Navigation

Inhaltsbereich

Session: 16.02.2022

Am 1. Januar 2016 traten das revidierte kantonale Strassengesetz (StrG) und die zugehörige Strassenverordnung (StrV) in Kraft. Darin wurden der Anspruch auf eine Kantonsstrasse (Art. 7 StrG), die Aufnahme ins kantonale Strassennetz (Art. 8 StrG) sowie der Ausschluss aus dem kantonalen Strassennetz (Art. 9 StrG) teilweise neu geregelt.

Aufgrund der neuen Bestimmungen werden periodisch die kantonalen Verbindungsstrassen zu den Fraktionen bezüglich der Anspruchsberechtigung überprüft. Gemäss Art. 7 Abs. 2 StrG hat jede Gemeindefraktion Anspruch auf eine kantonale Verbindung, sofern sie mindestens 30 Personen mit ständigem Wohnsitz zählt und die Mindesteinwohnerzahl während drei aufeinander folgenden Jahren nachgewiesen ist.

Die Bestimmung bezüglich Mindesteinwohnerzahl beschäftigt vor allem Gemeinden mit kleinen Fraktionen. Der demografische Wandel und die Abwanderung haben in den letzten Jahren sicherlich zu einer Abnahme der Bevölkerungszahl in vielen kleinen Fraktionen geführt. Die Abnahme der Bevölkerungszahl in den kleinen Fraktionen führt zu vielfältigen Herausforderungen für die Gemeinden. Die Übernahme von Kantonsstrassen bedeutet eine zusätzliche Belastung für die Gemeinden. Da die finanziellen Mittel bei der Spezialfinanzierung Strassen beim Kanton Graubünden vorhanden sind, stellt sich Frage, ob es förderlich für den Kanton Graubünden ist, die finanzielle Belastung den Gemeinden zu übergeben. Die aktuelle Gesetzgebung berücksichtigt ausschliesslich die Einwohnerzahl für die Beurteilung, ob eine Strasse der Gemeinde übergeben werden soll. Je nach Lage dienen die Strassen auch anderen Interessengruppen. Andere Interessengruppen wie beispielsweise Zweitheimische, Touristen, Land- und Forstwirtschaft sowie die finanzielle Lage der Gemeinden werden entsprechend vollkommen ignoriert.

Vor diesem Hintergrund wollen die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

  1. Teilt die Regierung die Ansicht, dass die Übertragung von Kantonsstrassen an die Gemeinden für Letztere problematisch sein kann?
  2. Wie viele Strassen wurden seit Inkrafttreten des revidierten kantonalen Strassengesetzes übergeben?
  3. Wie viele Strassen werden voraussichtlich aufgrund der Bestimmungen bezüglich Mindesteinwohnerzahl in den nächsten fünf Jahren den Gemeinden übergeben?
  4. Wie beurteilt die Regierung eine Anpassung der Mindesteinwohnerzahl zu Gunsten der Gemeinden (beispielsweise 10 oder 20 Einwohner als Mindestzahl)?
  5. Wie beurteilt die Regierung die Aufnahme von weiteren Kriterien als Beurteilungsgrundlage für die Abgabe von Kantonsstrassen (beispielsweise Bedeutung für Tourismus, Land- und Forstwirtschaft, Finanzen Gemeinde etc.)?

Chur, 16. Februar 2022

Collenberg, Lamprecht, Epp, Berweger, Berther, Bettinaglio, Brandenburger, Brunold, Buchli-Mannhart, Cantieni, Casutt-Derungs, Crameri, Danuser, Della Vedova, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Felix, Florin-Caluori, Grass, Hardegger, Jochum, Kunfermann, Loi, Maissen, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Müller (Susch), Niggli-Mathis (Grüsch), Paterlini, Schutz, Tomaschett (Breil), Ulber, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Landquart)

Antwort der Regierung

Bereits im Rahmen der Totalrevision des Strassengesetzes des Kantons Graubünden (StrG; BR 807.100) im Jahr 2005 wandten die betroffenen Gemeinden ein, dass die Totalrevision die schwächsten Gebiete des Kantons treffe, welche bereits übermässig von Umstrukturierungen betroffen seien. Konkret beanstandet wurde die vorgeschlagene Erhöhung des Mindestquorums für Gemeindefraktionen von 30 auf 50 Einwohnende. Seitens der Wirtschaftsverbände und einzelner politischer Parteien wurde das im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagene Mindestquorum hingegen als zu tief erachtet. Die Regierung entschied zugunsten der betroffenen Gemeinden, indem die Mindesteinwohnerzahl bei 30 Personen belassen wurde.

Mit Inkraftsetzung des teilrevidierten Strassengesetzes am 1. Januar 2016 wurde die bisherige Härtefallregelung von aArt. 9 Abs. 4 StrG aufgehoben. Auslöser war die Reform des Finanzausgleichs im Kanton Graubünden (FA-Reform; Inkraftsetzung am 1. Januar 2016). Begründet wurde die Aufhebung damit, dass mit dem Verzicht auf die Härtefallregelung eine klare Vorgabe für die Aufnahme bzw. Abtretung von Kantonsstrassen geschaffen und die bestehende Ungleichbehandlung der Gemeinden in Bezug auf Strassenverbindungen eliminiert werde. Für ausserordentliche Belastungen, welche eine Gemeinde in eine finanzielle Notlage bringen würden, sei ein individueller Härteausgleich vorgesehen.

Zu Frage 1: Zutreffend ist, dass die Übernahme eines Kantonsstrassenabschnittes ins Eigentum der Gemeinde zu einer Mehrbelastung für diese führen kann. Entscheidend für die Gesamtbelastung ist dabei insbesondere die Gesamtlänge des kommunalen Strassennetzes, dessen Zustand oder die Unterhaltsintensität. Der geografisch-topografische Lastenausgleich des Finanzausgleichssystems greift dies auf, wodurch zumindest ein Teil der Kosten über dieses System geglättet wird.

Zu Frage 2: Insgesamt wurden 25.90 Kilometer vom Kanton an die Gemeinden übergeben, davon 6.67 Kilometer aufgrund einer Quorumsunterschreitung. Die übrigen Eigentumsübertragungen erfolgten zum Beispiel aufgrund des Baus einer Ortsumfahrung, eines Abtausches mit Gemeindestrassen oder aufgrund eines Gesuches der Gemeinde zur freiwilligen Übernahme. Im gleichen Zeitraum übernahm der Kanton von den Gemeinden 13.35 Kilometer Strassen, davon 6.54 Kilometer aufgrund des Quorums.

Zu Frage 3: Die Anzahl Kilometer Strassen, welche in den nächsten fünf Jahren aufgrund des Quorums an die Gemeinden abgegeben werden, hängt von der Entwicklung der Anzahl Einwohnende in den einzelnen Fraktionen ab. Die aktuellste Erhebung aus dem Jahr 2021 lässt erwarten, dass rund 24 Kilometer Kantonsstrassen an die Gemeinden abzutreten sein werden.

Zu Frage 4: Die aktuelle Erhebung aus dem Jahr 2021 weist nur bestehende kantonale Verbindungsstrassen zu Gemeindefraktionen aus. Wie viele zusätzliche Strassen durch den Kanton bei einer Herabsetzung des Mindestquorums für Fraktionen auf 20 bzw. 10 Einwohnende übernommen werden müssten, ist derzeit nicht bekannt. Dies müsste zuerst durch entsprechende Umfragen bei den Gemeinden ermittelt werden. Eine Beurteilung dieser Frage ist aufgrund fehlender Daten deshalb zurzeit nicht möglich.

Zu Frage 5: Der Aufnahme von weiteren Kriterien steht die Regierung kritisch gegenüber. Insbesondere ist bei der Aufnahme von sogenannt «weichen» Kriterien Vorsicht geboten, um eine Gleichbehandlung aller Gemeinden im Kanton nicht zu gefährden. Zudem würde die Einführung von «weichen» Kriterien, ähnlich wie die Beibehaltung der Härtefallregelung, dem System des Finanzausgleichs zuwiderlaufen. Mit der heutigen Regelung lässt sich einfach und für alle transparent ermitteln, ob der Anspruch auf eine Kantonsstrasse zu einer bestimmten Fraktion besteht.

22. April 2022