthaft erschwert dies die Verlagerung der Leistungserbringung vom stationären in den kostengünstigeren ambulanten Bereich (Effizienzpotenzial von 1 Mrd. Fr.) und die Sicht auf die gesamte Behandlungskette (Effizienzpotenzial von 3 Mrd. Fr. bei einer Stärkung der integrierten Versorgung). Mit Blick auf die Kostendämpfung im Gesundheitswesen ist die Einführung von EFAS deshalb eine der wichtigsten Reformen auf nationaler Ebene.

Es ist wichtig, dass auch der Kanton Graubünden bereit ist, an dieser Diskussion konstruktiv mitzuwirken und die Einführung von EFAS nicht jetzt schon zu verwerfen, wie dies mit der dezidiert ablehnenden Positionierung der GDK zu EFAS an der Plenarversammlung vom 19. Mai 2017 geschehen ist.

Der Regierungsrat wird daher beauftragt, sich für die Einführung der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) einzusetzen und sich in den entsprechenden Gremien (insbesondere der GDK) dafür stark zu machen.

Chur, 14. Februar 2018

Koch (Igis), Brandenburger, Davaz, Hug, Mathis, Nay, Salis, Toutsch

Antwort der Regierung

Die unterschiedliche Finanzierung stationärer und ambulanter Behandlungen im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) erschwert die volkswirtschaftlich sinnvolle Verlagerung von stationär zu ambulant beziehungsweise die aktive Vermeidung von Hospitalisationen und damit die Förderung der ambulanten Versorgung. Da die Versicherer bei ambulanten Leistungen 100 Prozent, bei stationären Leistungen jedoch maximal 45 Prozent der Kosten tragen, haben sie in der Regel wenig Anreiz, ambulante Behandlungen zu fördern. Dies ist einer der Gründe, weshalb in der Schweiz deutlich weniger medizinische Leistungen ambulant erbracht werden als in vergleichbaren Ländern.

Es ist unbestritten, dass die Art der Finanzierung, das heisst die Verteilung der Kostenlast zwischen Kanton und Versicherer – neben anderen ebenfalls bedeutsamen Einflussfaktoren wie unterschiedlichen Tarifsystemen (DRG und Tarmed) – den Entscheid nicht beeinflussen sollte, ob eine medizinische Untersuchung oder Behandlung ambulant oder stationär durchgeführt wird.

Die Regierung des Kantons Graubünden ist ebenso wie die Schweizer Gesundheitsdirektoren Konferenz (GDK) der Ansicht, dass Modelle der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) zu einem erheblichen Systemumbau mit unvorhersehbaren Risiken und erheblichem Mehraufwand für die Kantone führen, ohne jedoch entscheidende Wirkung auf die Steigerung der Effizienz entfalten zu können. Die Regierung wie auch der GDK-Vorstand lehnen deshalb das Modell EFAS mit einheitlicher Finanzierung der Leistungserbringer durch die Krankenversicherer ("EFAS/Monismus") aus folgenden Gründen ab:
- Wesentliche Einflussfaktoren für Ineffizienzen (Abgeltung durch Zusatzversicherungen, Tarifstrukturen) werden damit nicht tangiert und potenzielle Erfolge eines Systemwechsels dadurch in ihrer Bedeutung erheblich relativiert;
- Die Kantone würden durch eine Rolle als Minderheitsfinanzierer deutlich an Einfluss auf die Spitäler verlieren und in ihrer Steuerungsrolle im bedeutenden stationären Bereich deutlich geschwächt;
- Die Wirkungen eines Systemwechsels sind weniger gut vorhersehbar als bei Modellen mit direkterer Einflussnahme auf die Leistungsallokation.

Sollten Modelle wie "EFAS/ohne Monismus" (duale Finanzierung durch Krankenversicherer und öffentliche Hand) in der politischen Diskussion weiterverfolgt werden, sind aus Sicht der Regierung die von der GDK Plenarversammlung am 19. Mai 2017 geforderten flankierenden Massnahmen zwingend notwendig, insbesondere:
- Die Rechnungen im stationären Bereich werden gleich wie heute abgewickelt;
- Den Kantonen wird das Instrument in die Hand gegeben, das ambulante Versorgungsangebot gezielt zu steuern;
- Es besteht eine Kontrollmöglichkeit für die Kantone in Bezug auf die korrekte Abrechnung von ambulanten Leistungen für die Kantonsbevölkerung, beispielsweise durch die Schaffung eines gemeinsamen Organs (Krankenversicherer / Kantone), welches dies sicherstellt;
- Fehlanreize infolge Verknüpfung der vertraglichen Vereinbarungen der Tarifpartner im Grund- und Zusatzversicherungsbereich werden konsequent eliminiert;
- Den Kantonen kommt eine Mitsprache bei der Aufsicht der Krankenversicherer zu;
- Schliesslich kann die "gleiche Finanzierung ambulant-stationär" nur eine echte Verbesserung der Versorgungsorganisation entfalten, wenn auch der Alterspflegebereich und die Spitex in das Finanzierungsmodell einbezogen werden.

Die Regierung ist bereit, Modelle der einheitlichen Finanzierung, welche die obigen Anforderungen erfüllen, ohne Vorurteile zu prüfen. Sie soll dabei jedoch in der Beurteilung der Modelle nicht vorgängig eingeschränkt werden.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

26. April 2018