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Session: 21.04.2021

Das Areal Sennhof wurde im Zuge der Realisierung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Cazis Tignez einer neuen Nutzung zugeführt. Ein Investorenwettbewerb entschied darüber, wer das Baurecht erhält. Wie bekannt, gewann das Projekt «Kontinuum» den Investorenwettbewerb und erhielt den Zuschlag für das Baurecht. Im Bericht des Beurteilungsgremiums führt die Investorengruppe des Projektes «Kontinuum» in der Beschreibung und Dokumentation der Projektstudie unter anderem aus:

«Der Neubauteil bietet preisgünstige Genossenschaftswohnungen, vorwiegend für Familien, aber auch für den heute dringend nötigen Wohnraum für das Alter. Ein belebter öffentlicher Sennhof für alle Altersklassen ist somit garantiert» («Bericht des Beurteilungsgremiums – Investorenwettbewerb Areal Sennhof», S. 43. Online: https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/diem/hba/planen-bauen/wettbewerbe/Juryberichte/WEB_Bericht_Investorenwettbewerb_Sennhof.pdf).

Wie mittlerweile öffentlich bekannt (siehe Beitrag im SRF-Regionaljournal Graubünden vom 15. April 2021), werden – trotz dem ursprünglichen Versprechen der im Investorenwettbewerb eingereichten Pilotstudie – keine preisgünstigen Genossenschaftswohnungen realisiert. Ganz im Gegenteil werden Eigentumswohnungen im oberen Preissegment realisiert. So steht auf der entsprechenden Verkaufswebsite:

«Im Neubau entstehen 29 Eigentumswohnungen auf fünf Etagen im Baurecht. Die 2.5- bis 5.5-Zimmerwohnungen sind mit gemütlichen Loggias ausgestattet. Im Erdgeschoss sind attraktive Maisonette-Wohnungen geplant» (Verkaufswebsite der «Einfachen Gesellschaft Sennhof», Online: https://sennhof.info/der-sennhof/nutzungen).

Dieser Wortbruch des Kantons als Baurechtsgeber wie auch der Investorengruppe wirft Fragen auf. Die Regierung hat darum folgende Fragen der Unterzeichnenden zu beantworten:

  1. Zu welchem Zeitpunkt hatte die Regierung erstmals Kenntnis davon, dass keine preisgünstigen Genossenschaftswohnungen auf dem Areal Sennhof realisiert werden?
  2. Welche Massnahmen prüfte die Regierung, um das ursprüngliche Versprechen nach preisgünstigen Genossenschaftswohnungen durchzusetzen?
  3. Welche der geprüften Massnahmen setzte die Regierung effektiv um?
  4. Woran lag es, dass es keine Genossenschaftswohnungen auf dem Areal Sennhof realisiert wurden bzw. welche Kontrollmechanismen versagten?

Davos, 21. April 2021

Horrer, Gartmann-Albin, Perl, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Caviezel (Chur), Hofmann, Müller (Felsberg), Preisig, Rettich, Rutishauser, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Pajic, Spadarotto, Stieger, Tomaschett (Chur), van Kleef

Antwort der Regierung

Mit der Inbetriebnahme der geschlossenen Justizvollzugsanstalt (JVA) Cazis Tignez wurde der Justizvollzug im Sennhof aufgegeben. Bis Ende 2021 werden die Churer Standorte der Staatsanwaltschaft neu in gemeinsamen Büroräumlichkeiten an der Rohanstrasse 5 zusammengelegt. Die spezifisch für den Anstaltsbetrieb konzipierten Räumlichkeiten im Sennhofareal können für keine andere Verwaltungstätigkeit verwendet werden, sodass diese in das Finanzvermögen des Kantons überführt und mittlerweile auf Baurechtbasis an Dritte übergeben wurden. Die Abgabe kantonaler Liegenschaften hat gemäss Finanzrecht zu marktüblichen Werten zu erfolgen.

Die Lage des Gesamtareals am östlichen Rand der Churer Altstadt ist anspruchsvoll und durch ein geschichtsträchtiges Gebäudeensemble geprägt. Um den Interessen des Kantons, der Stadt Chur und der Öffentlichkeit am besten gerecht zu werden, wurde durch das kantonale Hochbauamt im Jahr 2018 ein offener Investorenwettbewerb durchgeführt. Ziel des Verfahrens war die Erlangung von Angeboten für die Vergabe eines Baurechts jeweils kombiniert mit einer Projektstudie. Nebst den wirtschaftlich relevanten Kriterien aufgrund der finanzrechtlichen Vorgaben des Kantons waren insbesondere qualitative Kriterien wie die Bereicherung der Altstadtzone, ein vielfältiger Nutzungsmix, die Nutzungsqualität sowie freiräumliche Aspekte für die Beurteilung der Projekteingaben massgebend. Im Vorfeld hatte die Regierung den Grossen Rat im Rahmen der Beantwortung zweier Parlamentsvorstösse über den für das Sennhofareal angedachten Investorenwettbewerb und die zu beachtenden Vorgaben aus dem Finanzhaushaltsrecht orientiert (Antwort der Regierung vom 13. März 2013 zur Anfrage Michel betreffend Umnutzung Sennhof: Ein Gefängnis das Freiraum ermöglicht; Antwort der Regierung vom 23. August 2017 zur Anfrage Widmer-Spreiter betreffend wie weiter mit dem Sennhof).

Im Rahmen des im Jahr 2018 vom Kanton veranstalteten öffentlichen Investorenwettbewerbs hat das Bündner Investorenteam um die "Einfache Gesellschaft Sennhof" mit dem Projekt "Kontinuum" das überzeugendste Angebot eingereicht. Das Projekt führt die bestehende Gebäudestruktur mit einem Neubau gelungen weiter und fügt sich harmonisch sowie durchdacht in die Altstadt ein. Die Gesamtidee wird durch den vielseitigen und gut strukturierten Nutzungsmix mit Restaurant, Gewerbe, unterschiedlichen Wohnformen, Kultur sowie Raum für Studierende unterstützt und entspricht damit den Beurteilungskriterien.

Die Investoren schlugen in einem Teilbereich des Wohnens Genossenschaftswohnungen vor, welche vom Kanton begrüsst, jedoch weder eine Anforderung aus dem Wettbewerbsprogramm, ein Entscheidkriterium des Beurteilungsgremiums noch Bestandteil der Bedingungen des im 2019 abgeschlossenen Baurechtsvertrags sind.

Zu Frage 1: Der Kanton wurde im ersten Halbjahr 2019 von den Investoren darüber informiert, dass Genossenschaftswohnungen finanziell nicht tragbar sind und andere Finanzierungsformen gesucht werden müssen.

Zu Fragen 2 und 3: Da die Investoren mit ihrem Entscheid weder die Vorgaben (Beurteilungskriterien) des Wettbewerbs noch die vertraglichen Regelungen (Baurechtsvertrag) verletzen, war eine Intervention bzw. waren Massnahmen des Kantons weder angebracht noch rechtlich möglich.

Zu Frage 4: Der Kanton verfügt nicht über eine rechtliche Grundlage zur Förderung von preisgünstigen Genossenschaftswohnungen. Demnach haben auch keine Kontrollmechanismen versagt.

28. Juni 2021