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Session: 07.12.2022

Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit hochschwelligem Förderbedarf liegt in der Zuständigkeit des Kantons. Sie wird durch die drei Kompetenzzentren «Giuvaulta» (Rothenbrunnen), «Schulheim» (Chur) und «Casa Depuoz» (Trun) abgedeckt. Aktuell stehen jedoch in den Kompetenzzentren keine Plätze oder dann nur sehr beschränkt zur Verfügung. Leider fehlt den Kompetenzzentren auch das ausgebildete Personal für die integrierte Sonderschule (ISS) in den Regelschulen zunehmend.

Schulträgerschaften beobachten deshalb immer häufiger, dass sowohl die ISS als auch externe Sonderschulplätze nicht gewährleistet werden können. Die Kinder haben jedoch das Recht auf Unterstützung. Als unzulässige Gegenmassnahme werden bei Schülerinnen und Schülern – trotz ausgewiesenem Förderbedarf – entsprechende Zuweisungen nicht erteilt oder einfach hinausgeschoben. 

Demzufolge sind die betroffenen Schulführungen bei einem fehlenden externen Sonderschulplatz gezwungen, eine Lösung innerhalb ihres Regelschulsystems zu finden. Trotz übermässigem Unterstützungsaufwand, welcher mit finanziellen und personellen Ressourcen durch Schulheilpädagog:innen und Klassenassistenzen aufgestockt und durch die Schulleitung mit grossem Aufwand koordiniert wird, bleibt ein solches «Notfall-Setting» für die Beteiligten ungeeignet beziehungsweise untragbar. Einerseits erhält das betroffene Kind keine bedarfsgerechte Unterstützung und Förderung und andererseits leiden oft die Klasse und das ganze Schulsystem darunter.

Die herausfordernden Situationen vor Ort mit dieser zusätzlichen Belastung verschärfen die Problematik des Lehrpersonen- und Schulleitungsmangels kurz-, mittel- und langfristig. Individuelle Überforderungen, welche immer öfters zu Pensenreduktionen oder leider sogar zum Berufsausstieg führen, sind nicht nur bei den Lehrpersonen, sondern vermehrt auch bei den Schulleitungen erkennbar.

Wir sind der Meinung, dass die Belastbarkeit der Schulsysteme weder durch den Personalmangel im hochschwelligen Bereich noch durch fehlende Sonderschulplätze zusätzlich ausgereizt werden darf und dringender Handlungsbedarf besteht.

Wir bitten deshalb die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Gibt es eine Statistik, welche den Platzbedarf in den letzten Jahren aufzeigt beziehungsweise wird der Bedarf systematisch eruiert?
  2. Wie kann der Personalmangel sowie die aktuelle Platznot in den Kompetenzzentren begründet werden und welche sind die Ansätze, um die Situation kurzfristig zu entschärfen?
  3. Welche Massnahmen müssen getroffen werden, damit die den Kindern zustehende Förderung im hochschwelligen Bereich und die Anzahl Plätze in den Kompetenzzentren auch mittel- und langfristig sichergestellt werden kann?
  4. Wie können anfallende Kosten für die von Fachstellen empfohlenen Sondersettings im Regelunterricht, die aufgrund des Mangels an Sonderschulplätzen entstehen, durch den Kanton abgegolten werden?

Chur, 7. Dezember 2022

Dietrich, Holzinger-Loretz, Favre Accola, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Beeli, Berther, Berweger, Biert, Binkert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Brunold, Bürgi-Büchel, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Claus, Collenberg, Degiacomi, Della Cà, Derungs, Epp, Furger, Gansner, Gartmann-Albin, Gredig, Hofmann, Jochum, Kasper, Kocher, Kohler, Kreiliger, Kuoni, Lehner, Loepfe, Luzio, Mani, Menghini-Inauen, Messmer-Blumer, Morf, Müller, Nicolay, Oesch, Pajic, Perl, Preisig, Rageth, Rettich, Rusch Nigg, Rutishauser, Sax, Ulber, Walser, Widmer, Wieland, Wilhelm, Zindel

Antwort der Regierung

Die folgenden Ausführungen betreffen Schülerinnen und Schüler (SuS) mit besonderem Förderbedarf im Bereich Behinderungen. Die Fragen bezüglich Plätze für SuS mit Verhaltensauffälligkeiten im engeren Sinne werden in der Antwort auf die Anfrage Claus betreffend fehlende Schulplätze für Kinder mit besonderen Bedürfnissen - Wenn die Integration an ihre Grenzen stösst! behandelt.

Zu Frage 1: Als Grundlage für die Angebotsplanung im hochschwelligen Bereich erfolgt gemäss Art. 49 Abs. 2 des Gesetzes für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) periodisch eine Bedarfsanalyse. Die Institutionen der Sonderschulung schätzen in einer Erhebung ein, über wie viele freie und belegte Plätze sie jeweils für die nächsten drei Schuljahre verfügen werden. Zudem wird der Bedarf durch die zuständigen Fachstellen des Amts für Volksschule und Sport (AVS) eingeschätzt. Die Bedarfserhebungen fanden zuletzt in den Jahren 2017, 2020 und 2022 statt. Die letzte Erhebung wurde um ein halbes Jahr vorgezogen, um bei Bedarf auf das Schuljahr 2023/24 reagieren zu können. Das AVS verfügt über Zahlen, welche die Entwicklung in der Integrativen und Separativen Sonderschulung sowie der dazugehörenden Betreuung rückblickend aufzeigen.

Zu Frage 2 und 3: Aufgrund der erwähnten Bedarfsanalysen und angesichts der Aufforderung der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats zur Kosteneindämmung im Bereich der hochschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen wurde ein Ausbau der Platzzahl bisher als nicht angezeigt beurteilt. Die Ende 2022 durchgeführte Erhebung des Bedarfs an Plätzen in der Separativen Sonderschulung für das Schuljahr 2023/24 zeigte einen stärker als erwartet gestiegenen Bedarf. Als kurzfristige Massnahme ist (Stand Januar 2023) vorgesehen, in den Institutionen der Sonderschulung für SuS mit einer Behinderung per Schuljahr 2023/24 temporär zusätzliche Plätze zu schaffen. Mittel- und langfristig sind im Spannungsfeld zwischen der Kostenentwicklung und dem gestiegenen Bedarf verschiedene Massnahmen geplant. Das AVS wurde beauftragt, die Kostenentwicklung zu analysieren und Vorschläge für Massnahmen zur Kostensenkung zu erarbeiten. Parallel dazu erfolgt die Bedarfsanalyse für die Angebotsplanung im Bereich der hochschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen 2024–2026, welche im Laufe dieses Jahres von der Regierung beschlossen wird. Der Personalmangel in der Schulischen Heilpädagogik ist in vielen Kantonen ein seit längerem bestehendes Phänomen und hat vielfältige Ursachen (z. B. gestiegener Bedarf, Teilzeitanstellungen). Gemäss Praxis können bei Bedarf Lehrbewilligungen für geeignete Lehrpersonen ohne Abschluss in Schulischer Heilpädagogik erteilt werden, um die Aufrechterhaltung des Unterrichts zu gewährleisten. Für das Schuljahr 2022/23 wurde zudem eine Ausnahmeregelung betreffend den Einsatz von Schulassistenzen in der Integrativen Sonderschulung geschaffen. Diese musste bis anhin nur in einzelnen Fällen angewandt werden. Um den Bedarf an Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mittel- und langfristig möglichst zu decken, hat die Regierung ein auf sechs Jahre ausgelegtes Aus- und Weiterbildungsmodell mit Start im Schuljahr 2022/23 in Kooperation zwischen der Pädagogischen Hochschule Graubünden und der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik bewilligt.

Zu Frage 4: In der Regel ist eine Sonderschulung auf Beginn eines neuen Schuljahrs zu planen. Die Regierung geht davon aus, dass für die Zeit bis dahin eine Förderung der Schulträgerschaft im Rahmen der vorhandenen niederschwelligen sonderpädagogischen Ressourcen in der Regel vertretbar ist. Für eine Abgeltung von Massnahmen der Regelschule über die gemäss Schulgesetz vorgesehenen Beiträge hinaus besteht keine gesetzliche Grundlage. Kommt eine Integrative Sonderschulung infrage und können die dafür notwendigen personellen Ressourcen von der zuständigen Institution der Sonderschulung nicht zur Verfügung gestellt werden (jedoch von der Regelschule) so kann eine Sonderschulung und damit eine Finanzierung durch den Kanton dadurch sichergestellt werden, dass das betreffende Personal eine Teilzeitanstellung bei der Sonderschulinstitution annimmt.

22. Februar 2023