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Session: 14.06.2019

Die Kantonsverfassung Graubündens postuliert in Artikel 75, Absätze 1 und 2: Kanton und Gemeinden fördern das Wohlergehen und die soziale Sicherheit der Bevölkerung, der Familie und der einzelnen Person. Sie setzen sich für Chancengleichheit für alle ein, insbesondere für die Gleichstellung von Frau und Mann.

In Bezug auf die Gleichstellung von Frau und Mann ist Graubünden auf einem guten Weg, wenn auch noch lange nicht am Ziel. Positive Entwicklungen gibt es vor allem in der Bildung. Frauen sind heutzutage gleich gut ausgebildet wie Männer. Ebenfalls positiv ist der Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung, der zu einer gewissen wirtschaftlichen Autonomie von Familien (Müttern) beiträgt und die Erwerbsquote von Frauen steigert.

Dagegen gibt es viele Bereiche, in denen keine oder nur eine geringe Entwicklung zu beobachten ist und für welche deshalb folgende Ziele zu verfolgen sind:

- die Erhöhung der politischen Partizipation von Frauen auf allen Ebenen;

- eine starke Erhöhung des Frauenanteils in politischen, amtlichen oder wirtschaftlichen Führungspositionen;

- die Behebung der Lohnungleichheit;

- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter und Mütter;

- die bessere Verteilung der bezahlten Erwerbs- und unbezahlten Haus- sowie Freiwilligenarbeit/Betreuungsarbeit;

- Massnahmen gegen die Frauen besonders betreffende wachsende Altersarmut;

- die Vermeidung von stark dominierenden, gesellschaftsprägenden und stereotypen Rollenbildern;

- die Behebung des erheblichen Mangels an geschlechtsspezifischen Statistiken;

- der Schutz vor Gewalt und häuslicher Gewalt sowie vor sexueller Belästigung.

Um in unserem Kanton mehr Fortschritt zu schaffen und um die Attraktivität als Wohn- und Arbeitskanton zu steigern, ist es an der Zeit, die Gleichstellung von Frau und Mann in Graubünden mutig voranzutreiben. Die SP-Fraktion erachtet es als dringend, dass der Kanton Graubünden substanzielle Fortschritte macht.

Sie beauftragt deshalb die Regierung, eine Strategie sowie einen Aktionsplan Gleichstellung sowohl für die kantonale Verwaltung  ̶  die als grosse Arbeitgeberin im Kanton mit gutem Beispiel vorangehen soll  ̶  als auch ausserhalb der kantonalen Verwaltung auszuarbeiten. Darin sollen entsprechende Ziele und Massnahmen definiert werden, die auch im Regierungsprogramm aufgenommen werden.

Für die Ausarbeitung des Aktionsplans sind die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Pontresina, 14. Juni 2019

Locher Benguerel, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Deplazes (Chur), Hofmann, Horrer, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schwärzel, Thöny, Wilhelm, Pajic

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden engagiert sich seit Jahren für die Chancengleichheit von Frau und Mann, für die Gleichstellung der Geschlechter und für die Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. In den vergangenen Jahren wurde vieles erreicht. Eine positive Entwicklung ist beispielsweise in der Bildung festzustellen. Auf allen Bildungsstufen haben Frauen auch in Graubünden aufgeholt oder die Männer sogar überholt. Der Nationale Zukunftstag, der Mädchen und Jungen für eine offene Berufswahl sensibilisiert, hat sich in Graubünden mittlerweile erfolgreich etabliert. Ein schweizweites Vorzeigeprojekt, wie die politische Partizipation von jungen Frauen gefördert werden kann, ist das Bündner Mädchenparlament. Die Anzahl Frauen in den kantonalen Kommissionen konnte erhöht werden und im Rahmen des Aktionsprogramms für Bündner KMU "Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor" der Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann (Stagl) haben in den vergangenen Jahren 26 Betriebe mit rund 2100 Mitarbeitenden an der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben gearbeitet. Mit dem Interventionsprojekt der Stagl gegen häusliche Gewalt wurde die Koordinationsstelle gegen häusliche Gewalt geschaffen, die seit 2014 im Sozialamt angesiedelt ist. Nicht zuletzt gehört der Kanton Graubünden zu den Erstunterzeichnenden der Charta der Lohngleichheit im öffentlichen Sektor. Auch werden bei der anstehenden Revision des Gesetzes über das Arbeitsverhältnis der Mitarbeitenden des Kantons Graubünden (Personalgesetz, PG; BR 170.400) unter anderem Verbesserungen der Anstellungsbedingungen wie z. B. durch Schaffung moderner Arbeitsformen/-modellen, Flexibilisierung des Altersrücktritts oder Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angestrebt.

Die Förderung der Gleichstellung und Chancengleichheit in allen Lebensbereichen ist eine Querschnitts- und Führungsaufgabe und kann nur erfolgreich sein, wenn sie gesamthaft angegangen wird.

Die Kantone Freiburg und Genf verfügen über einen Aktionsplan Gleichstellung für die kantonale Verwaltung. Im Kanton Tessin ist ein Aktionsplan in Vorbereitung. Die Regierung ist deshalb der Ansicht, dass auch der Kanton Graubünden die Gleichstellungsarbeit weiter voranbringen und stärken kann. Sie hält einen Aktionsplan mit Strategie und konkreten Massnahmen für ein geeignetes Instrument, um unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und nicht zuletzt, den Kanton als modernen und attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf, eine Strategie sowie einen Aktionsplan Gleichstellung sowohl für die kantonale Verwaltung als auch ausserhalb der kantonalen Verwaltung auszuarbeiten. Darin sollen entsprechende Ziele und Massnahmen definiert werden, die auch im Regierungsprogramm aufgenommen werden. Die Regierung ist bereit, einen entsprechenden Aktionsplan für die Gleichstellung in der kantonalen Verwaltung auszuarbeiten. Nach dessen Implementierung und Prüfung soll über eine allfällige zweite, über die Verwaltung hinausgehende Etappe, neu entschieden werden.

Die Regierung sieht hierzu ein Vorgehen in vier Phasen vor:

Phase 1:   Um ein Gesamtbild der aktuellen Gleichstellungssituation in der kantonalen Verwaltung zu erhalten, ist eine Bestandesaufnahme in den Departementen und Dienststellen zu erheben. Diese soll einen Überblick über den Status Quo, die Entwicklungen, Herausforderungen und Möglichkeiten bieten und aufzeigen, ob und wo Handlungsbedarf besteht.

Phase 2:   Damit der Aktionsplan in der kantonalen Verwaltung möglichst breit abgestützt ist, ist eine interdepartementale Arbeitsgruppe einzusetzen. Diese soll auf der Basis der Bestandesaufnahme Schwerpunkte setzen und Ziele definieren. In enger Zusammenarbeit mit den Dienststellen sollen, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen betrieblichen und organisatorischen Gegebenheiten, passende Massnahmen entwickelt werden.

Phase 3:   Umsetzung der Massnahmen in den Departementen und Dienststellen.

Phase 4:   Controlling und Schlussbericht.

Die Federführung des Projekts liegt bei der Stagl. Bei Bedarf wird externe Unterstützung beigezogen. Der Prozess dauert ab Arbeitsbeginn rund vier Jahre. Die Regierung wird gestützt auf den Aktionsplan Ziele und Massnahmen festlegen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern:

Die Regierung erarbeitet einen Aktionsplan Gleichstellung für die kantonale Verwaltung. Für die Ausarbeitung des Aktionsplans werden die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt.

29. August 2019