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Session: 08.12.2021

Seit Jahren ist die Schaffung eines Konsumraums mit Kontakt- und Anlaufstelle ein Bedürfnis der Randständigen sowie der Fachpersonen in unserem Kanton. Der Grosse Rat hat am 30. August 2019 ebenfalls mit 99 zu 0 Stimmen einen entsprechenden Auftrag an die Bündner Regierung überwiesen. Bislang wird diese Massnahme seitens des zuständigen Volkswirtschaftsdepartements jedoch nicht weiterverfolgt. Dies obschon die Etablierung eines Konsumraums als Handlungsempfehlung aus den Abklärungen des Kantons hervorging.

Die Dringlichkeit wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass der Churer Gemeinderat am 18. November 2021 einstimmig einen parlamentarischen Auftrag an den Stadtrat überwiesen hat, welcher ihn auffordert, die Schaffung eines Konsumraums und weiterer Massnahmen zu prüfen, auch wenn diese in der Zuständigkeit des Kantons liegen. Gerade die Stadt Chur hat aufgrund ihrer Zentrumsfunktion speziell unter der Entwicklung der Drogenszene zu leiden. Handel und Konsum konzentrieren sich in der Hauptstadt, auch wenn viele Beteiligte und Betroffene aus Dörfern und Talschaften des Kantons und dem Rheintal stammen. Die Problematik hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Beschaffungsprostitution und vermehrt junge Schwerstabhängige sind heute bittere Realität. Dass die Stadt Chur diesem Problem nun aktiv entgegenwirkt, ist ein wichtiger Schritt. Dennoch wäre dies Aufgabe des Kantons. Der Kanton hat mit dem Umzug des Vereins Überlebenshilfe in zentralere Infrastrukturen sowie der Übernahme der Streetwork wichtige Schritte geplant und teils bereits umgesetzt, doch reichen diese nach Ansicht der Fachleute nicht aus, um das Problem rasch in den Griff zu bekommen.

Die Fachleute sind sich einig, dass Massnahmen zur Eindämmung der Drogenszene vor allem dann wirksam sind, wenn sie möglichst gut aufeinander abgestimmt sind. Dies gilt insbesondere für Kontakt- und Anlaufstelle, Streetwork und einen begleiteten Konsumraum (mit Drug Checking und Ameisendeal (Kleinhandel vor Ort)). Die Unterzeichnenden stellen der Regierung die folgenden Fragen:

  1. Welche Massnahmen hat der Kanton konkret geplant und wie lautet der Fahrplan der geplanten Massnahmen des Kantons?
  2. Wie funktioniert die Koordination der verschiedenen Massnahmen von Kanton und Stadt? Ist davon auszugehen, dass die beiden Player eng miteinander zusammenarbeiten und ihre Massnahmen miteinander koordinieren, wenn beispielsweise der Kanton die Kontakt- und Anlaufstelle sowie die Streetwork betreibt und die Stadt im Sinne einer Vorleistung einen Konsumraum in Betrieb nehmen möchte?
  3. Unterstützt der Kanton die Stadt Chur, wenn diese beispielsweise einen begleiteten Konsumraum mit Drug Checking plant und den sogenannten Ameisendeal darin zulassen möchte?
  4. Ist der Kanton den beteiligten AkteurInnen (Fachstellen und Stadt) bei der Suche nach geeigneten Liegenschaften für einen Konsumraum mit Kontakt- und Anlaufstelle behilflich?

Chur, 8. Dezember 2021

Rettich, Rutishauser, Pajic, Atanes, Baselgia-Brunner, Brandenburger, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Degiacomi, Gartmann-Albin, Hofmann, Hohl, Holzinger-Loretz, Horrer, Marti, Niggli-Mathis (Grüsch), Perl, Preisig, Thomann-Frank, Wilhelm, Conrad-Roner, Fetz, Spadarotto, Stocker, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

In der Augustsession 2019 überwies der Grosse Rat den Auftrag betreffend Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige im Sinne des Änderungsantrags der Regierung mit 99 zu 0 Stimmen. Dieser lautete: «Die Regierung erarbeitet unter Einbezug der relevanten Akteure und Schlüsselpersonen (…) innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Bericht zur gegenwärtigen Situation und zum möglichen Handlungsbedarf mit Empfehlung und deren Kosten».

Infodrog untersuchte im Auftrag der Regierung zwischen November 2019 und Mai 2020 die Situation und den Bedarf im Bereich der Suchthilfe im Kanton Graubünden. Mit Fertigstellung des Berichts per Ende Juni 2020 ist die Regierung dem in abgeänderter Form überwiesenen Auftrag des Grossen Rats nachgekommen. Der Bericht formuliert sieben Handlungsempfehlungen an den Kanton Graubünden, welche in ihrer Gesamtheit sehr umfassend sind. Angesichts der politischen Dringlichkeit hat die Regierung die Empfehlungen von Infodrog zur Schaffung eines Angebots der Aufsuchenden Sozialarbeit (Streetwork) und zur Schaffung einer Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum vorgezogen und das entsprechende Angebot für Suchtbetroffene im Kanton mit externer Unterstützung überprüft, mit Fachpersonen diskutiert und Lösungsvorschläge erarbeitet. Neben dem Bedarf wurden auch die geschätzten Kosten sowie die Umsetzbarkeit der Massnahmen beurteilt. Der Bericht der Dieter P. Wirth Managementwerkstatt zeigt dabei verschiedene Vorgehensvarianten samt Kostenschätzung auf.

Im Juni 2021 hat die Regierung die Variante «Rollende Verbesserung» beschlossen. Der Grosse Rat hat die dafür vorgesehenen Finanzmittel im Umfang von 400 000 Franken für das Jahr 2022 sowie 500 000 bis 600 000 Franken für die Finanzplanjahre 2023 bis 2025 in der Dezembersession 2021 genehmigt und das von der Regierung dargelegte Vorgehen bestätigt.

Zu Frage 1: Die rollende Verbesserung der niederschwelligen Angebote sieht die Fortführung der Aufsuchenden Sozialarbeit (Streetwork), die Errichtung einer neuen und grösseren Kontakt- und Anlaufstelle an einem zentralen Ort sowie die Verbesserung der Wohnangebote mit Begleitung vor. Im ersten Schritt hat die Regierung im Januar 2022 den Leistungsauftrag «Streetwork Chur» für die Jahre 2022 bis 2025 an den Verein Überlebenshilfe Graubünden (UHG) genehmigt und damit die Fortführung der Aufsuchenden Sozialarbeit gesichert. Die weiteren Massnahmen werden, gemeinsam mit dem Verein UHG als Trägerschaft der Angebote, im Verlauf der Jahre 2022 und 2023 konzipiert und umgesetzt. Wo nötig, werden weitere Organisationen einbezogen.

Zu Frage 2: Die Regierung hat das Sozialamt mit der Koordination der Umsetzung der beschlossenen Massnahmen beauftragt. Die Koordination erfolgt dabei mit allen relevanten Akteuren, insbesondere dem Verein UHG, aber auch der Stadt Chur. Der Kanton, die Stadt und der Verein UHG planen, die Prozesse und Lösungen gegenseitig abzustimmen. Dazu sind regelmässige Treffen vorgesehen.

Zu Frage 3: Sofern die Stadt Chur die Schaffung eines begleiteten Konsumraums umsetzen will, liegt die Verantwortung für die Klärung der notwendigen Rahmenbedingungen (z.B. Konzept, Planung, Umsetzung, Finanzierung, gesetzliche Grundlage) bei der Stadt.  Der Kanton ist bereit, subsidiär unterstützend tätig zu sein. Insbesondere kann er konkrete rechtliche Fragen klären, sofern diese in den Kompetenzbereich der Kantonspolizei, der Staatsanwaltschaft oder anderer kantonaler Behörden fallen.

Zu Frage 4: Im Zusammenhang mit der Suche nach einer geeigneten Infrastruktur für die Realisierung einer zentraleren Kontakt- und Anlaufstelle ist der Kanton mit dem Verein Überlebenshilfe Graubünden und der Stadt Chur im regelmässigen Austausch. Allfällige Synergiepotenziale in Bezug auf die Nutzung einer geeigneten Infrastruktur werden dabei berücksichtigt.

16. Februar 2022