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Session: 16.02.2022

Für die Versorgung der Bevölkerung in der Langzeitpflege ist ein gut ausgebautes und bedarfsgerechtes Angebot sowohl im ambulanten (z. B. Spitex) als auch im stationären Bereich (z. B. Alters- und Pflegeheime) gleichermassen wichtig. Es liegt vielfach sowohl im Interesse der Betroffenen als auch der öffentlichen Hand, dass Pflege und Betreuung möglichst lange zu Hause ermöglicht werden.

Der Gesundheitsversorgungsbericht 2020 zeigt wie schon die Vorgängerberichte auf, dass rund ein Viertel der Bewohnerinnen und Bewohnern in Alters- und Pflegeheimen auf weniger als 1 Stunde Pflegezeit pro Tag angewiesen sind. Sie sind in den tiefsten BESA-Stufen 0 bis 3 eingestuft auf einer Skala, welche bis BESA-Stufe 12 reicht. Die Unterschiede zwischen einzelnen Regionen und auch Einrichtungen sind dabei beträchtlich und reichen von 0 bis 49 Prozent. Die Frage stellt sich, weshalb sich ein so hoher Anteil an tiefen BESA-Stufen in stationärer Pflege befindet.

Auf der anderen Seite fehlt für das Angebot von Kurzaufenthaltsbetten ein geschickter Finanzierungsschlüssel, welcher ein Anreiz für Einrichtungen sein könnte, solche anzubieten und wirtschaftlich zu betreiben. Ein solches Angebot könnte insbesondere zur Entlastung von pflegenden Angehörigen oder für die Überbrückung von Ressourcenengpässen im privaten und ambulanten Bereich einen wichtigen Beitrag leisten. Auch für neuere Ansätze wie z. B. regionale Triage- oder Beratungsstellen fehlt Klarheit in Bezug auf die öffentliche Mitfinanzierung. Die Tatsache, dass die Aufteilung der Restkosten zwischen Kanton und Gemeinden im stationären Bereich (Kanton 25% / Gemeinde 75%) und im ambulanten Bereich (Kanton 55% / Gemeinde 45%) unterschiedlich ist, erschwert ein kohärentes Vorgehen zusätzlich.

Unter dem Strich stellt sich die Frage, ob das aktuelle Finanzierungssystem die richtigen Anreize setzt, um sowohl die Bedürfnisse der Betroffenen als auch diejenigen der öffentlichen Hand als wichtigem Leistungsfinanzierer angemessen zu berücksichtigen.

Die Regierung wird beauftragt, dem Grossen Rat einen Bericht vorzulegen, welcher das System der Pflegefinanzierung im Hinblick auf erwünschte respektive unerwünschte Anreize durchleuchtet. Der Bericht soll aufzeigen, wie die bedarfsgerechte ambulante Pflege und Betreuung mit weiteren Massnahmen unterstützt werden könnte (z. B. Anpassung von gesetzlichen Regulierungen, Kurzaufenthaltsbetten, Optimierung/Ergänzung bestehende Angebote der ambulanten und häuslichen Pflege und Betreuung).

Chur, 16. Februar 2022

Degiacomi, Holzinger-Loretz, Florin-Caluori, Atanes, Baselgia-Brunner, Berweger, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Della Cà, Della Vedova, Föhn, Gartmann-Albin, Horrer, Jochum, Kasper, Kienz, Kohler, Kuoni, Loepfe, Marti, Michael (Castasegna), Mittner, Natter, Noi-Togni, Papa, Paterlini, Perl, Pfäffli, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rutishauser, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, Ulber, von Ballmoos, Wellig, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Bürgi-Büchel, Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Gemäss dem Altersleitbild Graubünden 2012 sollen sich entsprechend dem Grundsatz "ambulant vor stationär" nur diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner in einem Pflegeheim aufhalten, die auf die Pflege in einem Pflegeheim angewiesen sind. Wie im Auftrag ausgeführt wird, befinden sich in einzelnen Regionen überdurchschnittlich viele Personen ohne oder mit geringem Pflegebedarf (BESA-Stufen 0-3) in einem Pflegeheim. Allerdings obliegt es diesen Regionen, zusammen mit den Pflegeheimen ihrer Region die Gründe dafür abzuklären und die angezeigten Massnahmen zu veranlassen, damit der Grundsatz "ambulant vor stationär" auch in ihrer Region verstärkt zum Tragen kommen kann.

In Bezug auf die Schaffung von Kurzaufenthaltsbetten in Pflegeheimen hat die Regierung im Rahmen der Vernehmlassung zur Totalrevision des Krankenpflegegesetzes vom 30. August 2017 einen Vorschlag zur Förderung von Kurzaufenthalten in Pflegeheimen mittels entsprechender finanzieller Anreize zur Diskussion unterbreitet. Aufgrund der in diesem Punkt ablehnenden Stellungnahmen zahlreicher Vernehmlassungsteilnehmenden hat die Regierung in ihrem Botschaftsentwurf auf diese Fördermassnahme verzichtet.

Gemäss dem Krankenpflegegesetz obliegt es den Gesundheitsversorgungsregionen (im Churer Rheintal den Subregionen) für ein ausreichendes Angebot für die stationäre Pflege und Betreuung von Langzeitpatientinnen und -patienten und betagten Personen und für ein ausreichendes Angebot an Diensten der häuslichen Pflege und Betreuung (Spitex) zu sorgen. Die finanzielle Belastung der pflege- und betreuungsbedürftigen Personen ist in aller Regel bei einer Inanspruchnahme der Spitex tiefer als bei einem Pflegeheimaufenthalt. Dies ist für die Wahl der konkreten Pflege- und Betreuungsform mitentscheidend. Für die Gemeinden ist die finanzielle Belastung bei einer Inanspruchnahme der Spitex ebenfalls tiefer als bei einem Pflegeheimaufenthalt, da die Kosten bei einer Inanspruchnahme der Spitex tiefer sind als bei einem Pflegeheimaufenthalt und der Kanton sich an den nicht gedeckten Pflegekosten der Spitex zu einem höheren Beitragssatz als bei den nicht gedeckten Pflegekosten der Pflegeheime beteiligt. Durch die Bereitstellung eines breiten Angebots der Spitex-Dienste in der jeweiligen Region und die Förderung von alternativen Wohnformen können die Gemeinden dazu beitragen, dass sich pflegebedürftige Personen mit geringer Pflegebedürftigkeit nicht für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim entscheiden müssen.

Gleiche Beitragssätze des Kantons und der Gemeinden für die nicht durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die maximale Kostenbeteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeheime beziehungsweise der Klientinnen und Klienten der Spitex gedeckten Kosten würden sich für die Gemeinden nachteilig auswirken. Auch würde eine solche Gleichschaltung weniger Anreize für Massnahmen zur Umsetzung des Grundsatzes "ambulant vor stationär" schaffen. Für die pflegebedürftigen Personen ist nicht die Aufteilung der nicht gedeckten Pflegekosten auf den Kanton und die Gemeinden entscheidend, sondern ihre finanzielle Belastung durch die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen.

Die Regierung erachtet es als wenig zielführend, dem Grossen Rat einen Bericht vorzulegen, welcher das System der Pflegefinanzierung im Hinblick auf erwünschte respektive unerwünschte Anreize durchleuchtet. Die Anreize sind vorstehend aufgezeigt. Die im Auftrag angesprochenen weiteren Massnahmen zur Erweiterung beziehungsweise Unterstützung der Angebote zur ambulanten Pflege und Betreuung und damit zur Umsetzung des Grundsatzes "ambulant vor stationär" könnten im Rahmen einer nächsten Teilrevision des Krankenpflegegesetzes vorgesehen werden. Solche weiteren Massnahmen stellen insbesondere die finanzielle Abgeltung der Vorhaltekosten für Pflegebetten für Kurzaufenthalte in Pflegeheimen und von Unterstützungsangeboten zur Entlastung pflegender Angehöriger dar. Die Entlastung pflegender Angehöriger durch unterstützende Angebote ist als Massnahme im Regierungsprogramm 2021 bis 2024 enthalten.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

8. April 2022