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Session: 19.10.2022

Das geltende Recht sieht seit längerem Mitwirkungsrechte der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer sowie der Standortgemeinde im Inventarisierungsprozess vor (Art. 5 KNHG), und zwar bereits in der ersten Phase der Inventarisierung (vgl. Botschaften, Heft Nr. 3/2020-2023, Seite 259). Der Grosse Rat hat in der aktuellen Session darauf verzichtet, eine Einsprache- und Beschwerdemöglichkeit für das amts-, aber nicht grundeigentümerverbindliche Inventar einzuführen, obwohl ein Vollzugsdefizit der Denkmalpflege (Amt für Kultur) in den letzten Jahren erkannt worden war. Inventare wurden ohne die in Art. 5 KNHG bestimmten Mitwirkungsrechte der Betroffenen und der Standortgemeinden erstellt. Diese mängelbehafteten Inventare sind nun aber vorhanden. Sie haben amtsinterne Wirkung (Art. 6 Abs. 1 KNHG). Der Kanton wird in kommunalen Grundordnungsrevisionen und Gemeinden in Baubewilligungsverfahren diese in die Beurteilung miteinbeziehen (Art. 6 Abs. 2 und 3 KNHG). Durch diese mängelbehafteten Inventare drohen über die kommunale Grundordnung nicht unmittelbare, aber doch mittelbare Eigentumseingriffe (Art. 6 Abs. 2 und 3 KNHG). Wir stellen der Regierung in diesem Zusammenhang folgende Fragen:

1. Bei wie vielen Objekten in welchen Gemeinden wurde das Mitwirkungsverfahren nach Art. 5 KNHG nicht eingehalten?

2. Welche Auswirkungen haben solche mängelbehafteten Inventare auf die geltende und/oder künftige kommunale Grundordnung?

3.1 Ist die Verwaltung bereit, mängelbehaftete Inventare zugunsten Betroffener (Grundeigentümer, Gemeinden) zurückzunehmen und/oder zu überarbeiten? Ist sie bereit, dies zeitnah zu tun?

3.2 Was sind gegebenenfalls die Auswirkungen zurückgenommener oder überarbeiteter Inventare auf die geltende kommunale Grundordnung?

3.3 Wie hoch sind die voraussichtlichen Kosten für den Kanton und die Gemeinden für die Verbesserung dieses amtlichen Vollzugsdefizits?

Chur, 19. Oktober 2022

Metzger, Dürler, Gort, Adank, Brandenburger, Butzerin, Candrian, Casutt, Cortesi, Della Cà, Favre Accola, Grass, Hefti, Hug, Koch, Krättli, Lehner, Menghini-Inauen, Morf, Rauch, Roffler, Salis, Sgier, Stocker, Weber

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Einleitend ist festzuhalten, dass von den 18 im Rahmen des Entwicklungsschwerpunkts (ES; 2017–2020) "Bestandesaufnahme Kulturgut" definitiv abgegebenen Bauinventaren deren 12 das Verfahren gemäss Kantonalem Natur- und Heimatschutzgesetz (KNHG; BR 496.000) ordentlich durchlaufen haben. Bei den übrigen 6 Bauinventaren (d. h. Fläsch, Jenaz, Poschiavo, Rongellen sowie Gemeindefraktionen Mathon und Donat) hat bei der öffentlichen Auflage inkl. Publikation im amtlichen Publikationsorgan und Kantonsamtsblatt keine persönliche Benachrichtigung der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer stattgefunden. Zudem ist zu erwähnen, dass vom ES-Team weitere 13 Bauinventare erarbeitet wurden, welche kurz vor der Fertigstellung stehen, jedoch aufgrund des im 2019 überwiesenen Auftrag Crameri geforderten Marschhalts aktuell sistiert sind. Im Übrigen wurden bereits vor 2017 45 Bauinventare erstellt. Diese total 58 Bauinventare haben das gesetzlich vorgesehene Verfahren (noch) nicht komplett durchlaufen – 11 dieser Bauinventare wurden den Gemeinden auf deren Ersuchen hin zwecks weiterer Prozesse (z. B. Ortsplanrevision bzw. RPG I) als "Entwurf" oder "Vorabzug" zur Verfügung gestellt.

Zu Frage 2: Die Umsetzung der Bauinventare liegt in der Kompetenz der Gemeinden. So sind in Fläsch die im Bauinventar aufgenommenen Objekte mit einer Ausnahme bereits rechtsgültig im Generellen Gestaltungsplan (GGP) verzeichnet. Die Gemeinde Jenaz hat seit der Abgabe des Bauinventars keine Revision der Ortsplanung vorgenommen. In Rongellen steht die Ortsplanungsrevision zurzeit im Genehmigungsverfahren, wobei die drei Wohnhäuser und der Brunnen aus dem Bauinventar im zur Genehmigung unterbreiteten GGP figurieren. Die Wohnhäuser wurden als erhaltenswerte bzw. bemerkenswerte Bauten und der Brunnen als geschütztes Kulturobjekt eingestuft. In Poschiavo ist die Vorprüfung der Ortsplanungsrevision erfolgt. Das Bauinventar diente dabei als Grundlage. Es haben öffentliche Informationsveranstaltungen stattgefunden (so auch zum Bauinventar). Die Denkmalpflege steht in engem Kontakt mit der Gemeinde. Die früheren Gemeinden Mathon und Donat gehören neu zur Fusionsgemeinde Muntogna da Schons, weshalb die entsprechenden Bauinventare zurückgenommen und für die neue Gemeinde gesamthaft überarbeitet werden müssen.

Zu Frage 3.1: Ja. Sobald die in der Oktobersession 2022 beschlossene Teilrevision des KNHG in Kraft getreten ist (voraussichtlich 1. Hälfte 2023) und somit auch die Sistierung der Inventarisierung aufgehoben werden kann, wird die Denkmalpflege sukzessive alle Bauinventare gestützt auf die neue gesetzliche Grundlage anpassen. Die Priorität wird, und dies insbesondere in Rücksprache mit den betroffenen Gemeinden, bei den mängelbehafteten Inventaren liegen. Wie zeitnah diese Arbeiten erfolgen, hängt im Wesentlichen von den vorhandenen Ressourcen ab. Ab 2023 stehen für die Inventarisierung bei der Denkmalpflege total 120 Stellenprozente zur Verfügung. Davon werden jedoch 80 Stellenprozente für die Erarbeitung von Gebäudeinventaren beansprucht. Mit anderen Worten kann die eigentliche Inventarisierung mit lediglich 40 Stellenprozenten wiederaufgenommen werden. Als Konsequenz wird die künftige Inventarisierung entsprechend langsam fortschreiten. Die zeitnahe Überarbeitung der mängelbehafteten Bauinventare wird jedoch angestrebt.

Zu Frage 3.2: Es gibt unmittelbar keine Auswirkungen, da das Erstellen der kommunalen Grundordnung im Rahmen des Raumplanungsgesetzes und nicht des KNHG erfolgt. Bei der nächsten Ortsplanungsrevision muss jeweils das aktuellste und definitive Bauinventar als Grundlage berücksichtigt werden. Es bleibt jedoch zu bemerken, dass die Gemeinden auch die Entwürfe gerne als Grundlage verwenden.

Zu Frage 3.3: Es entstehen lediglich diejenigen Kosten, welche ohnehin im Rahmen der vorgesehenen Überarbeitung der Inventare bzw. der Anpassung aufgrund der neuen Grundlagen ab 2023 angefallen wären.

11. Januar 2023