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Session: 18.02.2021

Die rasant steigende Wolfspopulation in den Berggebieten erhöht abermals den Druck auf die Landwirt- und Alpwirtschaft und den alpinen Tourismus. Die Situation ist bereits heute dermassen prekär und angespannt, dass Alpen frühzeitig abgealpt werden müssen oder gar nicht mehr bestossen werden. Durch die Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes in der Volksabstimmung vom September 2020 hat sich die Situation weiter verschärft. Das Risiko ist gross, dass etliche Berglandwirtschaftsbetriebe aufgegeben werden. Vermehrt werden einzelne Wölfe oder Wolfsrudel in und um Siedlungen anzutreffen sein. Die natürliche Scheu vor dem Menschen geht verloren. Die Konflikte in den Siedlungsgebieten und im Zusammenhang mit touristischen Aktivitäten nehmen zu. Ohne Gegenmassnahmen droht die beschleunigte Abwanderung ganzer Talschaften und die «Vergandung» vieler Alpen im gesamten Berggebiet. Die Folge daraus sind erhöhte Gefahren und unbekannte Auswirkungen in der gesamten Naturgefahrenabwehr.

Der Bund steht unter Handlungsdruck, auf Verordnungsstufe erste Pflöcke für die vereinfachte Regulierung von Wölfen einzuschlagen und die ungebremste Ausbreitung auch im Siedlungsgebiet zu bremsen. Zudem sind die Bundesfinanzen zur Abfindung der Herdenschutzmassnahmen massiv aufzustocken, ohne die Kantone zusätzlich zu belasten.

Die Regierung wird beauftragt:

  1. Zu prüfen, ob im Rahmen der nationalen Jagdgesetzgebung und angesichts der dynamischen Populationsentwicklung der Wölfe generell die Sicherheit und die Interessen des Kantons Graubündens mit dessen Bergland- und Alpwirtschaft gewahrt sind.
  2. Den Bundesrat im Hinblick auf die künftigen Wolfsbestände im Kanton Graubünden und zur Wahrung der Sicherheit und im Interesse der betroffenen Bevölkerung zur Anpassung der Jagdgesetzgebung aufzufordern.

Davos, 18. Februar 2021

Hefti, Brandenburger, Favre Accola, Della Cà, Dürler, Gort, Hug, Koch, Salis, Weber, Renkel

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden ist von der Wolfspräsenz besonders betroffen und es ist absehbar, dass in Zukunft das Gebirgs- und Alpgebiet im ganzen Alpenbogen von Wölfen besiedelt sein wird. Im Alpenbogen kommt der Alp- und Landwirtschaft, die sich extensiv und naturnah gestaltet, eine erhebliche kulturelle, wirtschaftliche und soziale Bedeutung zu. Sie steht als hauptbetroffener Bereich mit der Wolfspräsenz in Konflikt. Die in das Thema involvierten Departemente und Ämter haben gemeinsame Grundsätze und eine gemeinsame Haltung zum Thema festgelegt:

Danach muss ein modernes Wolfsmanagement die verschiedenen Bedürfnisse und Ansprüche an den Lebens-, Kultur- und Naturraum berücksichtigen. Der Herdenschutz mit den zwei Pfeilern technischer Herdenschutz (Zäune etc.) und Einsatz von Herdenschutzhunden (HSH) soll mit der präventiven Wolfsregulierung als weiterer Pfeiler gestärkt werden. Die Möglichkeit zur präventiven, nicht Art gefährdenden Regulierung der Wolfsrudel mit Einbezug des Abschusses von verhaltensauffälligen Wölfen (z.B. bei Nutztierrissen in geschützten Herden, Verlust der Scheu gegenüber dem Menschen, potentieller Gefährdung des Menschen) ist in der intensiv bewirtschafteten Landschaft zwingend notwendig, damit eine Koexistenz mit dem Wolf möglich ist.

Die präventive Regulierung ist darum langfristig die einzige, effektive Massnahme zur Vergrämung von Wölfen bzw. von Wolfsrudeln und soll auch zur Selektion und Erziehung einer Wolfspopulation eingesetzt werden, um die natürliche Scheu und den Abstand zum Menschen und seiner Umgebung, seinen Infrastrukturen und Nutztieren zu bewahren. Zudem soll der Bund entsprechend den Ansätzen der KORA (KORA Bericht Nr. 91, 25 Jahre Wolf in der Schweiz, Eine Zwischenbilanz, Juli 2020, S. 61–63) bezüglich der anzustrebenden Wolfsdichte festlegen, wie viele Wolfsrudel oder Tiere in der Schweiz zur Sicherstellung des Artenschutzes nötig sind. Diese tolerierbare Wolfsdichte ist aufgrund nachvollziehbarer Kriterien auf die einzelnen Kantone umzulegen. Jeder Kanton hat in der Folge nach definierten Kriterien das Wolfsmanagement angesichts der Ziele betreffend Anzahl Rudel und Tiere zu vollziehen.

Zu Punkt 1: Durch die geltende nationale Jagdgesetzgebung sind angesichts der dynamischen Populationsentwicklung der Wölfe die Sicherheit und die Interessen des Kantons Graubünden mit dessen Bergland- und Alpwirtschaft nicht ausreichend gewahrt. Darum spricht sich die Regierung im Sinne einer gangbaren Koexistenz mit diesem Grossraubtier für die Einführung und Umsetzung eines zeitgemässen Umgangs mit der Wolfspräsenz aus. Zudem setzt sich die Regierung mit anderen Vertretern der Gebirgskantone dafür ein, geeignete Grundlagen zum Thema Wolfsentwicklung und Konfliktpotential, insbesondere bezüglich des wichtigen Verhältnisses zwischen Wolfspräsenz und Alp- und Landwirtschaft, zu erarbeiten, um die Probleme und Bedürfnisse der betroffenen Berggebietsregionen gegenüber der Politik, den Behörden und einem breiten gesellschaftlichen Umfeld politisch und fachlich besser aufzeigen zu können.

Zu Punkt 2: Die Ablehnung des revidierten eidgenössischen Jagdgesetzes durch das Schweizer Stimmvolk gilt es zu akzeptieren. Die Notwendigkeit, Instrumente zur nachhaltigen und wirksamen Entschärfung der Wolfsthematik zu schaffen, ist aber ausgewiesen. Die Regierung ist bezüglich Anpassung der eidgenössischen Jagdgesetzgebung deshalb regelmässig und proaktiv in Kontakt mit dem Bundesrat und mit den Bündner Bundesparlamentariern. Sie vertritt dabei stets die einleitend aufgeführte Haltung für eine verantwortungsbewusste Regulierung des Wolfsbestands. Sie wird sich auch zukünftig bei den zuständigen Bundesbehörden und erforderlichenfalls auch beim Bundesrat oder den zuständigen Departementen für einen zeitgemässen Umgang mit der Wolfspräsenz und für einen starken Herdenschutz engagieren.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen.

3. Mai 2021