Navigation

Inhaltsbereich

Session: 22.10.2019

Der Bau von Zweitwohnungen war in weiten Teilen der Schweizer Alpen lange Haupttreiber der Baukonjunktur, kam aber infolge der Zweitwohnungsinitiative weitgehend zum Erliegen. Der grosse Bestand von rund 80‘000 Zweitwohnungen bringt in Graubünden künftig jedoch nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern auch erhebliche Chancen. Zweitwohnungsbesitzer sind gemäss Studien häufig einkommensstarke, gut gebildete und mobile Menschen. Sie haben für die wirtschaftliche Entwicklung in den Berggebieten extrem viel zu bieten, nämlich innovative Ideen, Investitionen und Unternehmertum. Unter ihnen finden sich viele Selbständige, Unternehmer und Personen mit wertvollen Netzwerken im In- und Ausland. Graubünden bietet die Möglichkeit zu wohnen, wo andere Ferien machen.

Für berufstätige, heutige Zweitwohnungsbesitzer wird es künftig attraktiver, mehr Zeit am Zweitwohnsitz in den schönen Bündner Bergen zu verbringen, einerseits, weil die Work-Life-Balance an Bedeutung gewinnen und andererseits, weil durch die fortschreitende Digitalisierung die räumliche Nähe zum Sitz des Arbeitgebers in Zukunft an Wichtigkeit verlieren wird.

Eine grosse Chance ist zudem die Tatsache, dass die Babyboomer-Generation in den nächsten Jahren das Pensionsalter erreicht. Diese «Neurentner» sind frei in der Wohnortwahl, häufig kapitalstark, sehr aktiv und suchen nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben neue Betätigungsfelder. Dank ihrem oft emotionalen Bezug zum Zweitdomizil haben sie eine grundsätzliche Bereitschaft, sich bei uns zu engagieren und einzubringen, sofern sie nicht - wie in der Vergangenheit leider immer wieder - als «Milchkühe» mehr geduldet als wertgeschätzt werden. Gegenseitiger Respekt und das gegenseitige Interesse gemeinsam vorwärtszukommen bilden die Basis für ein künftiges Miteinander.

Wir sind gefordert, Massnahmen zu treffen, um die Zweitwohnungsbesitzer stärker in die Bündner Gesellschaft einzubinden, deren vorhandenen Ressourcen besser zu Gunsten unseres Kantons und der Gemeinden zu nutzen und diese im besten Fall sogar dazu zu bewegen, bei uns Ihren Erstwohnsitz zu platzieren.

Es ist klar, dass die Massnahmen in Bezug auf Zweitwohnungsbesitzer zu einem grossen Teil auf Gemeindeebene umgesetzt werden müssen und es ist in keiner Weise das Ziel des Auftrages, diesbezüglich Kompetenzen in Richtung Kanton zu verlagern. Dennoch ist es erstrebenswert, dass der Kanton in seiner eigenen Zuständigkeit, aber auch administrativ, koordinativ und die Gemeinden unterstützend Verantwortung wahrnimmt und Anstrengungen zur Einbindung dieser Bevölkerungsgruppe und ihres erheblichen Potenzials für Graubünden forciert.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf, dem Grossen Rat ein Massnahmenpaket zu präsentieren und in Bezug auf konkrete Massnahmen Antrag zu stellen, wobei aufgezeigt wird, wie der Kanton in Zusammenarbeit mit den Gemeinden mehr für eine institutionalisierte, strategische und nachhaltige Einbindung von Zweitwohnungsbesitzern machen kann als dies heute der Fall ist.

Chur, 22. Oktober 2019

Hohl, Brunold, Kasper, Berweger, Bettinaglio, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Cantieni, Cavegn, Caviezel (Chur), Censi, Danuser, Della Cà, Derungs, Dürler, Ellemunter, Epp, Gasser (Chur), Geisseler, Gort, Gugelmann, Hardegger, Jenny, Jochum, Koch, Kunfermann, Lamprecht, Loepfe, Maissen, Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Perl, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Salis, Schneider, Ulber, von Ballmoos, Wellig, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Sent), Patzen

Antwort der Regierung

Der Auftrag Hohl verlangt von der Regierung, dem Grossen Rat ein Massnahmenpaket zu präsentieren und ihm konkrete Lösungsansätze zu beantragen. Es ist dabei vorneweg festzuhalten, dass sich der Auftrag mit einer Aufgabe im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden beschäftigt und somit allfällige Massnahmen dort umzusetzen sind. Nach dem ausdrücklichen Willen des Auftrags sollen jedoch in keiner Weise Kompetenzen in Richtung Kanton verlagert werden.

Die Zweitwohner sind eine grosse und bedeutende Gästegruppe für Graubünden. Sie sind damit ein wichtiges Element für die regionale Wertschöpfung. Sie tätigen Konsumausgaben in den lokalen Geschäften sowie für sportliche und kulturelle Aktivitäten. Hinzu kommt die Unterstützung des regionalen Gewerbes durch den Bau, die Erneuerung und den Unterhalt der Zweitimmobilien.

Seitens der Gemeinden und des Kantons ist es ein aktuelles Bedürfnis, das Verhältnis zu den Zweitwohnern zu reflektieren und auf neue, die Wertschätzung unterstreichende Grundlagen zu stellen. Die Pflege des Austauschs mit den Zweitwohnern ist primär Aufgabe der Gemeinden und der jeweiligen Tourismusorganisationen vor Ort. Der Kanton kann nur subsidiär tätig werden. Gemeinden und Tourismusorganisationen setzen heute bereits vielseitige Aktivitäten zur adäquaten Information und Integration der lokalen Zweitwohner um. Massnahmen können unterschiedlichster Ausprägung sein (Informationsanlässe, Rundschreiben, Stammgästeehrungen, spezifische Anlässe, Austauschplattformen wie digitale Dorfplätze, o. ä.).

Ende Oktober 2019 fand ein Treffen zwischen einer Delegation der IG Zweitheimische Graubünden und Vertretern des Departements für Finanzen und Gemeinden sowie des Departements für Volkswirtschaft und Soziales statt. Solche Treffen sind zur Sensibilisierung des Kantons für die Anliegen der Zweitwohner wichtig und helfen, die beidseitigen Anliegen besser zu verstehen.

Die Regierung sieht auch eine Chance für Graubünden, wenn sich Zweitwohner vermehrt in Graubünden aufhalten oder gar ihren Wohnort nach Graubünden verlegen. Bereits heute unterstützt der Kanton im Rahmen der Markenkampagne "Enavant 4.0" gezielte Massnahmen zur Positionierung Graubündens als Ort zum Leben und Arbeiten. Im Rahmen der Umsetzung des neuen Regierungsprogramms wird die Regierung ihre Bemühungen zur Steigerung der Attraktivität Graubündens als Wohn- und Arbeitsort weiter intensivieren.

Die Plattform GRhome.ch, die von der Interessengemeinschaft Tourismus Graubünden initiiert wurde und vom Kanton massgeblich mitfinanziert wird, richtet sich explizit auch an Zweitwohner und nicht nur an Einheimische. Knapp 20 Prozent der registrierten User sind Zweitwohner, welche ebenfalls von den exklusiven Angeboten profitieren.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern:

-        Die Regierung institutionalisiert den Dialog mit den Zweitwohnern im Rahmen von periodischen Treffen.

-        Die Regierung nutzt die nächste Gemeindetagung, um Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter für die Anliegen von Zweitwohnern zu sensibilisieren und diese zur Verstärkung des Dialogs mit den Zweitwohnern zu animieren.

-        Sofern seitens der Gemeinden ein ausgewiesener Bedarf besteht, erarbeitet die Regierung eine Grundlage, um gegenseitige Bedürfnisse zu klären und konkrete Massnahmen vorzuschlagen. Dazu wird ein Auftrag an einen geeigneten Dritten erteilt, welcher unter Einbezug von Gemeinden und Zweitwohnern Massnahmen vorschlägt und diese auf ihre rechtliche, technische und zeitliche Realisierbarkeit überprüft und priorisiert.

20. Dezember 2019