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Session: 18.02.2021

Der Kanton Graubünden ist ein Tourismuskanton. Nicht zuletzt der Sommer 2020 war ein sehr erfolgreicher. Die Kehrseite des Erfolges ist aber ein zunehmendes Littering als Folge der guten Frequenzen. Die sichtbaren, ökonomischen (Reinigung auf Kosten der öffentlichen Hand), landwirtschaftlichen und visuellen Folgen sind weitreichend. Speziell im Tourismus ist es entscheidend, dass wir unsere Natur sauber halten, denn mit zu den am häufigsten genannten Gründen für den Aufenthalt in unserem Kanton wird eine intakte Natur aufgeführt.

Eine gute Möglichkeit bei der Bekämpfung von Littering sind präventive Massnahmen. Vor allem die einheimische Bevölkerung kann durch gezielte Sensibilisierung auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Nicht zuletzt die Schule ist ein idealer Ort, um Kinder und Jugendliche ausführlich zu informieren. Viele Gemeinden schlagen diesen Weg ein. Eine kantonal übereinstimmende Handhabung fehlt allerdings mancherorts – auch im Kanton Graubünden. Vielmehr sind es heute vor allem Verbände, Private und Interessierte, welche beim Kampf gegen das Littering Hand bieten und Präventionsmassnahmen initiieren. So sensibilisiert beispielsweise die von privater Seite gegründete «Interessensgemeinschaft Saubere Umwelt (IGSU)» mit dem jährlich stattfindenden Clean-Up-Day für dieses Thema. Viele Landwirtschaftsbetriebe machen mit eigenen Ideen oder nationalen Kampagnen (https://www.landwirtschaft.ch/) ebenfalls auf den Missstand aufmerksam, um ihre Tiere vor Erkrankungen durch Abfall zu schützen. Möglicherweise könnte man in touristisch stark frequentierten Gebieten auch mit Rangern arbeiten, welche die Leute auf eine sympathische Art und Weise informieren und sensibilisieren könnten.

Eine zweite Schiene, Littering zu bekämpfen, ist die Schaffung gesetzlicher Grundlagen. Auch wenn ein Vergehen der sog. Abfallsünder nur sehr schwierig nachzuweisen ist, können Bussen doch immerhin eine abschreckende Wirkung erzielen. Weiter findet eine Art gegenseitige Kontrolle der Naturbenutzer statt. Gerade dort, wo auswärtige Feriengäste und Touristen das Zielpublikum sind, nützen Präventionsmassnahmen weniger als bei der einheimischen Bevölkerung. Einige Schweizer Gemeinden haben heute dank einem kommunalen Polizeigesetz die Möglichkeit, Abfallsünder zu büssen. Auch hier fehlt im Kanton Graubünden aber ein abgestimmtes Vorgehen.

Kantonale, gemeinsame Abwicklungen wären wünschenswert, damit alle Gemeinden gegenüber Abfallsündern auf dieselben Grundlagen zurückgreifen können. Positiv auf solche vereinheitlichte Lösungen hat die Bündner Regierung bereits 2016 im Vorfeld der nationalrätlichen Debatte über die parlamentarische Initiative (Jacques Bourgeois) «Verstärkung der Massnahmen gegen das Liegenlassen von Abfällen (Littering)» reagiert und «sieht die Vorlage als wichtigen Schritt, um eine schweizweit einheitliche und abschliessende Regelung für das unerlaubte Wegwerfen und Liegenlassen von Siedlungsabfällen zu treffen.» Die Initiative wurde knapp abgelehnt und das Thema im Kanton Graubünden nicht weiter priorisiert. Im «Abfallplan Graubünden 2016» (Amt für Natur und Umwelt) wird zum Thema Littering schliesslich folgendes festgehalten: «Das Phänomen Littering ist dennoch nicht primär ein Abfallthema, sondern eines der Sauberkeit und auch der Sicherheit im öffentlichen Raum. Littering ist ein gesellschaftliches Problem, das die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger beschäftigt.»

Vor diesem Hintergrund wird die Regierung beauftragt:

  1. Eine Ist-Zustandsanalyse in Bezug auf die Littering-Problematik zu erarbeiten.
  2. Mögliche Massnahmen zu Information und vermehrter Prävention aufzuzeigen (u. a. auch Einbezug der Schulen, Einbezug älterer Generationen, Social-Media-Auftritt etc.).
  3. Mögliche kantonale gesetzgeberische Massnahmen vorzuschlagen, die eine Verzeigung von Abfallsündern ermöglichen würde.
  4. Ein gesamtheitliches kantonales Konzept zur Prävention und Verminderung von Littering durch Einheimische und Gäste zu erarbeiten und es dem Grossen Rat vorzulegen (u. a. auch mit Einbezug von präventiven und gesetzgeberischen Lösungen anderer Kantone).

Davos, 18. Februar 2021

Widmer (Felsberg), Casty, Salis, Atanes, Berther, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Clalüna, Crameri, Danuser, Della Cà, Dürler, Ellemunter, Epp, Florin-Caluori, Flütsch, Föhn, Gugelmann, Hefti, Horrer, Kohler, Lamprecht, Loepfe, Müller (Felsberg), Müller (Susch), Niggli-Mathis (Grüsch), Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Tanner, Ulber, Widmer-Spreiter (Chur), Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Littering ist im Kanton Graubünden vor allem ein Problem für die Tiergesundheit sowie ein ästhetisches Problem. Gefährdet sind insbesondere Nutztiere und in beschränktem Masse Wildtiere, wenn sie weggeworfenen Müll fressen und daran erkranken oder sogar verenden. Zudem kann Hundekot das Gras verschmutzen oder ins Futter gelangen und durch Parasiten gehäufte infektiöse Aborte zur Folge haben. Die Umwelt ist durch Littering hauptsächlich insofern betroffen, als durch das ungeordnete Wegwerfen von Müll in die Umgebung die Stoffe nicht recycelt werden können. Direkte ökologische Auswirkungen auf Boden oder Gewässer entstehen kaum oder sind nur punktuell und dadurch sehr begrenzt. Grundsätzlich ist Littering ein Thema, das die "Sauberkeit" des öffentlichen Raums betrifft und deshalb hauptsächlich aus "gesellschaftlicher" Perspektive anzugehen ist.

Zu Punkt 1: Im Rahmen der Petition 3 der Jugendsession Graubünden 2019 wurde bereits der Ist-Zustand im Kanton bezüglich Littering qualitativ beurteilt. Aus den damaligen Umfragen bei grösseren Bündner Gemeinden und einer Einschätzung der kantonalen Dienststellen geht hervor, dass Littering zwar örtlich und zeitlich begrenzt auftritt, aber für die meisten befragten Behörden kein besonders akutes Problem dar­stellt, das prioritär angegangen werden muss. Einzig bei der Landwirtschaft gibt es einen erhöhten Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Littering, da besonders bei Weideflächen entlang von Strassen Abfälle wie Dosen oder Glasscherben für Nutztiere eine grosse Gefahr darstellen. Abfälle werden teilweise durch Mähmaschinen zerkleinert und dann von den Nutztieren gefressen. Um den Ist-Zustand des Littering-Problems im Kanton breiter und detailliert beurteilen zu können, sind weitere Abklärungen notwendig und nützlich.

Zu Punkt 2: Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Ressourcenverbrauch und Wegwerfmentalität kann z. B. über die Schulen erfolgen. Dazu wurden das Amt für Natur und Umwelt und die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) bereits von der Regierung beauftragt, geeignete Möglichkeiten zu prüfen. Derzeit ist eine Projektskizze zur Einrichtung einer Umweltbildungsfachstelle an der PHGR in Erarbeitung. Durch diese Stelle und ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für Lehrerinnen und Lehrer kann der gezielten Information bzw. Prävention bezüglich Littering-Problematik angemessen Rechnung getragen werden. Die Ergebnisse der geplanten Onlineumfrage können dabei aufgenommen werden.

Zu Punkt 3: Auf kantonaler Ebene gibt es mit Art. 36h des Polizeigesetzes des Kantons Graubünden (PolG; BR 613.000) in Verbindung mit Art. 36a Abs. 1 lit. c der Polizeiverordnung (PolV; BR 613.100) bereits eine gesetzliche Grundlage, um Littering im Ordnungsbussenverfahren mit 100 Franken zu bestrafen. Die strafrechtliche Verfolgung liegt aufgrund von Art. 36k PolG grundsätzlich bei der Gemeinde. Sofern das Ordnungsbussenverfahren nicht angewendet werden kann, greift das ordentliche Strafverfahren (Art. 3 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR 350.100]).

Zu Punkt 4: Der Bedarf eines gesamtheitlichen kantonalen Konzepts zur Prävention von Littering ist aufgrund des heutigen Wissensstands nicht gegeben. Dem Littering und seinen Auswirkungen kann auf drei Handlungsachsen wirksam entgegengetreten werden: Durch solide und breit abgestützte Umweltbildung, durch die Umsetzung von gezielten Massnahmen zum Schutz der Nutztiere und durch den Einsatz von Rangerinnen und Rangern, die in sensiblen Gebieten patrouillieren und mit potenziellen Litteringsündern das Gespräch suchen. Diese Handlungsachsen werden bereits heute verfolgt.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat den vorliegenden Auftrag betreffend den Punkt 1 wie folgt abzuändern: Eine Onlineumfrage bei Gemeinden und Landwirten zur Littering-Problematik durchzuführen, betreffend den Punkt 2 wie folgt abzuändern: Im Rahmen des Projekts "Umweltbildungsfachstelle PHGR" Informations- und Präventionsmassnahmen zur Littering Problematik aufzuzeigen und betreffend die Punkte 3 und 4 abzulehnen.

23. April 2021