Navigation

Inhaltsbereich

Session: 12.02.2019

Als einziger Kanton verfügt Graubünden über drei Kantonssprachen. Die Förderung des Italienischen und Romanischen durch den Kanton ist notwendig, um die Dreisprachigkeit in Graubünden zu erhalten. Der Grosse Rat hat diesbezüglich eine Vorbildfunktion zu erfüllen.

In den Debatten ist es Ratsmitgliedern mit romanischer oder italienischer Muttersprache möglich, ihre Voten auf romanisch oder italienisch zu halten. Der Inhalt dieser Wortmeldungen ist jeweils sehr komplex und unterscheidet sich in Idiomen merklich. Den rein deutschsprachigen Ratsmitgliedern ist es dadurch nur bedingt möglich, einem solchen Votum gänzlich zu folgen. Den rein italienisch sprechenden Ratsmitgliedern fällt dies im umgekehrten Fall ebenfalls nicht leicht.

Auch andere mehrsprachige Kantone wie Fribourg, Bern oder das Wallis sahen sich mit dieser Herausforderung konfrontiert. Im Sinne der gelebten Mehrsprachigkeit werden dort die Debatten des Kantonsparlaments jeweils simultanübersetzt. Dadurch ist es sämtlichen Ratsmitgliedern möglich, ihre Voten in ihrer Muttersprache zu halten. Der Gehalt der Diskussionen wird auf diese Weise deutlich erhöht und sprachliche Barrieren abgebaut.

Der Kanton Graubünden hat diese Entwicklung bisher nicht aufgegriffen. Die Unterzeichnenden möchten deshalb von der Regierung gerne Folgendes wissen:

1.     Wie könnte eine Simultanübersetzung im Grossen Rat aus Sicht der Regierung pragmatisch und zweckdienlich umgesetzt werden?

2.     Wie hoch wären die Kosten für eine Simultanübersetzung in die drei Kantonssprachen und könnten zur Kostenreduktion allenfalls Systeme mit anderen Kantonen genutzt werden?

3.     Erkennt die Regierung in der aktuellen Praktik im Grossen Rat eine Benachteiligung der romanischen und italienischen Sprache?

4.     Wie gedenkt die Regierung mit Blick auf andere mehrsprachige Kantone in diesem Bereich ihre Vorbildfunktion zu verbessern?

Chur, 12. Februar 2019

Rettich, Maissen, Fasani, Alig, Atanes, Baselgia-Brunner, Bondolfi, Brunold, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Caviezel (Chur), Degiacomi, Della Cà, Deplazes (Chur), Derungs, Dürler, Ellemunter, Epp, Gasser, Geisseler, Hitz-Rusch, Hofmann, Horrer, Jenny, Locher Benguerel, Michael (Castasegna), Müller (Felsberg), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Perl, Preisig, Ruckstuhl, Rutishauser, Schwärzel, Thomann-Frank, Thöny, Wellig, Wilhelm, Zanetti (Sent), Zanetti (Landquart), Jegen, Locatelli-Iseppi, Lunghi, Spagnolatti

Antwort der Regierung

Die Regierung ist aufgrund der Anfrage aufgefordert, sich zu einer Frage zu äussern, die primär Belange des Grossen Rats betrifft. Sie tut das mit der gebotenen Zurückhaltung. Letztlich ist es Sache des Grossen Rates festzulegen, wie der Sprachgebrauch im Ratsbetrieb geregelt werden soll.

Ausgangspunkt bildet Art. 4 des Sprachengesetzes vom 19. Oktober 2006 (SpG, BR 492.100), der die Verhandlungssprache für die Beratungen im Grossen Rat und in den Kommissionen regelt. Danach kann sich jedes Ratsmitglied in der Amtssprache seiner Wahl äussern (Art. 4 Abs. 1 SpG). Eine Simultanübersetzung der Voten ist nicht vorgesehen. Eine solche war bei der Beratung des Sprachengesetzes im Grossen Rat kein Thema (vgl. GRP 2 I 2006/2007, S. 502 f.). Vor bald 30 Jahren hatte der Grosse Rat hingegen in Zusammenhang mit einem entsprechenden Postulat über die Einführung einer Simultanübersetzung diskutiert. Der Vorstoss wurde am Ende der Debatte jedoch zurückgezogen (siehe GRP 1989/90, S. 167, 329 ff.).

Vor diesem Hintergrund kann zu den einzelnen Fragen wie folgt Stellung genommen werden:

Zu Frage 1: Eine Simultanübersetzung in drei Kantonssprachen sicherzustellen ist komplexer und aufwendiger als bei zwei Sprachen wie in den Kantonen Bern, Wallis oder Freiburg. Geht man davon aus, dass im Romanischen keine Simultanübersetzung in den fünf Idiomen nötig ist, ergäben sich sechs Dolmetschrichtungen (D-I, D-R; I-D, I-R; R-D, R-I). Dabei wäre allerdings fraglich, ob sich für alle Richtungen, insbesondere vom Italienischen ins Romanische und umgekehrt, qualifizierte Simultandolmetscher/innen finden liessen. Reduzierte Lösungen (z.B. nur Übersetzungen Deutsch-Italienisch und Italienisch-Deutsch) stünden mit dem verfassungsmässigen Gebot der Gleichbehandlung in Konflikt. Die geforderte "pragmatische" Umsetzung einer Simultanübersetzung ist mithin nicht ersichtlich, diese würde vielmehr komplex ausfallen und mit namhaften Kosten verbunden sein.

Zu Frage 2: Als einmalige Ausgaben fielen Kosten für den Einbau von sechs Übersetzerkabinen sowie Kosten für die Anschaffung und Installation einer Konferenzanlage (Kopfhörerzugang, Sprachwahlschalter und Lautstärkeregler an den Arbeitsplätzen) und einer Dolmetscheranlage an. Genaue Kostenangaben dazu lassen sich ohne konkretes Projekt nicht machen. Die Kosten dürften aber bei mehreren hunderttausend Franken liegen. Dazu kämen wiederkehrende Ausgaben für den Einsatz der Dolmetscher/innen. Pro Dolmetscher/in und Sitzungstag ist mit Kosten von 1500 Franken zu rechnen. Um alle Simultanübersetzungen im Grossen Rat zu gewährleisten, bräuchte es sechs Dolmetscher/innen (pro Dolmetschrichtung ein/e Dolmetscher/in). Nach einer Einsatzzeit von einer Stunde muss jeweils eine Ablösung erfolgen, weshalb es für einen Sitzungstag zwölf Dolmetscher/innen bräuchte. Pro ganzen Sitzungstag wäre entsprechend mit Kosten von 18 000 Franken zu rechnen, bei durchschnittlich 16 Sessionstagen also mit jährlichen Kosten von 288 000 Franken. Diese Kostenannahmen basieren auf Vergleichen mit den Kantonen Bern, Wallis und Freiburg.

Zu Frage 3: Die heutige Praxis hält sich an die vom Grossen Rat mit dem Sprachengesetz beschlossene gesetzliche Regelung (Art. 4 SpG). Sie berücksichtigt namentlich den wichtigen Aspekt der praktischen Durchführbarkeit und stösst nicht zuletzt auch deshalb seit vielen Jahren auf grosse Akzeptanz, weil Konsens darüber besteht, dass es Bereiche gibt, wo die beschränkten staatlichen Mittel unter dem Gesichtspunkt der Sprachenförderung wirksamer eingesetzt werden können.

Zu Frage 4: Organisation und Strukturierung des Ratsbetriebs ist in erster Linie Sache des Grossen Rats. Dazu gehört auch die Festlegung des Sprachgebrauchs bei den Verhandlungen im Plenum und in den Kommissionen.

26. April 2019