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Session: 16.02.2022

In den vergangenen Wochen wurde publik (unter anderem durch einen Bündner Journalisten vom Format srf.rec), dass in verschiedenen Freikirchen in der Schweiz und im nahen Ausland von Geistlichen, Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen oder Coaches sogenannte Konversionsmassnahmen durchgeführt werden. Diese haben zum Ziel, die homosexuelle Veranlagung eines Menschen in heterosexuelle Neigungen zu überführen. Die Grundlage für diese Massnahmen liegt darin, dass Homosexualität in den entsprechenden Gemeinschaften als «Krankheit» und «Symptom» angesehen wird, das Leiden verursacht und nicht wünschenswert ist. Teilweise ist gar die Rede davon, dass Homosexualität «gegen den Willen Gottes» und somit «eine Sünde» sei. Aus diesem Grund sollen sich «Betroffene» durch «Sexualberatung» in sogenannten reparativen Behandlungen therapieren lassen.

Es versteht sich von selbst, dass eine derartige Auslegung bestimmter sexueller Präferenzen jeglicher medizinischer und wissenschaftlicher Grundlage entbehrt und zudem ein hohes Potential zu Diskriminierung und Homofeindlichkeit birgt, welches die Betroffenen einem hohen sozialen und psychischen Druck aussetzt. In unserem Nachbarland Deutschland wurde bereits 2019 ein Verbot von Konversionstherapien für Minderjährige erlassen. Auch andere Kantone in der Schweiz kennen diese Debatte, so wurde eine entsprechende Motion in Basel 2021 an die Regierung überwiesen.

Ich bitte daher die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Hat die Regierung Kenntnis von Konversionsmassnahmen-Fällen im Kanton Graubünden?
  2. Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es bezüglich der Ausübung solcher «Behandlungen» und welche gesetzlichen Grundlagen gibt es für deren Verbot?
  3. Welche Haltung hat die Regierung zur Thematik der Konversionsmassnahmen (vor allem im Hinblick nach der 2021 angenommenen Ehe-für-Alle-Vorlage)? Ist die Regierung dazu bereit, gesetzliche Anpassungen vorzunehmen, um solche Mass-nahmen zu verbieten, oder sich in Bern für eine Gesetzesänderung stark zu machen?

Chur, 16. Februar 2022

Pajic, Widmer (Felsberg), Bigliel, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Caviezel (Chur), Degiacomi, Gartmann-Albin, Hofmann, Horrer, Niggli-Mathis (Grüsch), Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, von Ballmoos, Wilhelm, Spadarotto, Tomaschett (Chur)

 

Antwort der Regierung

Gemäss Art. 3 des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit im Kanton Graubünden (Gesundheitsgesetz; BR 500.000) haben sich die Untersuchung und die Behandlung von Patientinnen und Patienten nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft, der Ethik, der Wirtschaftlichkeit und der Gleichbehandlung zu richten.

Zu Frage 1: Der Regierung sind in Graubünden bislang weder konkrete Fälle von durchgeführten Konversionsmassnahmen noch Organisationen bekannt, die solche Massnahmen anbieten. In den vergangenen Jahren sind diesbezüglich auch keine Beschwerden eingegangen.

Zu Frage 2: Eine spezifische gesetzliche Grundlage, die die Ausübung von Konversionsmassnahmen regelt, besteht nicht. Allerdings unterstehen Personen, die einen bewilligungspflichtigen Beruf des Gesundheitswesens ausüben, der eingangs erwähnten Bestimmungen. Auch sind im Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG; SR 811.11), im Bundesgesetz über die Psychologieberufe (Psychologieberufegesetz, PsyG; SR 935.81) und im Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (Gesundheitsberufegesetz, GesBG; SR 811.21) die Berufspflichten für die in diesen Gesetzen normierten Berufe statuiert. Für den Fall eines Verstosses gegen die Berufspflichten enthalten die erwähnten Bundesgesetze entsprechende Disziplinarmassnahmen, die letztlich den Entzug der Berufsausübungsbewilligung zur Folge haben können. Diese bundesrechtlichen Regelungen sind abschliessend, d.h. der Kanton kann keine weitergehenden Berufspflichten statuieren. Wendet eine Person, die einen bewilligungspflichtigen Beruf ausübt, eine Konversionsmassnahme an, verstösst sie sowohl gegen gesundheitspolizeiliche Bestimmungen des Bundes als auch des Kantons. Die zuständige gesundheitspolizeiliche Aufsichtsbehörde im Kanton ist das Gesundheitsamt.

Personen, die keine der gesundheitspolizeilichen Aufsicht unterliegende Tätigkeit ausüben, können durch das Gesundheitsamt nich belangt werden. Abhängig von den konkreten Umständen können jedoch einzelne Handlungen innerhalb einer Konversionsmassnahme strafbare Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuchs darstellen, insbesondere, wenn sie die körperliche Integrität, das Vermögen oder auch die persönliche Freiheit der Betroffenen beeinträchtigen.

Zu Frage 3: Die Regierung teilt die vom Bundesrat bereits 2019 geäusserte und somit vor der 2021 angenommenen Ehe für Alle-Vorlage ergangene Meinung, dass jegliche Konversionsmassnahmen, welche die Veränderung der homosexuellen Orientierung zum Ziel hat, aus menschlicher, fachlicher und rechtlicher Sicht abzulehnen sind. Homosexualität stellt keine Krankheit dar und bedarf deshalb keiner Therapie. Menschen und insbesondere Minderjährige einer solchen Behandlung zu unterziehen, stellt nicht nur eine Diskriminierung dar, sondern kann für die Betroffenen schwerwiegende psychische Schädigungen zur Folge haben. In vielen Kantonen wie Zürich, Genf, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn, Schwyz und Waadt wurden in letzter Zeit parlamentarische Vorstösse für ein Verbot von Konversionsmassnahmen eingereicht. Auf Bundesebene sind im Herbst 2021 sowohl drei parlamentarische Initiativen für ein Verbot und die Unterstrafestellung von Konversionsmassnahmen als auch ein Postulat zur Überprüfung der Verbreitung von Konversionsmassnahmen in der Schweiz und der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung eingereicht worden. Die Regierung wird den Ausgang der nationalen und kantonalen Vorstösse aufmerksam verfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine weitergehenden Massnahmen angezeigt. Die Regierung appeliert an die Bevölkerung, in diese Richtung gehende Praktiken bei den zuständigen Behörden zur Anzeige zu bringen.

6. April 2022