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Session: 16.02.2022

Im Jahr 2013 hat das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (DJSG) das Leitbild zur Organisation der Gesundheitsversorgung im Kanton Graubünden veröffentlicht. In diesem wurde aufgezeigt, mit welchen Strukturen die medizinische Versorgung der Bevölkerung langfristig gesichert werden soll. Eine von fünf Massnahmen im Leitbild betrifft die Bildung von gebietsgleichen Gesundheitsversorgungsregionen für die Bereiche Akutpflege, Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex. In den Gesundheitsversorgungsregionen sollen Gesundheitszentren geschaffen werden, in denen die vorgenannten Leistungserbringer einer Region zusammengefasst werden.

Im Rahmen der Teilrevision des Gesetzes über die Förderung der Krankenpflege und der Betreuung von betagten und pflegebedürftigen Personen (Krankenpflegegesetz, KPG; BR 506.00) beschloss der Grosse Rat mit in Kraft setzen am 1. Januar 2021 die gesetzliche Verankerung der oben genannten gebietsgleichen Gesundheitsversorgungsregionen. Ebenfalls beschloss der Grosse Rat, in Art. 9a Abs. 1 KPG die im Leitbild verankerte Organisation des kantonalen Gesundheitswesens mittels eines Zielartikels zu verankern: «Ziel der Gesundheitspolitik des Kantons ist, dass alle Leistungserbringer (...) die strategische und operative Betriebsführung an eine dafür bestimmte Organisation übertragen und diese weiterentwickeln.» Zur Förderung der Umsetzung wurden namhafte finanzielle Mittel bereitgestellt, mit welchen der Kanton bis zu 50% an Projekte in den Gesundheitsversorgungsregionen beitragen kann.

Anfang November 2021 wurde bekannt, dass das Kantonsspital Graubünden die Klinik Gut AG mit den orthopädischen Kliniken in St. Moritz und Fläsch sowie sechs Praxisstandorten im Kanton Graubünden kauft. Mitte Dezember 2021 konnte den Medien entnommen werden, dass das Kantonsspital Graubünden das Spital Walenstadt, welches der Kanton St. Gallen im Rahmen seiner Planungen schliessen wollte, für rund CHF 8 Millionen erwerben will. Dies nachdem die Gemeinden der Region nicht bereit waren, die Immobilie zu erwerben und vom Kantonsspital Graubünden betreiben zu lassen.

Nicht nur die Einkaufstour des Kantonsspitals Graubünden, auch weitere Fakten zeigen die starke Expansionsstrategie des Regionalspitals in der Gesundheitsregion Churer Rheintal auf: Der Neubau des Spitals ist für ein Einzugsgebiet von 400'000 Personen geplant, der Kanton Graubünden verfügt über 200'096 Einwohnende (Stand 30. Dezember 2020). Das Kantonsspital Graubünden steht entsprechend unter massivem Druck, sein Einzugsgebiet – auch in der Grundversorgung – zu erweitern, um das neue Haus finanziell überhaupt führen zu können. Weiter hat das Kantonsspital Graubünden sich die direkte Einflussnahme in den Regionalspitälern Surselva und Davos durch den Einsitz in den entsprechenden Verwaltungsräten gesichert. Was die Unabhängigkeit und Interessenwahrung der Regionalspitäler beeinträchtigt und kaum im Sinne der regionalen Bevölkerung sein kann.

  1. Die Strategie des Kantonsspitals Graubünden steht in offenem Widerspruch zur gesetzlich verankerten, kantonalen Strategie zur Sicherstellung der langfristigen dezentralen Versorgung der Bevölkerung. Wie stellt sich die Regierung zu dieser Tatsache und wie gedenkt sie die regionale Gesundheitsversorgung mit vertikal integrierten Gesundheitszentren im Lichte der Tendenzen des Kantonsspitals Graubünden langfristig sicherzustellen und was gedenkt sie hierfür zu tun?
  2. Wie steht die Regierung zur Tatsache, dass das Kantonsspital Graubünden die Regionalspitäler – in für diese nicht zuletzt finanziell zentralen Leistungsbereichen der Grundversorgung – vor Ort direkt konkurrenziert?

Chur, 16. Februar 2022

Niggli (Samedan), Grass, Niggli-Mathis (Grüsch), Berweger, Buchli-Mannhart, Casutt-Derungs, Clalüna, Danuser, Della Cà, Della Vedova, Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Engler, Felix, Gort, Hartmann-Conrad, Hefti, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jochum, Kasper, Kienz, Koch, Kunfermann, Lamprecht, Michael (Castasegna), Müller (Susch), Papa, Paterlini, Pfäffli, Ruckstuhl, Salis, Schutz, Tanner, Thomann-Frank, Ulber, Weber, Weidmann, Wieland, Bisaz

Antwort der Regierung

Die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung im ganzen Kanton ist eine Grundvoraussetzung für den Fortbestand der dezentralen Besiedlung des Kantons Graubünden. Die Gesundheitspolitik des Kantons ist entsprechend darauf ausgerichtet, das heutige regionale Spitalversorgungssystem auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck hat der Kanton im Rahmen der im Jahr 2020 erfolgten Teilrevision des Krankenpflegegesetzes Gesundheitsversorgungsregionen gebildet und die gesetzliche Grundlage geschaffen, dass der Kanton die Zusammenarbeit beziehungsweise den Zusammenschluss der institutionellen Leistungserbringer innerhalb der einzelnen Gesundheitsversorgungsregionen mit finanziellen Beiträgen fördern kann.

Die in der Anfrage angesprochene Einsitznahme von Vertretern des Kantonsspitals Graubünden in den Verwaltungsräten der Regionalspitäler Davos und Surselva wurde von den Verwaltungsräten der beiden Regionalspitäler beschlossen. Es entzieht sich der Kenntnis der Regierung, ob und inwieweit die Gemeinden der betreffenden Gesundheitsversorgungsregionen der Einsitznahme von Vertretern des Kantonsspitals Graubünden in den Verwaltungsräten der beiden Regionalspitäler zugestimmt haben. Jedenfalls können die Gemeinden über ihre Vertretungen in den Verwaltungsräten auf entsprechende Wahlen Einfluss nehmen, sollten sie durch die Einsitznahme von Vertretern des Kantonsspitals Graubünden in den Verwaltungsräten ihrer Spitäler die Unabhängigkeit und Interessenwahrung ihres Regionalspitals gefährdet sehen.

Zu Frage 1: Die Strategie des Kantonsspitals Graubünden, das Einzugsgebiet ausserhalb des Kantons Graubünden zu erweitern, steht nicht im Widerspruch zur Zielsetzung der Gesundheitspolitik des Kantons, die dezentrale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung langfristig sicherzustellen. Die Erweiterung des Einzugsgebiets ausserhalb des Kantons Graubünden hin in die bevölkerungsreiche Region Südostschweiz trägt durch die damit verbundene Steigerung der Fallzahlen dazu bei, dass das Kantonsspital auch in Zukunft seine Aufgabe der spezialisierten und hochspezialisierten Versorgung des Kantons unter den zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen wahrnehmen kann.

Integrierte Gesundheitszentren sind für die langfristige Sicherstellung der dezentralen Gesundheitsversorgung zukunftsweisend. Zuständig für die Schaffung der die Sicherstellung der regionalen Gesundheitsversorgung bezweckenden vertikal integrierten Gesundheitszentren sind die Gemeinden und die institutionellen Leistungserbringer der Gesundheitsversorgungsregionen. Der Kanton unterstützt auf Gesuch hin entsprechende Projekte mit finanziellen Beiträgen und beratender Begleitung.

Zur Aufrechterhaltung der dezentralen Gesundheitsversorgung können auch Kooperationen zwischen dem Kantonsspital Graubünden und den Regionalspitälern beitragen. Die Regierung begrüsst und unterstützt im Rahmen ihrer Möglichkeiten solche Kooperationen. Diese dürfen jedoch nicht zu einer medizinisch nicht begründeten Verlagerung von Patientinnen und Patienten aus den Regionalspitälern in das Zentrumsspital führen. Die Erwartung wie auch die Wahrnehmung der Regierung geht vielmehr dahin, dass das Kantonsspital Graubünden die Regionalspitäler bei der Wahrnehmung ihres Grundversorgungsauftrags unterstützt.

Zu Frage 2: Eine Konkurrenzierung der Regionalspitäler in finanziell zentralen Leistungsbereichen der Grundversorgung durch das Kantonsspital Graubünden ist aktuell nur zwischen der ihm seit kurzem gehörenden Klinik Gut in St. Moritz und dem Regionalspital Oberengadin in Samedan im Bereich der chirurgischen Orthopädie gegeben. Diese Konkurrenzierung besteht schon seit Bestehen der Klinik Gut. Für die Regierung steht ausser Frage, dass diese Konkurrenzsituation die Leistungsfähigkeit des Regionalspitals Oberengadin und damit die Sicherstellung der Grundversorgung des Engadins nicht beeinträchtigen darf. Nötigenfalls ist dieser Konkurrenzsituation durch geeignete Massnahmen (z.B. durch eine entsprechende Anpassung des Leistungsauftrags der Klinik Gut in St. Moritz) zu begegnen.

8. April 2022