Navigation

Inhaltsbereich

Session: 19.06.2020

Im Schnitt geht jedes dritte Lebensmittel zwischen Feld und Teller verloren oder wird verschwendet, was jährlich pro Person 330 kg ausmacht. Dabei hat unsere Ernährung und insbesondere auch unsere Lebensmittelverschwendung weitreichende Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Die Verschwendung von Essen erzeugt so viele Umweltschäden wie die Hälfte aller Autos – und genauso viel Kohlendioxid wie der Flugverkehr.

So wissen wir heute, dass wer 1 kg Äpfel wegwirft, rund 820 L Wasser vergeudet.

Food Waste entsteht auf allen Stufen der Lebensmittelherstellung. Zum Beispiel in der Landwirtschaft, weil sich die Lebensmittel aufgrund von Normanforderungen nicht für den Verkauf eignen. Im Restaurant und Kantinen, wenn Tellerreste oder Buffetüberschüsse entsorgt werden, oder in den Haushalten, wenn wir zum Beispiel den letzten Schluck in der Flasche nicht mehr trinken.

Weil Food Waste einen hohen Einfluss auf unsere Umwelt hat, ist es im Interesse der Politik, einen Aktionsplan auszuarbeiten, um den Food Waste in der Schweiz bis 2030 zu halbieren. Bereits heute gibt es viele Initiativen und Projekte, welche sich genau für dieses Ziel einsetzen. Zum Beispiel das 4reasons Restaurant während dem WEF oder die Initiative Save Our Food Davos, welche regelmässig überschüssige Lebensmittel bei Detaillisten abholt und an Bedürftige verteilt.

Die Unterzeichnenden fragen die Regierung an:

  1. Ist die Food Waste Problematik im Tourismuskanton Graubünden mit einer starken Gastronomie und Hotellerie ausgeprägter als in anderen Kantonen?
  2. Wie viele Tonnen Food Waste entstehen in der Bündner Landwirtschaft aufgrund von unsinnigen Normanforderungen?
  3. Wie beabsichtigt der Kanton Graubünden Food Waste zu bekämpfen und damit die CO2 Reduktion direkt zu fördern sowie die regionale Landwirtschaft zu stärken?
  4. Wo konkret sieht der Kanton Möglichkeiten, lokale Initiativen zu unterstützen und weiter zu entwickeln (Fördermassnahmen)?

Chur, 19. Juni 2020

Favre Accola, Koch, Hug, Brandenburger, Della Cà, Dürler, Gort, Salis, Weber, Renkel

Antwort der Regierung

Hergestellte Lebensmittel, die nicht konsumiert werden, generieren unnötige CO2-Emissionen. Die Umweltbelastung und der CO2-Ausstoss von Food Waste hängen dabei stark von Herkunft und Transport der Lebensmittel sowie von der Art der biogenen Abfälle ab. In der Schweiz entsteht jährlich Food Waste in der Grössenordnung von 2,8 Millionen Tonnen. Schweizweit stammen die grössten Beiträge zu den Food Waste Mengen aus den Haushalten (28 %) und aus der Lebensmittelverarbeitung (35 %). Die Anteile aus der Gastronomie (7 %), aus dem Gross- und Detailhandel (10 %) und aus der Landwirtschaft (20 %) sind deutlich geringer (Quelle: ETH, 2019, im Auftrag des BAFU).

Zu Frage 1: Da es im Kanton Graubünden auf die Einwohnerwerte bezogen mehr Gastro- und Hotelbetriebe gibt als in anderen Kantonen, dürfte der Food Waste-Anteil über dem nationalen Durchschnitt liegen. Leider fehlen genaue Zahlen dazu. Nimmt man die Schweizer Zahlen als Massstab, wo der Food Waste aus Gastronomie und Hotellerie um einen Faktor vier tiefer liegt als aus den Haushalten (196 000 Tonnen gegenüber knapp 784 000 Tonnen pro Jahr), dürfte die Bedeutung dieser Branche aber eher gering sein. Dennoch darf die Umweltbelastung durch Food Waste aus der Gastronomie nicht unterschätzt werden, da für die Produktion der Lebensmittel am Ende der Wertschöpfungskette viele Ressourcen verbraucht und Emissionen produziert werden. Der allergrösste Teil der Lebensmittelabfälle aus der Gastronomie und Hotellerie wird jedoch stofflich oder energetisch verwertet. Der als gespendete Lebensmittel und Tierfutter verwendete Anteil ist im Vergleich dagegen sehr gering. Ein weiterer kleiner Anteil wird thermisch verwertet. Aus Umwelt und CO2-Perspektive sind das Spenden und das Verfüttern sinnvoller als die stoffliche und energetische Verwertung.

Zu Frage 2: Für den Food Waste Anteil aus der Bündner Landwirtschaft besteht keine Datengrundlage. Es wurde eine grobe Schätzung anhand der Datenerhebung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der kantonalen Auswertung der Flächen von Spezialkulturen gemacht, die in Graubünden im Vergleich zum Schweizerischen Mittelland sehr gering sind. Aufgrund dieser Datengrundlagen ergeben sich etwas mehr als 1000 Tonnen Food Waste aus der Primärproduktion. Der Anteil wegen Normanforderungen wird dabei grob auf 20 % geschätzt. Im Vergleich mit anderen Sektoren ist der Anteil der Bündner Landwirtschaft somit als gering zu bezeichnen. Von den Verlusten aus der Bündner Landwirtschaft werden rund drei Viertel dem Boden zurückgeführt und ein Viertel verfüttert. Die Normanforderungen der Landwirtschaft werden massgeblich von den geltenden Normen der Detailhändler bestimmt, die wiederum von den Anforderungen an Produktfrische und -aussehen der Verbraucher abhängen.

Zu Frage 3: Die Regierung unterstützt Massnahmen zur Reduktion von Food Waste, da dieser einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Umweltbelastung und damit auch zu den CO2-Emissionen liefert. Massnahmen zur Reduktion von Food Waste werden deshalb auch im Rahmen des Aktionsplans Green Deal (AGD) geprüft. Food Waste ist zudem Teil der Massnahmen des Entwicklungsschwerpunkts "Klimaneutrale Landwirtschaft" im Regierungsprogramm 2021 bis 2024. Denn wirksame Massnahmen zur Reduktion von Food Waste betreffen die gesamte Kette von der Produktion bis zum Verbrauch von Nahrungsmitteln. Zentral sind dabei Sensibilisierungs- und Bildungsmassnahmen, weil das Konsumentenverhalten einen hohen Stellenwert bei der Bekämpfung von Food Waste einnimmt. Am meisten Wirkung erzielen Massnahmen dort, wo am meisten Food Waste anfällt, nämlich im Haushalt und in der Lebensmittelverarbeitung. Bereits heute unterstützen Dienststellen Sensibilisierungskampagnen wie "Save Food – Fight Waste" oder "Tischlein deck dich". Ausserdem arbeitet der Schweizerische Bauernverband mit der Initiative "too good to go" zusammen. Der Kanton fördert zudem im Rahmen des Entwicklungsschwerpunkts "Verbesserung der landwirtschaftlichen Wertschöpfung in einer intakten Kulturlandschaft" die Regionalprodukte und die regionalen Waren- und Wertschöpfungsketten. Die Direktvermarktung ist dabei ein wichtiges Thema, denn in der Direktvermarktung bestehen keine Normanforderungen an die Produkte bezüglich Grösse und Aussehen wie im Detailhandel, was den Verlust infolge nicht erfüllter Vermarktungs- oder Qualitätsstandards ganz wesentlich reduziert.

Zu Frage 4: (Siehe auch Antwort zu Frage 3.) Lokale Initiativen werden bereits heute im Rahmen der gesetzlichen und finanziellen Möglichkeiten durch die kantonalen Dienststellen unterstützt. Bei den Massnahmen zur Reduktion von Food Waste entfalten besonders regionale Produktionsketten und kurze Warenflüsse eine hohe Wirkung. Im AGD werden zusätzlich zu Sensibilisierungs- und Bildungsmassnahmen auch flankierende Massnahmen vorgeschlagen, um lokale Initiativen zusätzlich finanziell unterstützen zu können.

14. August 2020