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Session: 16.02.2022

Im Jahr 2021 musste die Alp Pardenn in Klosters nach Wolfsrissen kurz nach der Ladung wieder entladen werden. Etwa 700 Schafe mussten von der Alp wieder ins Tal geführt werden. Diese besorgniserregende Entwicklung im Prättigau hat den Bund vermutlich dazu bewegt, die Wolfsproblematik aktiver anzugehen. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) hat am 24. Januar 2022 das landwirtschaftliche Verordnungspaket 2022 in die Vernehmlassung gesendet. In seiner Medienmitteilung umschreibt das WBF die Anliegen wie folgt: «Das Verordnungspaket 2022 sieht Änderungen in verschiedenen Bereichen vor. Aufgrund der zunehmenden Präsenz von Grossraubtieren, insbesondere des Wolfes, sind Massnahmen nötig, um die nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftung im Sömmerungsgebiet sicherzustellen. So sieht die Direktzahlungsverordnung neben der Erhöhung der Sömmerungsbeiträge für Schafe, welche in geschützten Weidesystemen gehalten werden, vor, dass die Sömmerungsbeiträge und die Biodiversitätsbeiträge auch dann vollständig ausbezahlt werden, wenn die Präsenz von Grossraubtieren die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter dazu zwingt, die Herden vorzeitig abzualpen.»

Ein zentrales Problem, welches der Bund im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2022 ausblendet, sind die zusätzlichen Kosten, welche bei vorzeitigen Alp-Entladungen (Abalpungen) wegen Grossraubtieren im Tal entstehen. Wenn die Tiere sich auf dem Heimbetrieb anstatt auf der Alp aufhalten, verbrauchen sie zusätzliches Futter, welches für den Winter vorgesehen wäre, oder es muss Futter hinzugekauft werden. Auch fallen weitere zusätzliche Kosten an, welche nicht anfallen würden, wenn die Tiere nicht wegen den Wölfen von der Alp hätten entladen werden müssen. Wenn der Bund seine Wolfspolitik nicht ändert und Wolfsangriffe und Abalpungen in Kauf nimmt, dann muss er konsequenterweise auch diese Zusatzkosten übernehmen. Zudem müssen diese Kosten vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und nicht vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) getragen werden.

Oberste Priorität muss sein, vorzeitige Abalpungen wegen Wölfen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Finanzielle Entschädigungen sollen gar nicht zur Anwendung kommen müssen. Denn dies kommt einer Kapitulation gegenüber der Wolfsproblematik gleich.

In diesem Zusammenhang wird die Regierung um die Beantwortung der nachfolgenden Fragen ersucht:

  1. Ist die Regierung ebenfalls der Meinung, dass Entladungen von Alpen wegen Wolfsangriffen mit allen möglichen Mitteln verhindert werden müssen?
  2. Ist die Regierung bereit, beim Bund darauf hinzuwirken, dass das landwirtschaftliche Verordnungspaket soweit angepasst wird, dass griffige Mittel zur Verfügung stehen, um Alp-Entladungen zu verhindern?
  3. Ist die Regierung ebenfalls der Meinung, dass der Bund alle Kosten zu tragen hat, welche durch die Präsenz von Grossraubtieren und insbesondere des Wolfes bei der Landwirtschaft entstehen?
  4. Ist die Regierung ebenfalls der Meinung, dass bei einer Abalpung nicht nur die entfallenen Sömmerungs- und Biodiversitätsbeiträge vom Bund zu tragen sind, sondern dass dieser ebenfalls die durch die Abalpung anfallenden zusätzlichen Kosten wie Futterkosten auf dem Heimbetrieb etc. zu tragen hat?
  5. Ist die Regierung bereit darauf hinzuwirken, dass die Kosten vom BAFU und nicht vom BLW zu tragen sind?

Chur, 16. Februar 2022

Brunold, Lamprecht, Michael (Donat), Berther, Bettinaglio, Bondolfi, Buchli-Mannhart, Caluori, Casty, Casutt-Derungs, Clalüna, Crameri, Danuser, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Föhn, Geisseler, Hardegger, Hitz-Rusch, Kohler, Kunfermann, Loepfe, Maissen, Märchy-Caduff, Müller (Susch), Niggli-Mathis (Grüsch), Ruckstuhl, Sax, Schmid, Schneider, Tanner, Tomaschett (Breil), Ulber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Collenberg, Gujan-Dönier, Heini

Antwort der Regierung

Die exponentiell steigende Zahl an Wölfen bedeutet für die Land- und Alpwirtschaft im Kanton eine grosse Herausforderung. Die davon direkt betroffenen Betriebsleitenden und Alpverantwortlichen haben in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um eine Koexistenz zu ermöglichen und ihre Herden vor Angriffen zu schützen. Der Herdenschutz wurde in den betroffenen Gebieten massiv ausgebaut, laufend verbessert und immer konsequenter umgesetzt. Zudem wurde ein Konzept zur Anerkennung und finanziellen Förderung "kantonaler Herdenschutzhunde" eingeführt. Zur Unterstützung des Alppersonals wurden seitens des Plantahofs für die Sömmerungsbetriebe einzelbetriebliche Konzepte erarbeitet. Auch wurden Digitalisierungsprojekte (wie Alptracker) vorangetrieben, die Herdenschutz- und Herdenschutzhundeberatung am Plantahof deutlich ausgebaut und die vorhandenen Ressourcen darauf konzentriert. Weitere Massnahmen wurden schliesslich durch die Land- und Alpwirtschaft umgesetzt, wie die Zusammenlegung von Schafalpen, um grössere Herden zu erreichen und damit den Herdenschutz wirtschaftlicher zu machen. Ausserdem wurden die Herdenführung gestrafft, die Weideplanung optimiert und Versuche mit mobilen Hirtenhütten unternommen, damit die Hirtschaft auf weitläufigen Alpen näher bei der Herde sein kann.

Zu Frage 1: Die direkt betroffenen Landwirtinnen und Landwirte sowie Alpverantwortlichen, aber auch die kantonalen Behörden unternehmen alles Mögliche, um die Alpweiden und das gesamte Kulturland in gewohntem Mass zu bewirtschaften und offenzuhalten und somit vorzeitige Alpentladungen zu verhindern. Eine solche kann ausschliesslich eine Notlösung in alternativlosen Situationen darstellen. Sie darf auf keinen Fall zu einer Herdenschutzmassnahme oder -strategie werden. Die Alpfläche darf nicht den Grossraubtieren überlassen werden. Weil eine über eine längere Zeit nicht mehr bestossene Alp in der Regel aufgegeben wird, setzt die Regierung alles daran, dass die Vorschriften über die Regulierung von Wölfen, auch im Hinblick auf Entladungen angepasst werden. Nur diese Massnahme kann erfolgversprechend sein.

Zu Frage 2: Ja. Allerdings kann die Wolfsregulierung, als aus Sicht der Regierung einzige wirklich zielführende Massnahme bei dem herrschenden hohen Wolfsdruck, nicht über das landwirtschaftliche Verordnungspaket angegangen werden. Zur Verhinderung der Nichtbestossung von Alpen, wenn zum Vornherein mit finanziellen Einbussen zu rechnen ist, und zur Minderung finanzieller Verluste für Sömmerungsbetriebe unterstützt der Kanton jedoch im Grundsatz den Vorschlag des Bundes, dass bei einer vorzeitigen Alpentladung aufgrund der Wolfspräsenz unter strengen Kriterien die vollen Sömmerungsbeiträge ausbezahlt werden können. Oberstes Ziel bleibt aber, die Alpen voll zu bestossen und die Alpflächen nicht dem Wolf zu überlassen. Sömmerungsbeiträge entschädigen die Sömmerung als gemeinwirtschaftliche Leistung, nicht den Verzicht auf eine Tätigkeit. Deshalb muss diese Regelung eine nur vorübergehende Ausnahme bleiben, bis eine angepasste Regulierung der Grossraubtiere als weiterer Pfeiler des Herdenschutzes eingeführt ist. Weiter fordert der Kanton, dass die ständige Hirtschaft finanziell deutlich gestärkt und von den praxisfremden Vorschlägen, welche standortangepasste Massnahmen einschränken, Abstand genommen wird. So sollen Zusatzbeiträge mit einem einzelbetrieblichen Herdenschutzkonzept geltend gemacht werden können. Zudem werden diese Forderungen auch für Ziegenalpen gestellt. Die Regierung ist überzeugt, dass mit diesen Forderungen die Sömmerung und der Herdenschutz gestärkt und vorzeitige Alpentladungen eine Notlösung bleiben werden.

Zu Fragen 3, 4 und 5: Ja. Die Frage, ob die gesamten Kosten, welche die Grossraubtiere verursachen, vom BAFU oder vom BLW getragen werden sollen, darf aber auf keinen Fall die Stärkung des Herdenschutzes mittels höherer Sömmerungsbeiträge verhindern. Das primäre Ziel bleibt die ununterbrochene Bestossung des Sömmerungsgebiets. Dazu braucht es die Regulierung der Grossraubtiere als Element des Herdenschutzes. Weiter wird sich die Regierung dafür einsetzen, dass der bewilligte Nachtragskredit des BAFU im Umfang von 5,7 Millionen Franken für weitere temporäre Not- und Schutzmassnahmen gegen den Wolf sowie für die Abgeltung des Mehraufwands (sei es bei den Herdenschutzmassnahmen, sei es bei Entladungen oder sei es bei Rissvorfällen) verwendet wird. 

14. April 2022